Ich wär’ gern diese Bilderbuch-Familie. Diese Familie, die abends gemeinsam am großen Esstisch zusammenkommt, lachend durcheinanderredet, froh über die gemeinsam verbrachte Zeit. Aber gerade sind wir nicht so eine Familie. Wir sind die Familie, in der jeden Abend mindestens ein Kind türenknallend den Raum verlässt, in der am Tisch mehr gestritten als geredet wird und alle froh sind, wenn sie sich wieder allein verkrümeln können. Und obwohl ich dieses Familiending schon ziemlich lange rocke, scheitere ich immer wieder an der gleichen Stelle: Da, wo Wunsch und Wirklichkeit unsanft aufeinanderprallen…
Vielleicht liegt es daran, dass ich generell ziemlich konkrete Vorstellungen davon habe, wie das Leben so auszusehen hat. Es soll eben flutschen. Und maximal viel Spaß machen. Allerdings sind das gerade nicht die Attribute, mit denen ich unser Familienleben beschreiben würde. Eher im Gegenteil.
Bei uns knirscht und ächzt es innerfamiliär gerade an jeder denkbaren Stelle:
Geschwisterzoff, Hausaufgaben-Beef, ich-zieh-gleich-aus-Eltern-Kind-Dramen, Trotzanfälle – wir geben uns die volle Dröhnung. Ich glaube, weiter kann man von Bilderbuchfamilie gerade nicht entfernt sein. Selbst eigentlich schöne Events nehmen eine komplett andere Wendung als erhofft: Da besorge ich nur für den Jüngsten und mich Planetarium-Karten, ich seh uns im Geiste schon gemeinsam happy unter der Sternenkuppel liegen – da eröffnet er mir zwei Minuten vor Abfahrt, dass er auf gar keinen Fall mitmöchte. Die kurzerhand überredete große Schwester langweilt sich bei dem Sternenmusical für Kleine so sehr, dass sie mehrmals laut und vernehmbar genervt “Mama, wann ist das ENDLICH vorbei…?” seufzt. Vier Stunden Quality Time für die Katz. Danke dafür.
Ganz gleich, was: Meistens haben wir doch im Kopf vorab ein Bild, wie etwas sein soll. Und es ist immer die Variante mit Sahnehaube und Kirsche obenauf, wider besseres Wissen. Denn die beste Version unseres Lebens tritt den allerseltensten Fällen ein. Ganz besonders im familiären Kontext. Da mag ich noch so sehr das Bild der glücklich spielenden Geschwister auf meiner Netzhaut beschwören – in Wahrheit schreien sie sich wieder im Dezibel-Bereich eines startenden Düsenjets an.
Darüber kann ich mir jetzt frustriert die Haare raufen (was ich natürlich dauernd tue). Oder aber ich probiere meinen neuen Mantra-Satz aus: “Dann ist das jetzt eben so”.
Nicht wie gedacht, nicht wie erhofft, sondern einfach genau so, ungeschminkt, unbequem, unabänderlich. Zumindest für den Moment. Achselzucken inklusive. “Dann ist das jetzt eben so” – mit der Betonung auf JETZT, denn all das kann sich wieder ändern. Diesen wunderbar inspirierenden Gedanken las ich kürzlich in einem Insta-Post von Ohhhmhhh – und seither lässt er mich nicht mehr los.
Denn es ist ja nicht nur deutlich entspannter, Erwartungen runterzuschrauben und falsche Vorstellungen zu entsorgen (zugegeben, eine meiner schwersten Übungen ganz generell). Sondern sich auch immer wieder bewusst zu machen, dass nichts in Stein gemeißelt ist. Nenn es eine Phase, nenn es mieses Karma, aber nichts davon ist für die Ewigkeit. Alles kann sich jederzeit ändern, nicht nur zum Schlechten, was gerade häufig mein persönlicher Eindruck ist, sondern eben auch zum Guten oder – yap – zum noch viel Besseren. Man braucht eben bloß ein wenig Geduld. Und die Kraft, das Dazwischen auszuhalten.
Denn das Blatt wendet sich meist dann, wenn man am allerwenigsten damit rechnet.
