Ich wär’ gern diese Bilderbuch-Familie. Diese Familie, die abends gemeinsam am großen Esstisch zusammenkommt, lachend durcheinanderredet, froh über die gemeinsam verbrachte Zeit. Aber gerade sind wir nicht so eine Familie. Wir sind die Familie, in der jeden Abend mindestens ein Kind türenknallend den Raum verlässt, in der am Tisch mehr gestritten als geredet wird und alle froh sind, wenn sie sich wieder allein verkrümeln können. Und obwohl ich dieses Familiending schon ziemlich lange rocke, scheitere ich immer wieder an der gleichen Stelle: Da, wo Wunsch und Wirklichkeit unsanft aufeinanderprallen…

Happy family im Insta-Look

Vielleicht liegt es daran, dass ich generell ziemlich konkrete Vorstellungen davon habe, wie das Leben so auszusehen hat. Es soll eben flutschen. Und maximal viel Spaß machen. Allerdings sind das gerade nicht die Attribute, mit denen ich unser Familienleben beschreiben würde. Eher im Gegenteil.

Bei uns knirscht und ächzt es innerfamiliär gerade an jeder denkbaren Stelle:

Geschwisterzoff, Hausaufgaben-Beef, ich-zieh-gleich-aus-Eltern-Kind-Dramen, Trotzanfälle – wir geben uns die volle Dröhnung. Ich glaube, weiter kann man von Bilderbuchfamilie gerade nicht entfernt sein. Selbst eigentlich schöne Events nehmen eine komplett andere Wendung als erhofft: Da besorge ich nur für den Jüngsten und mich Planetarium-Karten, ich seh uns im Geiste schon gemeinsam happy unter der Sternenkuppel liegen – da eröffnet er mir zwei Minuten vor Abfahrt, dass er auf gar keinen Fall mitmöchte. Die kurzerhand überredete große Schwester langweilt sich bei dem Sternenmusical für Kleine so sehr, dass sie mehrmals laut und vernehmbar genervt “Mama, wann ist das ENDLICH vorbei…?” seufzt. Vier Stunden Quality Time für die Katz. Danke dafür.

Ganz gleich, was: Meistens haben wir doch im Kopf vorab ein Bild, wie etwas sein soll. Und es ist immer die Variante mit Sahnehaube und Kirsche obenauf, wider besseres Wissen. Denn die beste Version unseres Lebens tritt den allerseltensten Fällen ein. Ganz besonders im familiären Kontext. Da mag ich noch so sehr das Bild der glücklich spielenden Geschwister auf meiner Netzhaut beschwören – in Wahrheit schreien sie sich wieder im Dezibel-Bereich eines startenden Düsenjets an.

Darüber kann ich mir jetzt frustriert die Haare raufen (was ich natürlich dauernd tue). Oder aber ich probiere meinen neuen Mantra-Satz aus: “Dann ist das jetzt eben so”.

Nicht wie gedacht, nicht wie erhofft, sondern einfach genau so, ungeschminkt, unbequem, unabänderlich. Zumindest für den Moment. Achselzucken inklusive. “Dann ist das jetzt eben so” – mit der Betonung auf JETZT, denn all das kann sich wieder ändern. Diesen wunderbar inspirierenden Gedanken las ich kürzlich in einem Insta-Post von Ohhhmhhh – und seither lässt er mich nicht mehr los.

Denn es ist ja nicht nur deutlich entspannter, Erwartungen runterzuschrauben und falsche Vorstellungen zu entsorgen (zugegeben, eine meiner schwersten Übungen ganz generell). Sondern sich auch immer wieder bewusst zu machen, dass nichts in Stein gemeißelt ist. Nenn es eine Phase, nenn es mieses Karma, aber nichts davon ist für die Ewigkeit. Alles kann sich jederzeit ändern, nicht nur zum Schlechten, was gerade häufig mein persönlicher Eindruck ist, sondern eben auch zum Guten oder – yap – zum noch viel Besseren. Man braucht eben bloß ein wenig Geduld. Und die Kraft, das Dazwischen auszuhalten.

Denn das Blatt wendet sich meist dann, wenn man am allerwenigsten damit rechnet.

So wie kürzlich, als wir unseren Tiefpunkt erreicht hatten, schlechte Laune, schlechtes Timing, schlechte Nachrichten überall – und dann wurde ich pünktlich zum Ferienbeginn auch noch krank. Vielleicht habe ich auch einfach kapituliert. Fakt war jedenfalls: Ich lag flach, mein Mann schielte schon vor lauter Arbeits-To-dos inklusive Nachtschichten – und wir waren 24/7 mit drei streitbaren Kindern zuhause. Halleluja!

Ich sah es schon ganz klar vor mir: Der erste Zoff bereits vor dem ersten Kaffee um 6 Uhr früh, endlos wiedergekaute das-ist-sooo-ungerecht-Dialoge und permanent wollen alle was zu futtern serviert bekommen. Und dann – zersplitterte auch dieses Bild im Clash mit der Realität. Dankenswerterweise. Denn es wurde viel besser, als ich es mir je hätte ausmalen können.

Der Große machte mit dem Kleinen stundenlang Vorschul-Stuff und übte mit der Schwester das Einmaleins.

Alle drei spielten den kompletten Nachmittag harmonisch in EINEM Kinderzimmer – ohne Streit, ohne Unfall. Abends deckten sie unaufgefordert den Tisch, kochten mir Genesungs-Tee und benahmen sich insgesamt so absolut untypisch, dass ich kurzzeitig dachte, jemand hätte unser Trio heimlich ausgetauscht.

Von einem Tag auf den anderen, von einem Moment zum nächsten – war es plötzlich so. Anders als gedacht, anders erwartet – ein neuer Status Quo. Einer, der meine pastelligsten Familienbilder Wirklichkeit werden ließ, zumindest für den Moment. Einmal mit Sahnehaube und Kirsche obenauf.

Und vielleicht ist das doch immer wieder das Einzige, was zählt: Das Jetzt, so wie es halt gerade ist. Meist ungeschönt, ohne Filter, eher holperig als harmonisch, mehr aufreibend als aufregend. Und zwischendurch dann plötzlich doch die Wunderversion. Wo Wunsch und Wirklichkeit plötzlich matchen. Manchmal sind wir eben doch diese Familie. Und sonst ganz viel im Wandel.

Kennt ihr diesen Clash zwischen Wunsch und Wirklichkeit auch?

Hier findet ihr noch einen Post von mir zum Thema Soll-und-Ist-Abgleich in familiären Dingen.

PS: Dieser Text datiert tatsächlich schon aus dem Frühjahr. Mittlerweile ist alles schon wieder ganz anders. Ohne Wertung, bloß anders. Jetzt ist unser Alltag eben so.

Foto: Shutterstock

Alles Liebe,

Katia