Es gibt diverse Hashtags, die werde ich wohl nie mehr verwenden können: #kidsroom zum Beispiel (3,7 Millionen Einträge!) oder #interiorgoals (395.000 Einträge). Der Lack ist ab, die Kissen zerdrückt, die Wände voll mit Masking Tape-Resten und unter der Kommode staubt ein Legostein-Feder-Stein-Auto-Puppenstubenfigurensalat vor sich hin. Ich habe lange gegen das Chaos gekämpft, auch gegen meine Kinder, aber vor allem gegen meine Ansprüche. Fakt ist: Corona hat mir noch einmal bewiesen, dass es für uns Wichtigeres gibt, als quadratisch, praktisch, hübsche Kinderzimmer. Das ist schlecht für meine Followerzahl – aber gut für unsere Laune…
Kinderzimmer einrichten hat auch mir lange Zeit irre Spaß gemacht: Niedliche Betten, zur Bettdecke passende Bilderrahmen mit niedlichen Prints. Ein niedlich drapierter Löwe auf dem Rattanstühlchen neben dem Bettchen. Und ein paar hübsche Bilderbücher im offenen Wandregal. Gern auf Englisch. Weil es so lässig aussieht.
Dann wurden meine Kinder größer und es kamen immer mehr dazu. Gespielt wird längst anders. Die Betten werden zu Höhlen hin- und hergeschoben, die Bilderrahmen hängen auf halb Acht. Die Kissenhüllen sind abgekuschelt. Meine Kinder kleben ihre eigene Kunst an die Wände – und reißen sie nach einer Woche ab, weil sie etwas Besseres gemalt haben. Die Tapete leider oft gleich mit. Der Löwe wohnt woanders, auf den Stühlchen liegt die Wäsche für morgen – wenn ich Glück habe. Und neben den Betten, in den Betten und unter den Betten stapeln sich Bilderbücher – die, die wirklich gern gelesen werden. Hübsch sehen die schon lange nicht mehr aus. Eher eselsohrig und mit ein paar Falten – wie ich inzwischen.
Ich finde das okay. Meistens jedenfalls. Ich habe gerade in Corona-Zeiten gemerkt, dass es so viel Wichtigeres gibt. Dass mein Seelenheil nicht davon abhängt, ob unsere Kinderzimmer instagrammable sind. Nicht mal meine Ruhe im Kopf. Für die bin ich zuständig. Ich habe mir Scheuklappen zugelegt, beziehungsweise schließe ich einfach die Tür. Es sind ihre Zimmer. Ich finde es schön, wenn sie kreativ spielen, sprich, alle Spielsachen mischen. Die Zeiten, in denen ich mit einem Kaffee daneben sitze sind längst vorbei. In unseren Kinderzimmern entsteht eine ganz eigene Dynamik, mein: “Pack eine Sache weg, bevor du die nächste nimmst”, passt einfach nicht mehr. So wird hier nicht mehr gespielt. Wurde vielleicht nie.
Ich gebe es zu, auch ich bin hoffnungslos chaotisch. Dennoch möchte ich, zwinge ich mich, dass abends unser Wohnzimmer gemeinsam aufgeräumt wird (außer es steht eine wirklich wunderbare Kapla-Schleichtier-Wunderwelt.) Eigentlich bloß, damit das Chaos nicht grenzenlos wird. Und wir einmal am Tag alle zur Ruhe kommen. Ich lasse aber dieses ständige Das-räumt-ihr-aber-wieder-auf-Gesage zwischendurch. Bringt nämlich nichts. Nur Stress. Und überhaupt: Was sie in ihren Zimmern machen, ist ihre Sache – nur Essen ist dort verboten. Einmal in der Woche, meist freitags abends vor dem Kinofilm, dann ist die Motivation recht groß, räumen wir gemeinsam auf, denn dann wird gestaubsaugt. Es sieht auch dann nicht aus wie im Hochglanzprospekt. Aber immerhin sehen wir mal wieder Teppich. Ganz ehrlich, leicht fällt mir diese Haltung nicht immer. Gerade wenn mir sowieso der Kopf raucht vor tausend To-do-Dingen, könnte ich durchdrehen, wenn ich die chaotischen Zimmer sehe. Auch meins. Neuerdings schließe ich aber einfach immer öfter mal die Tür.
Diese Entscheidung, diese angenommene Lässigkeit, braucht Mut. Ich hatte sie lange Zeit nicht. Habe heimlich bis spät in die Nacht aufgeräumt, wenn Besuch kam (so stressig!) Oder ich ein Foto für Instagram machen wollte (noch stressiger!) Habe mich bei Freundinnen lang und breit entschuldigt. Hatte Bauchschmerzen, wenn sie nach oben gingen. Und ja, klar hätte ich es gern anders. Ich hätte gern ein perfektes Haus, in dem ich perfekt gestylt hindurchschwebe, die Kinder in frischen Sachen, alles blitzt und blinkt, wir lächeln uns an. Ich koche gesund, während ich nebenbei perfekte Artikel schreibe. Die Kinder spielen mit pädagogischem Holzspielzeug, das unbespielt aussieht. Und wenn sie fertig sind, räumen sie es in den perfekten Bastkorb, bevor sie ein hübsches Bild malen – ohne Farbkleckse auf dem Couchtisch. Hilfe, Stop, nein, hätte ich doch nicht. Das klingt nämlich gruselig. Weiß doch jeder, dass da gleich was Schreckliches passieren muss. Die Hintergrundmusik wird schon düster. Was André sagen würde: “Es ist nicht alles Gold was glänzt!”