So wie kürzlich, als wir unseren Tiefpunkt erreicht hatten, schlechte Laune, schlechtes Timing, schlechte Nachrichten überall – und dann wurde ich pünktlich zum Ferienbeginn auch noch krank. Vielleicht habe ich auch einfach kapituliert. Fakt war jedenfalls: Ich lag flach, mein Mann schielte schon vor lauter Arbeits-To-dos inklusive Nachtschichten – und wir waren 24/7 mit drei streitbaren Kindern zuhause. Halleluja!
Ich sah es schon ganz klar vor mir: Der erste Zoff bereits vor dem ersten Kaffee um 6 Uhr früh, endlos wiedergekaute das-ist-sooo-ungerecht-Dialoge und permanent wollen alle was zu futtern serviert bekommen. Und dann – zersplitterte auch dieses Bild im Clash mit der Realität. Dankenswerterweise. Denn es wurde viel besser, als ich es mir je hätte ausmalen können.
Der Große machte mit dem Kleinen stundenlang Vorschul-Stuff und übte mit der Schwester das Einmaleins.
Alle drei spielten den kompletten Nachmittag harmonisch in EINEM Kinderzimmer – ohne Streit, ohne Unfall. Abends deckten sie unaufgefordert den Tisch, kochten mir Genesungs-Tee und benahmen sich insgesamt so absolut untypisch, dass ich kurzzeitig dachte, jemand hätte unser Trio heimlich ausgetauscht.
Von einem Tag auf den anderen, von einem Moment zum nächsten – war es plötzlich so. Anders als gedacht, anders erwartet – ein neuer Status Quo. Einer, der meine pastelligsten Familienbilder Wirklichkeit werden ließ, zumindest für den Moment. Einmal mit Sahnehaube und Kirsche obenauf.
Und vielleicht ist das doch immer wieder das Einzige, was zählt: Das Jetzt, so wie es halt gerade ist. Meist ungeschönt, ohne Filter, eher holperig als harmonisch, mehr aufreibend als aufregend. Und zwischendurch dann plötzlich doch die Wunderversion. Wo Wunsch und Wirklichkeit plötzlich matchen. Manchmal sind wir eben doch diese Familie. Und sonst ganz viel im Wandel.
Kennt ihr diesen Clash zwischen Wunsch und Wirklichkeit auch?
Hier findet ihr noch einen Post von mir zum Thema Soll-und-Ist-Abgleich in familiären Dingen.
PS: Dieser Text datiert tatsächlich schon aus dem Frühjahr. Mittlerweile ist alles schon wieder ganz anders. Ohne Wertung, bloß anders. Jetzt ist unser Alltag eben so.
Foto: Shutterstock
Alles Liebe,
Liebe Katia, wie immer herrlich gut geschrieben. Vielen Dank für die ehrlichen Einblicke in euren Alltag. Ich kenne diese Diskrepanz in der Vorstellung und Realität zu gut und bin seit einiger Zeit auf dem Weg zu “so ist das jetzt eben” ich werde immer besser 😉 liebe Grüße, Amelie
Hej liebe Amelie, danke für deine liebe Rückmeldung. 🙂 Ja, das Schulterzucken ist definitiv besser als Brüllerbü, wobei das bei mir ehrlicherweise auch tagesformabhängig ist… Aber ich übe mich weiterhin und freue mich über jede positive Überraschung, die das Familienleben ja auch manchmal bereithält. Alles Liebe, Katia
Danke für diesen offenen und authentischen Artikel. Das Annehmen entlastet tatsächlich am meisten. Ansonsten kann man wohl nicht viel machen mit den Launen der jungen Familienmitglieder, als versuchen sie bloß nicht persönlich zu nehmen und sich den eigenen Spaß nicht verderben zu lassen. Wir hatten jetzt z. B. Urlaub und unser Sohn hat sich mal wieder Ausland mit Fremdsprachen usw… gewünscht, dann fing er plötzlich an über die lange Anreise zu motzen und den Urlaub daher voll in Frage zu stellen, er hätte uns echt ein paar Tage verhageln können mit seiner Laune. Wir haben es dann als Sachinfo genommen, die Notwendigkeit erklärt und das emotionale abprallen lassen. Die nächsten Tage waren dann wieder sehr schön… oft sind die Launen ja auch nur eine Momentaufnahme und ändern sich schneller als das Wetter! Ich drücke allen Familien die Daumen für viel Sonnenschein!
