“J. ist jetzt mein Freund”, verkündete mein Jüngster kürzlich sehr nachdrücklich. Seitdem er beschlossen hat, dass er nun auch einen eigenen Freund hat, will er jeden Nachmittag mit ihm spielen. Oder mit dessen Feuerwehrmann-Sam-Fahrzeugen, die Trennlinie ist da noch nicht so scharf. Aber es ist das erste Mal, dass er komplett selbstbestimmt ein anderes Kind als Gefährten wählt – und nicht nur leidlich geduldet bei Geschwistern oder Nachbarskindern mitspielt. Und ich bin gerade ganz gefühlig, weil mir wieder klar wird: Etwas Besseres als gute Freunde können Kinder kaum haben…
Ich sehe noch den Einschulungstag meiner Mittleren vor mir: Sie hatte sich nur Tage zuvor den Arm gebrochen – und wollte mit Gips partout nicht in die Schule. Verständlich, sie hatte sich das alles anders vorgestellt. Als wir sie doch mit Engelszungen dorthin überredet hatten, wollte sie bei nichts mitmachen. Bis ihre engste Freundin kam – und ihr bei der Willkommenrede der Schulleiterin schlicht den Arm um die Schultern legte. Das war der Augenblick, an dem ich spontan in Tränen ausbrach. Und für meine Tochter war der Tag ab dem Moment wieder ihr – Freund.
Freunde sind so viel mehr als Spielbuddys.
Sie sind Tröster, Beschützer, Gefährten durch dick und dünn. Im besten Fall ein Leben lang. Klar gibt es auch Nennfreunde. Phasenfreundschaften, die nur in bestimmten Lebensabschnitten matchen. Die echten Herzensfreunde sind selten – und um so wertvoller.
Mein Ältester kennt einen seiner besten Freunde, seitdem er drei Monate alt ist. Man merkt es ihrer Vertrautheit an, sie sind fast wie Brüder groß geworden. Mit dem Unterschied, dass die Rivalität zwischen ihnen bei weitem nicht so groß ist wie unter Geschwistern. Sie bohren nicht ihre Finger in die Schwächen und Macken der anderen – sondern nehmen sie hin. Sie geben sich ohne viele Worte Halt, teilen ihre Leidenschaften, ihre Freude genauso wie ihren Frust. Sie sind füreinander da, wie nur Neunjährige füreinander da sein können: Unaufgeregt, selbstverständlich, stoisch.
Freunde schließen oft Lücken, die Familie nicht füllen kann.
Erst im Spiel, später in allen Fragen des Lebens, der Liebe und dem ganzen Wust, den diese coming-of-age-Phase so mit sich bringt. Manchmal würde ich gern vorspulen können, um zu sehen, ob in der Pubertät noch die gleichen Freunde wie jetzt meine Kinder bestärken. Ob immer noch die eine Freundin schützend den Arm um meine Tochter legt, wenn ihr das Leben gerade ein Bein stellt.
Ich würde es mir für sie wünschen. Dass die Freundin, die irgendwann den ersten Liebeskummer mit ihr erträgt, die gleiche ist, mit der sie heute Bastel-Verwüstungen betreibt. Weil es einfach unbezahlbar ist, jemanden zu haben, der einen fast besser kennt als man sich selbst. Der einen Haufen gemeinsamer Erinnerung mit einem teilt – schöne und schlimme. Weil mit Freunden alles doppelt so gut und nur halb so wild ist. Ich weiß, wovon ich spreche: Viele meiner engen Freundschaften begleiten mich schon den Großteil meines Lebens. Und ich würde sie gegen nichts auf der Welt eintauschen wollen.
Wenn der neue best buddy meines Dreijährigen keine Zeit für ihn hat, spielt er übrigens gern mit seinem Fantasie-Freund.
Genau genommen hat sich mein Jüngster nämlich schon vor längerem einen Spielgefährten nach seinem Geschmack kreiert: Beko wechselt je nach Laune Geschlecht und Charakter, mag aber immer die gleichen Spiele wie mein Sohn und ist ein fabelhafter Sündenbock für alles, was schief geht. Das Buch, zerschnitten, die Wand angemalt, den Adventskalender geplündert? “Das war ich nicht, das war Beko!”
Vermutlich muss der Dreijährige irgendwann noch lernen, dass man echte Freunde nicht verpfeift…
Haben eure Kinder auch solche Herzensfreunde – ob imaginär oder real?
PS: Der Soundtrack zu diesem Text sind für mich diese beiden Freundschaftshymnen: hier mit ganz viel Gefühl und hier im Glam-Gewand.
