Ich liebe meine Arbeit. Vielleicht noch ein bisschen mehr, seit ich Kinder habe. Ich liebe sie so sehr, dass ich es überhaupt nicht schlimm finde, selbst jetzt im Urlaub morgens ein paar Stunden zu arbeiten. Ich gebe es zu, ich war tatsächlich ein wenig enttäuscht, als mein Kleinster heute Morgen nicht wie sonst begeistert in den Kinder-Club gerannt ist. Ich habe dann doch kurz gearbeitet, so gut es geht mit ihm auf dem Schoß und dann sind wir zwei im Schnee spazieren gegangen. War auch schön – trotzdem hat mir was gefehlt. Als ich Ingas Geschichte gelesen habe, habe ich mich daher sehr verstanden gefühlt…

In den letzten 21 Monaten ist irre viel passiert, vor allem in mir drin. Da sind Gefühle erwacht, von denen ich bisher gar nicht wusste, dass sie in mir schlummern. Und der Begriff Familie hat eine viel stärkere Bedeutung für mich bekommen. Bisher war es für mich ganz selbstverständlich, Teil einer Familie zu sein. Mutter, Vater, großer Bruder, so war das schon mein Leben lang. Durch die Geburt von Maja ist diese Familie aber nicht einfach nur größer geworden, sondern auch bedeutender, intensiver, aufregender, kribbeliger, bunter, verrückter und lebhafter. Nur eines ist sie nicht: selbstverständlich.

Ich trage plötzlich eine vorher nicht gekannte Liebe in mir, deren Intensität mich immer wieder staunen lässt. Liebe für Maja, aber auch für uns als Familie. Mein Herz ist so viel voller als vor ihrer Geburt, auch wenn ich nun nicht mehr der Mittelpunkt meines Lebens bin, sondern sie. Ich spiele jetzt die zweite Geige und genau das war und ist gar nicht so einfach, denn je mehr ich in meine Mutterrolle schlüpfte, desto weniger fühlte ich mich als Frau. Es wollte mir einfach nicht gelingen, diese beiden Schlüsselfiguren unter einen Hut zu kriegen. Der Hut war zu klein – er bedeckte immer nur entweder das eine oder das andere Ohr.

Ich fühlte mich plötzlich so unbedeutend, auch wenn ich mehr leistete als je zuvor. Auch optisch war ich auch schon mal besser drauf. Eine Freundin ist etwa zur gleichen Zeit Mutter geworden wie ich und was soll ich sagen, sie sieht nie fertig aus. Sie ist eine dieser WOW-Frauen: Tolle Kleider, lackierte Fingernägel, dezenter Lippenstift und volle, glänzende Haare, die sie fast immer offen trägt. Ich trage an mindestens 300 Tagen im Jahr Jeans, die vom vielen Am-Boden-Rumkriechen an den Knien schon ganz blass sind und einen etwas strubbelig wirkenden Pferdeschwanz, denn für einen ordentlichen habe ich zu viele Wirbel. Und morgens zu viel Wirbel.

Einmal, nachdem ich die WOW-Frau traf, holte ich mein schönstes Kleid aus dem Schrank, legte ein bisschen Lippenstift auf, föhnte meine Haare über die Rundbürste und lackierte mir die Fingernägel in einem dunklen Rot. Ich betrachtete das Ergebnis von oben bis unten und – fühlte mich verkleidet. Ich mochte so für andere eine WOW-Frau sein, für mich war ich es nicht. Der erhoffte Aha-Effekt blieb aus, dafür war da plötzlich eine andere Erkenntnis: Es war gar nicht mein Aussehen, was mich so nervte. Auf jeden Fall nicht nur. Aber warum war ich dann oft so unzufrieden mit mir selbst und mit dem was ich hatte?

Dann kam der Tag, der alles änderte. Ich fing wieder an zu arbeiten. Ich bin freie Journalistin und so saß ich nach langer Zeit mal wieder in meinem Homeoffice am Rechner und suchte Bilder für eine Wohngeschichte raus. Es vergingen Stunden, ohne dass ich auch nur einmal auf die Uhr sah.  Immer wieder merkte ich, wie ein zufriedenes Lächeln über mein Gesicht huschte. Schon verrückt: Was früher Routine war, löste plötzlich Glücksgefühle in mir aus. Mir war nie klar, wie sehr ich das Arbeiten vermisst hatte und wie wichtig es für mein Selbstbewusstsein war. Endlich drehten sich meine Gedanken mal wieder um etwas anderes als das Muttersein. Das tat gut. Verdammt gut sogar. Jeden Tag setze ich mich nun wirklich gerne an den Rechner. Man könnte sagen, ich habe inzwischen eine gesunde Work-Child-Balance. Und genau die macht mich auch als Mutter wieder glücklicher, denn natürlich bin ich gerne Mutter und auch stolz darauf.

Ich nenne sie liebevoll Futzie, manchmal auch Schlawiner. Sie mag das. „Wer ist ein Schlawiner?“, frage ich sie. „Maja!“ kommt es wie aus der Pistole geschossen und ihre großen blauen Augen leuchten. „Und wer ist ein Futzie?“ „Maja!“ „Und wer ist Mamas größtes Glück?“ „Maja!“ Und genauso ist es. Ich schnappe sie mir und drücke sie ganz fest. Auch wenn das Muttersein für mich Anstrengung, Erschöpfung und gelegentliche Fremdelphasen mit mir selbst bedeuten, so bedeutet es eben auch lachen, lieben, Quatsch machen und viiiiel mehr Küsse. Aber meine Arbeit, die gehört eben auch dazu.

Liebe Grüße, eure Inga

Danke, Inga, für deine Geschichte! Wie ist es denn bei euch? Arbeitet ihr auch so gern – oder ist Arbeit eher ein notwendiges Übel? Oder arbeitet ihr ganz bewusst zur Zeit gar nicht an einem Schreibtisch?

Alles Liebe,

Claudi