Hej liebe Kathrin, bin ich absolut bei dir! Bei mir ist es allerdings auch immer ein wenig tagesformabhängig, ob ich die Teflonummer schaffe – oder doch eher HB-Männchen-like mit durch die Decke gehe… 😉 Danke für deine Einblicke, alles Liebe – und ich schließe mich deinem Wunsch unbedingt an! Alles Liebe, Katia
Oh ja, das kenne ich. Mein Sohn schafft es immer wieder meine Teflonschicht zu durchbrechen, meine Tochter zum Glück meist nicht. Wenn ich noch merke, wie ich hoch fahre, gebe ich, wenn möglich, schnell an meinen Mann ab. Der hat da echt ein dickes Fell und das Sachohr irgendwann total verinnerlicht. Bei ihm klappt das nur nicht, wenn ich etwas sage…
Manchmal würde ich morden für ein Sachohr! 😉 Das haben die Gene für mich irgendwie nicht vorgesehen… Das kann auch mein Mann viel besser als ich, hallelujah!
Oh ja, ich kenne das. Und zwar auch in beide Richtungen. Gestern endete meine romantische Vorstellung vom ersten Mal Waffeln backen in diesem Herbst damit, dass ich nur noch meckerte und schimpfte, weil die Kids mit Streiten und Quängeln derart meine Nerven blank gelegt hatten. Der Kleine holte sich dann irgendwann die Lärmschutzkopfhörer aus seinem Zimmer und setzte sich demonstartiv mit den Kopfhörern auf den Ohren und verschränkten Armen vor mich. Da kippte es dann wieder in die andere Richtung. Ich musste lachen, nicht zuletzt über mich, Ärger verraucht, Kinder wieder friedlich vereint und es wurde doch noch ein gemütlicher Nachmittag – mit Eis statt Waffeln. So war das dann halt.
Hej liebe Michaela, oh ja – am besten sollte man die Bilder im Kopf direkt abschaffen. Führen nur zu Unmut, weil es immer anders kommt. Aber oft lohnt es, über den miesen Punkt hinaus durchzuhalten – oftmals kippt es dann unerwartet wieder zum Besseren. Danke für deine Geschichte, musste auch gerade sehr über die Noise-Cancelling-Kopfhörer lachen – die brauche ich auch! Alles Liebe, Katia
Ich LIEBE deine Texte!!!!
Sie tun mir immer so wahnsinnig gut….zu wissen man ist nicht alleine….
DANKE ♥️
Hej liebe Tina, o danke – dann ist der familiäre Trubel wenigstens dafür gut… 😉 Freu mich, wenn du was daraus mitnehmen kannst. Alles Liebe, Katia
Und wie ich das kenne! Hier zu Hause ist gefühlt mehr Alarm als Harmonie. Der Große frisch pubertär, ich perimenopausal, das kracht am laufenden Band! Ich habe einfach keine Geduld bzw. Kapazität mehr für seine -sorry- Arsch-Art. Ich bin nächste Woche bei meiner Gynäkologin und hoffe bei ihr auf offene Ohren zu stoßen, den absolut alles spricht für Progesteron-Mangel. Vielleicht hab ich bald wieder mehr Resilienz und Energie um”dann ist das eben so” zu denken. Gerade geht’s nicht 🤷🏻♀️. Meine rosaroten Pläne crasht mein Sohn jedenfalls regelmäßig und dieser beigen Familie oben im Bild entsprechen wir so gar nicht. Zum Glück sind mein Mann und ich ein festes Fundament und der jüngere Sohn tickt im Umgang mit uns vollkommen anders als sein Bruder. Das füllt den Akku wieder etwas auf aber fällt natürlich auch dem Großen auf. Teufelskreis.