Da nehme ich uns lieber so, wie wir sind. Mit all den verrückten Ideen, der Wildheit. Vier Kinder, oft noch mit Besuch, entwickeln eine wahnsinnige Eigendynamik. Die irgendwie ziemlich cool ist. Wenn man sie anders anschaut. Denn ich habe einmal mehr in dieser Krise gelernt: “Wir können einfach nicht alle gut aussehen. Es ist entweder das Kind oder die Wohnung oder ich.” (Via Kleine Prints). Und manchmal, ehrlich gesagt ziemlich oft, ist es bei uns nichts von allem. Und wisst ihr was, in den allermeisten Fällen finde ich das auch gar nicht so schlimm. Weil ich immer wieder dran denke, was mir wirklich wichtig ist: Zeit für uns, Zeit für mich, Zeit für meine Arbeit – und meine Kinder ihr Ding machen zu lassen. Ich ertrage dafür Sprüche von Freunden über Dreckwäscheberge und die Staubschicht auf dem Kinderglobus. Ich weiß ja, dass ich ihn abwischen könnte. Ich weiß auch, dass sich Bilderrahmen anstupsen lassen, damit sie wieder gerade hängen. Ich möchte hiermit euch anstupsen, um euch Mut zu machen, in Sachen Perfektionismus euren Weg zu gehen. Und ihn auch immer wieder zu überdenken.
PS. Ich fand diesen Artikel spannend, allein die Headline: “Kinder lieben das Chaos”. Auch die Tipps sind super, was man machen kann, wenn Ordnung auf der eigenen Prioritätenliste doch weiter oben steht. Dort wird übrigens vermutet, dass die Kinder dann sowieso ordentlicher sind. Allerdings werden diese Kinder in der Pubertät oft sehr chaotisch, um sich abzunabeln. Da das bei uns ja dann das Gegenteil werden dürfte, freue ich mich jetzt schon drauf…
Und ihr so?
Alles Liebe,
Genau so! Vielen Dank der Artikel bringt es auf den Punkt.
Liebe Grüße
Maria
Liebe Claudi, Danke dir!! Bei uns sieht’s genauso aus, nur noch ein Kind mehr…aber letzte Woche brauchte ich doch mal die Unterstützung meiner Schwester um hier nach Wochen mal wieder durchzuwischen, das tat meinem Seelenheil sehr sehr gut, sogar so gut, dass es die Kinder aussprachen…
In diesem Sinne, liebste Grüße von Claudia
Liebe Claudi,
Ein großes Dankeschön von mir für diesen Post!
Wir wohnen aktuell schön, aber viel zu klein, weil sich unser Sanierungs-Projekt in unerwartete Längen zieht. Gerade heute hat eine Freundin zu mir sinngemäß gesagt, dass sie versteht wie mir das gestapelte Chaos an den Nerven nagt, dass sie es aber trotzdem wunderbar und gemütlich bei uns findet, weil man merkt, dass für die Kinder ein großer Platz in unserem Zuhause und Leben ist. Das fand ich eine ganz schöne Umschreibung für unseren „Zustand“.
Ich habe (fast)meinen Frieden damit gemacht, und achte auf meine Bereiche, in denen ich dem Chaos weniger Raum lasse.
Annika
Ich lebe in einem Haus mit 4 Männern, davon drei kleinen Chaoten und ein großer ( Papa)… wenn es wieder sehr unordentlich wird, sage ich mir, ich wollte doch eigentlich immer den „ Villa- Kunterbunt-Stil“ ?Also ganz ehrlich, ich verliere auch ab und an die Nerven mit der Ordnung und aufgeräumt ist es nur, wenn die Putzfrau da war und noch keiner wieder zu Hause war? Ich kann dir sagen, das Chaos wird ein bisschen besser, wenn sie älter sind ( meine drei sind fast 14, 10 und 8), aber so eine Teenie- Höhle ist auch keine Ausstellung wert? Bei uns sagt der Besuch immerhin, es sei zwar nie so aufgeräumt, aber der Stil gefällt ( denn eigentlich habe ich auch viel Spaß am Einrichten und Dekoration), wird nur oft von so vielen anderen Gegenständen dominiert, die sich anhäufen ?
Vielen Dank für den tollen Artikel. Ganz genau so ist es bei uns auch. Und das ist gut so. Ich habe auch meinen Frieden damit gemacht und räume nicht mehr für andere auf. Nur noch für mich. Aber das auch nur noch selten.
