Ich kann mir nicht helfen: Ich fühle mich meinen Kindern oft dann am nächsten, wenn wir Erlebnisse aus meiner Kindheit aufleben lassen. So wie in unserer kollektiven Corona-Quarantäne, als wir aus lauter Verzweiflung schon vormittags die Streaming-Dienste bemühten – und bei “Ronja Räubertochter” landeten. Mir stand ab Minute eins das Wasser in den Augen, weil der Film eine Art Konzentrat meiner glücklichen Kinderzeit in sich trägt. Und das Schönste: Mein Trio war genauso verzaubert wie ich. Allerdings ist Nostalgie nicht zwingend ein Garant, den eigenen Kindern immer die besten Dinge mit auf den Weg zu geben…
Nostalgie, diese wehmütige und sehnsuchtsvoll-subjektive Besinnung auf längst vergangene Zeiten, kann auch leicht nach hinten losgehen. Oder bei Kindern kaum mehr mehr als höflich kaschiertes Desinteresse wecken, was erstaunlich schmerzhaft für einen selbst sein kann. Und dann zu heftigem Unverständnis auf elterlicher Seite führen: “Wie kann man denn Bambi bitteschön langweilig finden..?!”
Wenn unsere Nostalgie eine gemeinsame Schnittmenge mit den Interessen unserer Kinder findet: Toll. Wenn nicht: Auch gut.
Denn unsere Kinder haben ein Recht auf ihre eigenen Erlebnisse. Auf ihre eigenen Lieblingsspiele, -sendungen, -bücher. Die ihnen, und nur ihnen, gefallen müssen. Es ist mein eigenes Ego, dass damit klarkommen muss, dass “Paw Patrol” (meines Erachtens die dämlichsten Hundeviecher der Welt) immer höher im Kurs stehen als “Pettersson und Findus” oder “Yakari”. Die ich auf vielen verschiedenen Ebenen spannender, lustiger, BESSER finde. Aber das ist eben meine Meinung, die aus meinem Gefühl mit festen Ankern im Früher resultiert. Das den Kindern nicht ungefragt überzustülpen, ist manchmal gar nicht so leicht.
Generell ist Nostalgie – zumindest die persönliche – nicht das schlechteste. Soziologen und Psychologen bescheinigen dem Gefühl einen positiven Effekt fürs eigene Wohlbefinden. Wenn man es nicht denn nicht übertreibt. Denn was für mich ein prägendes Erlebnis war, muss meinen Kindern nicht gefallen. Und warum auch: Ihre Welt ist eine komplett andere als meine – deutlich komplexer, schneller, vielleicht auch komplizierter. Ich bin spät Mutter geworden, insofern trennen meine eigene Kindheit und die meiner Kinder mindestens 35 Jahre Zeitunterschied. Vermutlich bin ich den Interessen ihrer Oma näher als denen der 2020er Jahre.
Doch wenn man ehrlich ist: Manche Dinge, die wir lange sehnsuchtsvoll verklärten, haben ihren Zauber auch für uns verloren.
Oder habt ihr mal wieder versucht, “Hallo Spencer” zu schauen? Die ollen Louis de Funès-Kamellen? Da kommt mein Herz heute nicht mehr in Wallung, im Gegenteil. Ebenso wenig wie beim Monopoly spielen, Nesthäkchen lesen oder Nudeln mit Zucker essen. Dabei gehörte all das zu meinem guten Kindheitsgefühl wie Lindtplättchen zum Sonntagsfrühstück.
Beim Wiedereintauchen in solch vermeintlich vertraute Gefilde, schlägt man mitunter hart auf dem Boden einer neuen Realität auf. Weil sich das eigene Weltbild verändert hat. Weil das Erlebnis in der Erinnerung viel intensiver war als in der Wirklichkeit. Aber das kann mitunter auch ganz befreiend sein. Genau genommen war der ZDF-Heuler “Anna” auch in meiner Kindheit schon eher doof.
Aber manche Dinge sind eben auch irgendwie zeitlos.