Hej liebe Susanne, mein Mitgefühl. 😉 Dieses Pubertät trifft Menopausen-Thema haben wir hier auch gerade – habe ich kürzlich schon einen Post auf dem Blog zu geschrieben. Das kann einen furchtbar triggern – und vielleicht ist das auch gerade Teil des Problems. Schön aber, dass ihr als Eltern so gut harmoniert, das ist hier ähnlich und wichtig, damit man sich abwechselt, wenn einem die Puste ausgeht. Es ist ein dauerndes Auf und Ab das einem mitunter die Nerven raubt. Aber plötzlich und unerwartet wird es dann auch immer wieder richtig schön. Halte durch – und das mit den Hormonen kann eine gute Sache sein. In Sachen Menopause weiß übrigens auch Susanne Liedtke von Nobodytoldme bestens Bescheid. Alles Liebe, Katia
Danke
Hej liebe Maren, sehr gern 😊. Alles Liebe, Katia
Hallo liebe Katia,
ich sitze gerade hier in Portugal und musste jetzt erst einmal ne Runde weinen als ich den Beitrag gelesen hab. 10 Minuten lang- ich konnte mich nicht beruhigen.
Drei Wochen Familienurlaub braucht jeder von uns viern. Meine Töchter (5 und 8), mein Mann, welcher bei uns die Kinder und die Ferienwohnungsvermietung schmeißt und ich, die Vollzeit Arbeit und die Last der Versorgerin auf den Schultern (und im Herzen) trägt. Wir sind noch nicht eine Woche hier und es wird nur gestritten zwischen meinen Töchtern und die Töchter mit uns. Ich bin ätzend krank geworden und versuche durch dieses Chaos hindurch zu navigieren. Obwohl jeder von uns einen Urlaub braucht, haben wir vor dem Urlaub alle Vorstellungen beiseite geschoben und uns gesagt das wir jeden Tag so nehmen wie er kommt. Extrem schwierig und mein Mann und ich sind beide am Abend mental komplett ausgepowert.
Vielen Dank für Deinen Beitrag, wir sind nicht allein ♥️
Liebe Grüße aus Portugal,
Stefanie
Hej liebe Stefanie, oje – dein Herbsturlaub klingt wie mein Sommerurlaub… Und ja: da habe ich auch merhrfach geheult, weil ich so alle war, so dringend Urlaub, also echten Urlaub gebraucht hätte – und stattdessen nur Regen und sich lautstark streitende Geschwister bekam. Ich habe versucht, mich auf die schönen Dinge zu fokussieren – und merhmals hätte ich den Urlaub beinahe abgebrochen… Courage, das wird bestimmt auch wieder besser. Ich sitze gerade zuhause bei Regen, immerhin sind alle gerade friedlich 😉 Alles Liebe, Katia
Hallo Katia,
ich danke dir für so viel Offenheit und für die authentische Schilderung aus dem Familienalltag. Man liest/ hört solche Geschichten in unserer Insta-Welt leider viel zu wenig, deshalb wäre es wünschenswert, generell ehrlicher mit “Problemthemen” umzugehen.
Ich lese deine Artikel immer sehr gerne und habe danach immer ein gutes und positives Gefühl und zwar dahingehend, dass “andere” genau die gleichen Themen haben wie man selbst, was einen immer “erleichterter” zurücklässt.
Bitte gerne weiter so und behalte dir immer deinen Humor!
Hej liebe Nicole, das ist das schönste Kompliment heute! Danke dor für deine lieben Worte. Und ja: Ohne Humor geht’s nicht… 😉 Alles Liebe, Katia
Ach tut das gerade gut! Genauso sieht es bei uns aus. In jegliche Richtung. Und es tut einfach immer wieder gut, zu hören… Anderen geht es genauso. Also zurück lehnen und entspannen… Auch wenn es manchmal erst hinterher gelingt.
Hej liebe Lina, ich bin meist auch erst hinterher entspannt 😆. Alles Liebe. Katia
Hallo Katia, das ist genau der Satz den ich gerade brauche, ohne ihn gesucht zu haben. Bei uns ist es auch so anders mit diesem Gezanke, als ich es mir wünsche. Egal was ich tue. Und dann bin ich so verzweifelt und so sauer und so traurig. Aber dann ist das jetzt eben so.
Sei herzlich gegrüßt Martina
Hej Liebe Martina, dann drücke ich die Daumen für einen schnellen Stimmungswechsel. 😊Alles Liebe, Katia