Eigentlich wollte ich mir für dieses Jahr nichts vornehmen. Vor allem nichts, dass ich nach zwei Wochen klammheimlich in die Mülltonne gebrochener Vorsätze entsorge. Ihr wisst schon: Zuckerfrei, Fitness- Challenge undsoweiterundsofort. Aber wenn das neue Jahr dann so leer und einladend vor mir liegt, wenn ich plötzlich dieses Gefühl ganz neuer Möglichkeiten, Anfänge, Ideen habe – dann werde ich plötzlich doch immer ganz kribbelig…


Früher habe ich dem Jahr zu Beginn nämlich immer einen Slogan verpasst: Das Jahr der Träume, das Jahr des Ja – hier findet ihr meinen Post dazu (damals noch unter Pseudonym, nicht wundern). Es war wie ein gedanklicher Anker, der mich im Alltag immer wieder auf das Wesentliche brachte. Einfach, aber wirkungsvoll.

Mir kam mein 2023-Motto bei Neujahrs-Joggen am Nordseestrand.

Manchmal muss es nämlich gar nichts Großartiges sein. Manchmal reicht schon ein anderer Weg, eine überraschende Perspektive auf vermeintlich Altbekanntes – und aus dem Immergleichen, aus dem unaufgeregt Vertrauten erwächst etwas Neues. Vielleicht sogar ein erstes Mal.

Ich habe eine seit Jahren bewährte Jogging-Runde durch ein Wäldchen, eine Weile an der Strandpromenade mit Blick auf die Halligen am Horizont entlang und den Schlussspurt hinter einer Häuserzeile durch einen hübschen Hain. Ich muss mir keinerlei Gedanken über den Weg machen, meine Füße finden ihn von allein, mein Kopf ist frei für anderes. An diesem sonnigen Neujahrsmorgen aber habe ich aus einem Impuls heraus eine andere Route gewählt. Bin an ihrem Ende losgelaufen, habe die Strecke rückwärts aufgerollt – und bin mittendrin gänzlich anders abgebogen.

Ich lief über Dünenüberwege, die ich noch nie gequert, an reetgedeckten Katen vorbei, die ich noch gesehen hatte – dabei ist Föhr so etwas, was einer zweiten Heimat wohl am nächsten kommt. Ich war aufmerksamer, wacher für die Dinge, die meinen Weg kreuzten, der auf einmal nicht mehr so vorhersehbar war. Ich war plötzlich wieder neugierig, weil ich nicht genau wusste, was mich hinter dieser Biegung, hinter jener Düne erwartete. Es war ziemlich schön. Und da beschloss ich, dass dieses mein Jahr der ersten Male werden würde.

Ich weiß, das ist kein erstes Mal wie ein waghalsiger Bungee-Jump, kein Tauchen mit Delfinen – und doch war es etwas, das mich überrascht hat.

Es war anders, besonders, ohne gänzlich überwältigend zu sein – und daher absolut alltagskompatibel. Denn wie häufig schaffen wir es, uns außerhalb von Ferien oder generell viel freier Zeit ein erstes Mal zu schenken? Und zwar eines, dass sich in die großen ersten Male des Lebens einreiht (der erste Kuss, das erste Mal, das erste Kind) – das passiert nur noch verdammt selten. Und wenn doch, sind diese reifen ersten Male manchmal auch tendenziell nüchtern bis hin zu unerfreulich (der erste getilgte Kredit, die erste Scheidung, der erste familiäre Verlust).

Ich will mich dieses Jahr auf die kleinen ersten Male konzentrieren, die leisen, die es nicht in die Top Ten meiner Lebensbilanz schaffen müssen.

Und die mich dennoch froh machen. Das erste Mal Stand-Up-Paddeln mit meinem Großen. Das erste Mal 15 Kilometer joggen. Das erste Mal als Mama allein in den Urlaub fahren. Und ganz viele Mini-Firsts, die basic sind und mich dennoch bewegen: Im durchgetakteten Familienalltag einfach mit Routinen brechen und spontan in der Sonne spazieren, statt Lunch zu kochen. Wochenends uns fünf ins Auto verfrachten und jeden Sonntag eine neue Stadt, eine neue Region in unserer Umgebung erkunden. Ein erstes Mal seit gefühlt einem ganzen Mutter-Leben wieder bis zehn ausschlafen, eine Nacht bis zum Morgengrauen durchtanzen.

Je erwartbarer das Leben, desto alltäglicher wird es – und langweiliger ganz von allein.

Aber wünscht sich nicht jeder eine kleine Sahnehaube obenauf? Am besten eine, die ohne großen Aufwand – organisatorisch, finanziell – machbar ist? So gesehen ist mein “year full of firsts” vor allem eine Haltung. Eher eine Perspektive als ein Projekt, das viel Einsatz und Aktion erfordert. Stattdessen: Aufmerksamkeit für das, was vor meiner Nase liegt. Wie und wo kann ich meinem regulären Alltags- und Familienleben einen anderen Dreh verpassen, dass es ein erstes Mal wird?

Mein Jüngster ist gerade so ein wandelndes erstes Mal: Weil er endlich alt genug für viele Sachen ist, die ich mit den beiden Großen allerdings schon zigfach durchhabe. Aber dann gehe ich halt das allererste Mal nur mit ihm ins Kindertheater, ins Kino, in den Schmetterlingspark. Lese mit ihm das erste Mal Michel, spiele mit ihm das erste Mal Kniffel. Das im hektischen Alltag zu sehen, zu spüren, herbeizuführen, ist vielleicht meine wahre Jahreschallenge. Aber allein in den Urlaub will ich dennoch unbedingt fahren.

Habt ihr erste Male vor?

Alles Liebe,

Katia