Als die Autotür hinter mir ins Schloss fiel, war der Große gerade dabei, seiner Schwester an die Gurgel zu gehen. Das ohrenbetäubende Geheul verklang erst, als ich eilig im Bahnhof verschwand. Ganz kurz packte mich das schlechte Gewissen, weil ich meinen Mann mit unserem Trio Infernale allein ließ. Aber die Vorfreude siegte binnen Sekunden: Die gespannte Erwartung auf 24 Stunden Me-Time ohne Mama-Pflichten…

Es war ein Besuch in meinem alten Leben. Eine Stippvisite in meinem Prä-Mutter und Prä-Landlust-Leben. Ein Ausflug zurück zu meinem Thirtysomething-Ich, das auf ganz anderen Umlaufbahnen lief: Hinein in die Dämmerung des Hamburger Großstadtrubels. Unterwegs auf vormals vertrauten Pfaden, die nach all der langen Zeit wieder neu und aufregend waren. Mit ganz viel Muße statt maulenden Kindern an der Hand.

Im Bummelmodus durch Bars und Boutiquen – statt im Stechschritt über den Spieli.

Wie eine gute, alte Freundin hat das urbane Leben mich und meine Me-Time umarmt: Mit einem ungewöhnlich milden Oktoberabend, an dem ich bis nachts vor meinem Lieblingsrestaurant sitzen konnte. Mit zufälligen Begegnungen vertrauter Menschen – die einem dieses wohlige du-bist-gerade-zur-richtige-Zeit-am-richtigen-Ort-Gefühl verpassen. Mit pulsierendem, erwachsenem Leben, wo immer ich auch war.

Wann habe ich mich das letzte Mal so entspannt treiben lassen können? Ohne Plan, ohne Ziel, ohne Zeit im Nacken. Etwas, was ich in meinem Leben vor den Kindern als selbstverständlich genommen habe, entpuppt sich jetzt in der Rückschau als der wahre Luxus. 

Das Beste am Rendezvous mit mir selbst aber war, dass ich es in vollen Zügen genießen konnte. Keinen plötzlichen Kinder-Vermissungs-Kater hatte. Keine Zweifel, ob das Unterwegssein und ich uns noch so gut vertragen wie früher. Es war ganz genau so gut, wie es war.

Mein Mann und ich haben just ein Päppel-Programm für uns Eltern beschlossen.

Ein (Post-)Corona-, Post-Hausbau-, Post-Homeschooling-Paket, das regelmäßige Familienauszeiten für jeden von uns allein vorsieht. Um ins Kino, in die Sauna, auszugehen. Weil wir zwischendurch eine Pause brauchen. Das kurze Gefühl von Selbstbestimmung. Einen Ausblick auf das, was irgendwann wieder vor uns liegt.

Und so war mein St.-Pauli-Abstecher nicht allein ein nostalgischer Rückblick, auf das, was einmal war. Sondern auch wie ein Blick auf das, was wieder kommen wird. Zurück in die Zukunft, sozusagen.

So sehr mich meine Mutterschaft auch verändert hat – ich mag immer noch die gleichen Dinge wie vor zehn Jahren: Mit meiner Schwester durchs Nachtleben bummeln. In schrammeligen Kneipen laute Musik hören. Erst morgens um zehn frühstücken – und danach stundenlang über den Flohmarkt und durchs Viertel schlendern. Zwischendurch in einem charmanten Café das Treiben auf mich wirken lassen, ganz in Ruhe.

Es war wie ein Kurzurlaub vom Alltag.

Wie ein Paralleluniversum, das mir gleichsam vertraut wie exotisch vorkam. Ich könnte mich wieder dran gewöhnen – zwischendurch. Denn so sehr ich meine Auszeit genossen habe: Als ich nachmittags in der kleinsten und leckersten Pizzeria St. Paulis auf mein lärmendes Kinder-Trio traf, packte mich die Zuneigung wie ein wildes Tier: Ich liebe es, ihre Mutter zu sein. Ich liebe mein Leben mit ihnen. Ich will kein anderes. Nur ab und an eine Auszeit, um dieses irre Glück zu überleben.

Gönnt ihr euch auch solche Auszeiten?

Alles Liebe,

Katia