Ich war echt hin und weg: Gerade mal 80.000 Einwohner hat Celle, die muckelige Stadt in Niedersachsen. Und doch gibt es soooo viel zu sehen und erleben. Kein Wunder, schließlich war Celle mal Residenz der Welfen und damit richtig wichtig. Übrigens: wenn die Stadtführerin meine Geschichtslehrerin gewesen wäre, hätte ich garantiert nicht so eine miese Note bekommen. Das war aufregender, als jede Soap…
1. Das Schloss und seine letzte Königin
Ich gebe es zu, ich liebe Adelsgeschichten. Und die der dänischen Königin Caroline Mathilde ist besonders schön – und dramatisch. Mit 15 wurde sie mit dem dänischen König verheiratet, der nicht bloß ebenfalls viel zu jung war, sondern auch geisteskrank. Die Ehe war eine Katastrophe, Caroline kämpfte mit dem Protokoll und ihr Mann ignorierte sie.
Alles änderte sich, als sie sich in den Arzt ihres Mannes verliebte. Die beiden begannen ein Verhältnis, dass der König nicht bloß tolerierte, sondern den Gerüchten nach sogar gut fand. Allerdings war die Menage-a-trois so reformermäßig drauf, dass sich bald der übrige Adel an ihnen störte. Der Geliebte wurde gehängt und Caroline kam ins Exil nach Celle. Dort sorgte sie nach 70 Jahren Leerstand im Schloss für gern gesehene Adelsvibes, förderte die Kultur und soll außerdem sehr offen und liebenswürdig gewesen sein. Leider starb sie viel zu früh mit 23.
Celle gedenkt seiner Caroline zu ihrem 250. Todestag mit reichlich Veranstaltungen, unter anderem einer wirklich tollen Virtual Reality Tour im Schloss, die ich wirklich sehr empfehlen kann. So macht Geschichte Spaß (auch Kindern und Teenies!)
2. Die hübschen Fachwerkhäuser
Um die 480 Fachwerkhäuser gibt es in Celle – und damit mehr als in den meisten anderen Städten, die sich mit dem Label “die meisten Fachwerkhäuser” schmücken. Celle macht da nicht mit, lässt die Superlative und ist einfach hübsch und sympathisch. Und kümmert sich richtig gut um seine alten Häuser und auch die Geschäfte in der Innenstadt.
Sehenswert: Die Only-Filale wurde in ein typisches Celler Haus mit Hinterhof gebaut, was man noch gut erkennen kann, während man fröhlich shoppt. Unglaublich, dass die Celler früher fast alle Ackerbürger waren und mit ihren Tieren in den schmalen Häusern und Hinterhöfen lebten. Sehr spannend finde ich auch das alte Rathaus, mit den aufgemalten Steinen (weil blanker Putz für eine Residenzstadt nun man nicht reichte).
3. Ein Dixieklo des Mittelalters
Das alte Klo hängt eindrucksvoll zwischen zwei Häusern und natürlich fragt man sich, wer da wohl wie draufgegangen ist. Und wie es wohl heute darin aussieht? Ein bisschen versteckt ist es, man muss in der Straße “Am großen Plan” nach oben schauen (neben der Sparkasse). Geheimtipp eben.
4. Die Kirche
Die Kirche war ursprünglich aus Backstein, wie viele Kirchen im Norden. Als Celle Residenzstadt wurde, musste was Representativeres her, statt sie abzureißen barockisierte man sie kurzerhand. Wenn man jetzt die imposante Kirchenhalle betritt, hört man im Kopf automatisch ein Halleluja. Sehr schön. Und der Blick vom Kirchturm auf die schnurgeraden Straßen und das hübsche Schloss ist sehr sehenswert.
Der Kirchturm ist übrigens ein Jungspund und erst um 1910 entstanden. Ab und zu gibt sich die Celler Kirche lässig wie in Las Vegas: Dann kann man nämlich spontan und To-go heiraten. Was für eine lustige Idee. Ich sag’s doch, die Stadt hat jede Menge davon.
5. Köstlicher Kaffee
Der Laden Huths Kaffee wirkt wie aus einem Historienfilm. Öffnet man die knarzende Tür duftet es nach Kaffee und man hört das sanfte Rasseln von Kaffeebohnen, die in eine Tüte prasseln. Ich habe mit offenem Mund gestaunt, so wunderschön ist es. Und das Tollste: Hinten im Hof wird der Kaffee selbst geröstet. Wer sieht um die Mittagszeit Rauch über dem Laden aufsteigen. Jetzt bitte schnuppern, es duftet köstlich.