Foto: Daniel Irmler/Unsplash
Alles Liebe,
Meine Fantasiefreunde von damals hießen Mulla und Ti 🥰 die waren so präsent, dass meine Mama sich Sorgen gemacht hat.. aber alles gut. Ich habe heute auch einige sehr gute, echte Freunde 😅
Hej Mary, wie man als Kind bloß auf solche Namen kommt…? 😉 Sehr kreativ! Wie lange warst du mit Mulla und Ti am Spielen? Finde ich total spannend, ich kenn so was von mir als Kind gar nicht… Alles Liebe und schöne Weihnachten, Katia
Meine Große hat heute mit 14 immer noch ihre U3-Freundin – und das trotz über 500 Kilometer Entfernung.
Die Jungs sind ganz verschieden: der eine versteht sich mit fast allen, ein so richtig dickster allerbester Freund fehlt aber.
Den hat der kleinere jetzt seit der Krippenzeit. Eine Pause zwischendrin, weil sie nicht gleichzeitig eingeschult wurden. Aber wieder tief und innig. Und er hatte auch Phantasiefreunde. Erst Orange, die in einer Burg oben auf dem Berg wohnt, später dann die Schneeretter. Das zog sich sicher drei Jahre…
Bei der kleinsten warte ich noch, auf wenn die Wahl fällt.
Liebe Grüße und schöne Weihnachten
Liebe Annie, o wow – das ist dann aber wirklich eine Leistung, wenn die Distanz so groß ist. Häufig leben Kinder-Freundschaften ja auch von räumlicher Nähe.
Und gerade hast du mich sehr zum Lachen gebracht mit der Orange auf der Burg – wie genial ist das bitte?! 🙂 Alles Liebe und frohe Weihnachten auch für dich! Katia
Unser Sohn , jetzt 21, hatte zwei beste imaginäre Freunde: Bier hieß der eine und der andere Kallamulla….warum und wieso die namen, keine ahnung. Damals fand ich das zuerst komisch, dann war es Lustig, wenn alle mit im Auto saßen. Übrigens: er ist im echten Leben der kontaktfreudigste Mensch, den ich kenne…
Hej liebe Christina, ich lach mich schlapp – was für großartige Namen!! 🙂 Und ja, der imaginäre Freund meines Jüngsten ist auch überall mit dabei – er gehört mittlerweile schon zur Familie 😉 Alles Liebe, frohe Weihnachten, Katia
Mein Sohn hat einen besten Freund, mit dem er seit der Kita (U3) zusammen ist. Genau wie dir kommt es mir vor, als wären die beiden bessere Brüder.
Jeder hat seinen Platz, die beiden verstehen sich blind, aber die Rivalitäten unter echten Geschwistern dürfen außen vor bleiben.
Ein Telefonat zwischen den beiden zu belauschen ist unfassbar lustig, es dauert circa 15 Sekunden, denn es werden nur die wesentlichen Wörter besprochen-maximal fünf pro Person.
Dennoch wissen Sie immer, wann sie sich wo treffen werden. Wenn ich kritisch nachfrage, ist die Antwort nicht selten: „Mama, das ist doch klar…!“
Meine Älteste ist seit Ewigkeiten beste Freundin eines Jungen. Nun, mit dem Einsetzen der Pubertät, werden leider die Geschlechterunterschiede offenbar zum Problem der Freundschaft.
Ich hoffe so sehr, dass ich das in ein bis zwei Jahren legt, denn die beiden sind eigentlich ein untrennbares Team. Und leiden gerade unter der Abwesenheit des anderen.
Die Jüngste wollte sich lange Zeit mit niemandem treffen.
Seit der Grundschulzeit bahnt sich jetzt aber glaube ich eine enge Freundschaft an. Das freut mich sehr!
Freunde sind ein so wichtiger Hagen im wilden Leben!
Hej liebe Christina, o, das finde ich einen spannenden Aspekt: Wie Freundschaften zwischen Mädchen und Jungs sich irgendwann neu justietren müssen. Mein Ältester hat auch mehrere Mädchen-Freundschaften, mal sehen, wie die die Pubertät überstehen…
Mehr als fünf Worte brauchen sie – o wie ich das kenne 🙂 Das ist so lustig und rührend – und manchmal denke ich, vielleicht rede ich immer viel zu viel, das Wesentliche lässt sich docvh offenbar gut reduzieren. In diesem Sinne: FRöhliche Weihnachten und alles Liebe für dich und euch! Katia
Wunder wunder wunderschönster Song über Freundschaft: Enno Bunger – Ponyhof ❤️
Oh, den kannte ich noch gar nicht. Danke 🙂 Und alles Liebe!