Es ist kein Tiefschnee-Winter wie letztes Jahr, es ist bestensfalls ein “Knusperrasen-Winter”, tollerweise ein “Rosa-Himmel-Winter” und mmmh, okay, oft ein Matschmassen-Winter. Zum Glück ist es kalt genug für minikleine Rotnasen, denn es gibt doch nichts süßeres, als kleine rote Nasen (okay, bis der Schnutt läuft). Die Jungs hoffen immer noch auf Schnee, viel, viel Schnee. Dabei gucken in meinen Beeten schon die Frühblüherspitzen heraus…
Landleben mit Kindern
Die Spitzen wissen scheinbar genau wie ich nicht, ob sie jetzt loslegen wollen mit den Frühlingsgefühlen, mit dem Wachsen und Farben raushauen. Oder ob sie sich gern noch ein wenig länger einkuscheln wollen.

Immerhin: ich fluche diesen Winter nicht so oft wie ein paar Winter davor. (Ich bin ein bisschen stolz auf mich.) Okay, außer morgens, wenn Kratzer und Handschuhe mal wieder weg und die Scheiben vereist sind, ein Kind weint und eins schreit und ich beim Auto frei kratzen mit der CD-Hülle die geschlossene Kitagruppentür genau vor mir sehe. Mit einem großen Schild dran: “Bitte nicht stören, wir machen Morgenkreis.”

Was ich wirklich mag, an diesem Winter und an Wintern überhaupt ist, dass er sich wie ein Topfdeckel über uns legt. Kocht dann schneller hoch drunter, klar. Die Haustür steht nicht offen und es läuft nicht immerzu jeder woanders hin. Aber dank der Enge bekommt man so viel voneinander mit, weil man in der Küche gegeneinander läuft oder sich die Beine auf dem übervollen Sofa zwangsläufig berühren. Wir lernen uns besser kennen, matschen immer wieder mal als feiner Familienbrei zusammen. Fühlt sich an wie ein Crashkurs in Sachen Menschsein. Lustigerweise habe ich gerade im Winter immer einen Zettel und einen Stift auf dem Couchtisch liegen, weil ich im Kinder-Chaos die besten Einfälle habe, die ich abends dann tollerweise gleich umsetzen kann, weil die Kinder dank Dunkelheit schön früh schlafen. Falls ich nicht selbst mit einschlafe.

Obwohl: Sich nach einem anstrengenden Drinnen-Spiel-Tag im Dunkeln neben sein Kind zu legen, seinem Atem zuzuhören, die weichen Decken und Kuscheltierfelle zu spüren und von Kopf bis Fuß froh zu sein liegen zu dürfen, ist besser als jede teuer bezahlte Meditation.
Familienleben auf dem Land

Überhaupt mag ich es schlicht. Ich verkneife mir die Tulpen, weil sie noch nicht dran sind. Weil das Jahr gefühlt so viel schneller vergeht, wenn man Mitte März schon nach Sommerblumen schielt. Es darf ruhig ein wenig leer sein zur Zeit bei uns, drinnen und draußen. Das ist wie Stoßlüften im Kopf und lässt Raum für neue Ideen.

Es gibt da zwei Ideen, an denen ich neben Kindern, Haus, Schule und Blog noch arbeite und ich schwanke mehrmals am Tag zwischen “Was für eine Schnapsidee!” und “Himmel, ich liebe es!”
Familienleben im Winter, Landleben

Dieser ist der Winter, in dem ich überall Kerzen aufstelle, vielleicht noch mehr als sonst, weil alle drei Großen es lieben sie auszupusten. Für mich macht eine brennende Kerze aus einem normalen Arbeitsmorgen einen gemütlichen Morgen und aus einem Filmabend ein Sofa-Bankett.

Es ist übrigens auch der Winter, in dem ein kleiner Mann Kerzen verräumt und ich sie ein paar Tage später in der Kinderküche wieder finde. Oder im Wäschekorb. Oder im Kühlschrank. Ich kaufe Kerzen ohne Ende in diesem Winter.

Apropos Sofa: Ich kann diesen Winter nicht genug bekommen von Kostümfilmen und habe gerade diese schwedische Serie und diese spanische entdeckt und bestellt (Amazon-Partner-Links). Zur Feier der Dunkelheit und zum Wärmen an raschelnden Kleidern und Geborgenheits-Tweed.


Wir sitzen drinnen auf dem Sofa und beobachten Regen statt Schnee. Wir schimpfen, weil es viel lieber schneien sollte. Wenn wir genug geschimpft haben, entdecken wir, dass der Regen als kleine Glitzertropfenraupen an der Scheibe kleben bleibt, wenn es bloß nieselt und dabei ein bisschen weht.