6. Noch mehr hübsche Läden
Auch Celle hat mit Leerstand zu kämpfen, dennoch gibt es hier noch viele kleine, sehr besondere und liebevolle inhabergeführte Läden, das Bummeln macht Spaß. Wie wäre es zum Beispiel mit einem coolen Kissen mit pinkem Caroline Mathilde Druck von Allernixe. Oder einem Gläschen Alten Provisor? Der Celler Likör ist typisch für die Stadt und was für ein Glück, dass Dörte Hirschfeld das Geheimrezept von ihrem ehemaligen Chef erbte und es spontan wagte, einen kleinen gleichnamigen Shop zu eröffnen.
Hier gibt’s nicht nur den Likör, der für seine 50 Prozent wirklich erstaunlich goldig die Kehle herunterläuft, sondern auch jede Menge hübsche Deko und leckere Naschereien. (Probiert die Kekse mit Karamellstücken. Köstlich!) Samstags öffnet Dörte ein Fenster und serviert vor dem Laden köstlichen Kaffee und kleine Köstlichkeiten. Ganz Celle scheint miteinander bekannt zu sein, wirklich sehr nett.
7. Stechinelli
Meine zweitliebste Geschichte aus Celle ist die des italienischen Pagen Stechinelli (der eigentlich anders hieß, aber aufgrund seiner zahnstocherdünnen Beine so genannt wurde.) Ein reicher Celler Händler ließ ihn in Italien einen Botengang erledigen und schenkte ihm dafür ein Goldstück. Weil der Page, spitznamens Stechinelli, das viel zu viel für den einen Gefallen fand, lief er los, um das Geld zu wechseln und brachte tatsächlich einen Teil zurück. Das fand der Händler so toll, dass er ihn mit nach Celle nahm und dort unterstützte.
Stechinelli wurde ebenfalls ein sehr erfolgreicher Händler und Humor hatte er offensichtlich auch – schließlich ließ er sich die Initialien seines Spitznamens auf seinen Wetterhahn schräg gegenüber von Huths Kaffee schweißen. Entdeckst du ihn? Stechinelli selbst versteckt sich oben in meiner Collage.
8. Der französische Park
Ich war wieder einmal hin und weg angesichts des Französischen Gartens. Der ist so schön und so großzügig, der mutet wirklich großstädtisch an. Der runde See mit der Fontäne, die weiten Wiesen mit den alten Bäumen und die Allee. Wirklich wunderschön. (Nebenan im Cafè gibt’s Caroline Mathilde Torte, hab ich nicht mehr geschafft – aber ihr vielleicht?)
9. Die Rohe Roulade
Ich gebe es zu, sonderlich Lust diese Celler Spezialität zu probieren, hatte ich nicht. Rohes Fleisch, mmmh, nicht so meins. Aber Job ist Job und ich fand, das war ich dem schönen Celle schuldig. Also bestellte ich mir hier eine und was soll ich sagen, viel besser als ich dachte. Sehr zwiebelig und pfeffrig allerdings.
Dennoch hab ich mich noch viel lieber auf eine große Portion Heidespargel mit Hollandaise gestürzt – und probiere beim nächsten Mal unbedingt die Ochsenfetzen. Noch eine Celler Spezialität, die seltsam klingt, die aber super lecker sein soll. (Es handelt sich um weich gekochtes Rind, heute würde man wohl Pulled Beef sagen, das wird in einer köstlichen Knoblauchsoße serviert.)
10. Wohnen wie Caroline
Im Fürstenhof hab ich mich zwischen Stuckdecken, Flügeltüren und Barockmöbeln gefühlt, wie die Caroline Mathilde. Es gibt einen traumhaft schönen Hof, auf dem man unter blühenden Kastanien sitzt und das Frühstück ist spitze.
Sag doch mal, warst du schon mal da? Und falls ja, hast du noch Tipps?
Ganz Celle scheint miteinander bekannt zu sein, wie wahr. Celle ist auch meine Heimatstadt, auch wenn es mich leider 500 km weiter gen süden verschlagen hat. Ich komme gerne und oft nach Celle zurück. Danke für den tollen Beitrag, ich bekomme direkt ein wenig Heimweh 😊