Die fantastischen Geschichten von Astrid Lindgren und Michael Ende. Asterix und Obelix, Zauberwürfel, Freundschaftsbänder. Und wenn ich meine Drei für etwas entflammen kann, an dem auch mein Kindheitsherz hängt, werde ich selbst wieder ein wenig zum Kind. Und hoffe natürlich insgeheim, dass dieser Moment in ihrer Gegenwart irgendwann zu einem nostalgischen in ihrer Rückschau wird.
Hauptsache, ich lasse mich im Gegenzug auch immer wieder von ihrer Begeisterung anstecken. Denn selbst wenn ich in der früheren Disney-Version von “Robin Hood” unsterblich in den Fuchs verknallt war: Ihre aktuelle Lieblingsserie “Robin Hood – Schlitzohr von Sherwood” ist wirklich auch charmant. Wirklich. Wenn auch für mich nicht ganz so wohlig wehmütig.
Aber vielleicht sitzen sie an irgendeinem schlappen Krankheitsnachmittag in ferner Zukunft ja auch gemeinsam mit ihren Kindern auf dem Sofa und lassen sich nostalgisch davon einhüllen.
Wie haltet Ihr es mit der Nostalgie?
Alles Liebe,
Ich finde das Thema total spannend. Ganz wichtig ist denk ich dass man nicht enttäuscht ist, wenn Kinder das was man selbst als toll erinnert eben langweilig finden. Ich bin auch bei so Erinnerungsbüchern gespalten. Wie schreiben für die Kinder alles auf, dokumentieren alles mit Fotos, aber ist das dann deren Erinnerung und nicht eher unsere? Warum wollen wir so unbedingt dass die Kinder sich auf eine bestimmte Art erinnern, warum lassen wie sie nicht einfach in Ruhe und schauen was wirklich an Erinnerung von selbst bleibt? Ich gkaube dass da ganz oft der grund ist, dass wir beweisen wollen wie gut wie es gemacht haben. Jlar wünschen wir ihnen eine schöne Kindheit,aber vertrauen dich nicht wirklich darauf, dass ihre eigene normale Erinnerung reicht. Schade oder?
Hej liebe Marie, ja – und ich bin immer wieder überrascht, dass ich eben doch ein bisschen enttäuscht bin, wenn meine Kindheits-Highlights mit denen meiner Kinder nicht matchen… Ich finde deine Frage total spannend, um wessen Erinnerung es am Ende geht und wie wir das vielleicht auch unbewusst steuern. Dass wir eine Bestätigung dafür wollen, unseren Kindern eine glückliche Kindheit verschafft zu haben – mit allem, was dazugehört. Danke für deine inspirierenden Gedanken dazu, da muss ich gerade noch mal drüber nachdenken. Alles Liebe, Katia
Hach ja… manches ist total gut angekommen, Schlupp, oder Luzie, bei anderen Sachen traue ich mich gar nicht heran, aus Sorge, es jetzt selbst doof finden zu können. „Das Geheimnis des siebten Weges“ z.B.
Umgekehrt entsprang der Einstieg meiner Tochter in Richtung Fantasy einer meiner liebsten Reihen. Bevor die Flut kommt, inklusive der Begeisterung für England/Wales.
Worauf ich nur immer noch warte (und hoffe, dass es die Nummer 4 sein wird), ist ein Kind mit Kugelbahnbegeisterung…
Hej liebe Annie, wie toll, dass du mich daran gerade erinerst: “Das Geheimnis des 7. Weges”…! Habe mit meinem Großen kürzlich von Tonke Dragt “Der Wilde Wald” und “Der Brief für den König gelesen” – und es kam sehr gut an (bei uns beiden 😉 Das Buch (und die Serie) hatte ich gar nicht mehr auf dem Zettel – danke dafür! Kugelbahnen haben wir zwei – und kein Kind spielt damit wirklich 😉 Ich drück die Daumen für Nummer 4 – wird ja vielleicht das Nostalgie-Nesthäkchen. Alles Liebe, Katia