Ich staune, dass es fast vierzig Jahre und einen schneefreien Winter braucht, bis ich Glitzertropfenraupen ganz bewusst sehe.


Familienleben, Jahreszeiten, Landleben,

Der Winter, in dem ich mir einen Steamer gekauft habe. Steamen ist fast wie an der Staffelei stehen und malen. Den Baumwollalltag schöner malen. Also fast. Ich glaube ich werd alt, das muss doch so sein, wenn man sich über einen Steamer freut, oder? Auf der Packung steht: “Die ideale Ergänzung zu Ihrem Bügeleisen”. “Welches Bügeleisen?”, frage ich mich. Ist längst beleidigt davongerauscht..

Der Winter, in dem ich es aushalte meinen vier Kindern vier heiße Schokoladen mit Sahnehaube zu kaufen ohne dabei hektisch an ihnen herumzuwischen (und vorher etwas von teilen zu faseln).


Der Winter, in dem mein Einjähriger die Musikbücher rausholt und selbst auf die Knöpfe drückt und so lustig dazu tanzt, das ich nicht wirklich schimpfen kann, obwohl er auf dem Buch tanzt und die Pappseiten knickrig rockt. Im Bad reicht er jetzt ans Radio und drückt es an, mit seiner kleinen Fingerspitze. Dann geht er in die Knie und wackelt angestrengt mit dem Po, so dass ich mich umdrehen und lächeln muss, bevor ich das Radio ausmache und daran erinnere, das Abend ist und wir zur Ruhe kommen wollen.

Apropos Musik: Es ist der erste Winter, in dem Klavierspiel durch unser Haus klimpert. Ein Herzenswunsch meines Sohnes. Ich schaue ihm zu, wie er glücklich grinsend spielt, erinnere mich, wie sehr ich als Kind meine erzwungenen Klavierstunden gehasst habe und denke wieder mal wie verrückt es ist, dass man kein Mini-Me zeugt und in die Welt presst, sondern einen ganz neuen, eigenen Menschen.

Dieser Winter ist so feucht, dass wir den halben Hof absperren müssen, weil ständig das Postauto im Matsch stecken blieb (die Postbotin gleich mit, wenn sie Hilfe holen wollte…). Die Absperrung baut der Mann aus Eisenstangen und diesem rotweißen Absperrband, obwohl ich extra eine Rolle braunes Hanfseil anschleppe, damit es ein kleines bisschen hübsch aussieht (und nicht wie der Mord-Ort in einem ZDF-Krimi). “Häng doch eine Girlande dran”, schlägt mein Sohn vor.
Wir im Winter
So viel Feuchtigkeit überall diesen Winter. Am neuen weißen Zaun hängen murmelgroße Tropfen und funkeln, wenn die Sonne scheint. Im Flur knetet der Kleinste Würstchen aus den weichen Erdstücken, die er aus dem Stiefelprofil seiner Brüder fummelt.

Die Kinder und ich werfen Steinchen, braune Blätter und kleine Äste in den Bach beim Kindergarten und schauen zu, wie sie auf der anderen Seite der Brücke wieder auftauchen. Ich denke, dass manche meiner doofen dunklen Gedanken und Zweifel gern auf dem Weg in Richtung Frühling hängen bleiben dürfen, so wie ein paar der Äste an den Steinen am Rand. Sollten halt bloß nicht die falschen hängen bleiben. Weiß man ja vorher zum Glück nicht. Es reicht also sein Bestes zu geben und möglichst gut zu schmeißen.

Der Bach gluckert so oder so. Der Matsch grunzt und der kleinste platscht in der großen Pfütze. Gluckst. Bis er hinfällt…

Ein schönes Gedicht passend zum Hamburger Matsch-Winter…

The Winter Rain (by Wendell Berry)

The  leveling of the water, its increase
the gathering of many into much:
in the cold dusk I stop
midway of the creek, listening
as it passes downward
loud over the rocks, under
the sound of the rain striking,
nowhere any sound
but the water, the dead
weedstems soaked with it, the ground soaked, the earth overflowing

And having waded all the way
across, I look back and see there
on the water the still sky.

Hier vorgelesen und als kleiner Film.

Ich mag Gedichte. Vor allem im Winter. Ach was immer. Gedichte sind die perfekte Fast-Food-Literatur für Eltern ohne Lesezeit.

PS. Was magst du aus diesem Winter für immer erinnern?
PPS. Wir im Winter 2018. Und uralt: Wir im Winter.

Alles Liebe,

Claudi