Yeah, ich habe das Gefühl, du hast über mich, meine Kinder, mein Haus und meine Gedanken geschrieben! Deine Worte sind so ehrlich und so wahr!!! Nur die Ordnung in der Pubertät schleicht sich bei uns irgendwie trotzdem nicht ein…? Naja, was diese Wahnsinnszeit angeht, werde ich auch von Tag zu Tag oder besser gesagt von Dreckberg zu Dreckberg gelassener.
Liebe Grüße
Anna
Hallo Claudia, wenn im Kopf Ordnung herrscht, kann mir das Chaos draußen weniger anhaben.Ich lese einige Blogs, doch bei dir merke ich immer wie du mich berührst mit deinen Worten. DANKE . Liebe Grüße von Elke
Hallo Claudia,
DANKE, einfach Danke!
Lieben Gruß Tine
Liebe Claudia,
ich bin mir da ehrlich gesagt nicht so sicher, ob deine Followerzahlen sinken nach einem solchen Artikel oder ob sie nicht gerade in die Höhe schießen. Ich weiß noch, dass ich vor einiger Zeit mal bewundernd geschrieben habe, wie ordentlich es doch bei euch immer aussieht und du geantwortet hast, dass du nur das Chaos nicht fotografierst und zeigst.
Ich bin dir wirklich dankbar, dass du es nun doch tust, denn das ist doch soviel echter, authentischer und lebendiger und ich glaube, das ist es, was wir brauchen. Nicht unbedingt das Chaos, aber Lebendigkeit und Authentizität und wenn wir mal realistisch sind: in den meisten Kinderzimmern und Häusern/Wohnungen mit (kleinen) Kindern wird es so aussehen. Bei einigen vielleicht nicht und das ist auch okay! Ja sogar bewundernswert 😉
Ich versuche auch immer ein bisschen Ordnung zu halten, aber so recht gelingt mir das nicht. In einer ruhigen, kinderfreien Minute mache ich wirklich auch lieber anderes als aufzuräumen und zu putzen!!!
Und ganz ehrlich: für mich als Leserin und als Frau und als Mensch fühlt es sich besser an, meinen Lebensstil mit jemandem zu vergleichen, der es auch nicht perfekt gemeistert bekommt…denn das passiert doch auf Instagram&Co: Wir vergleichen uns! Und gegen perfekt gestylte Mütter, Wohnungen, Häuser, Kinder und Kinderzimmer kommen wir dann meistens nicht so gut an…Und dein Artikel hilft, diese ewige Vergleicherei loszulassen und einfach in einem chaotischen, nicht perfekten, aber liebe-vollen, friedlichen, lauten Leben zu sein! Von Herzen danke dafür!!!!
Ganz liebe Grüße
Rabea
PS: Ich bin gespannt auf die Followerzahl…mach doch mal eine beobachtende Studie! ;-P
Aaaaaah, der Artikel entspannt mich so, es ist wunderbar. Daher schreib ich auch nochmal: vielen vielen Dank für deine ehrlichen Worte, das ist so viel wert.
Ich guck mir schon gern schöne Bilder an, aber ich merke danach immer, wie sehr die mich im Abgleich mit unserer Wohnung und unseren Kinderzimmern unter Druck setzen. Also danke ****
Danke für den schönen Artikel!
Das mit den Jugendlichen stimmt übrigens, wie ich voller Stauen erfahren musste… seit Corona räumt die Große auf – unaufgefordert- und ich staune jedes Mal wenn ich das Zimmer betrete und denke ich bin im falschen Haus… aber sonst sieht es in einem drei Mädelshaus wohl genauso aus wie bei vier Jungs? … Egal … Blumen hinstellen dann ist es trotzdem schön!? Entspanntes Wochenende euch allen…
Schön zu sehen, dass es auch bei euch so läuft.
Ich merke immer nur, dass mir vielbespieltes Chaos mehr ausmacht, als mir lieb ist, wenn die Neben sowieso schon dünner sind.
Was mir aber extrem geholfen hat : die Große hat mit zwölf plötzlich so richtig aufgeräumt und ausgemistet (mir wurde es glatt zuviel – all die süßen Basteleien, selbst geschriebenen Geschichten, das kann doch nicht alles weg!?), seit fast einem Jahr ist das Zimmer ordentlich, vielleicht ihre Art, sich gegen das Chaos der Familie abzugrenzen. Aber ich sehe, wie schnell die tolle Spielzeit herum geht, und finde es bei den andren (meist) nur noch toll, wie sie kreativ bauen, basteln, spielen,…
Liebe Grüße!
Hallo Claudi,
bei uns steht das selbe Sofa mit der selben Kissenrutsche im Wohnzimmer! 🙂 Und an manchen Tagen komme ich vor lauter Kissen, Schaffellen und Decken nicht ans Fenster… Danke für den Artikel und den Hinweis auf die anderen.
Liebe Grüße! Kathrin
😀
Meine Kinder sind längst aus dem Haus, doch die Erinnerungen bleiben. Mit einem chronisch kranken Kind lief einfach mehr innerhalb der vier Wände ab, als draußen. Da konnte ich für den gesunden Bruder keine komplett anderen Regeln aufstellen.
Unvergessen die Reaktion eines Spielfreundes meiner Kinder, als er in unserem Kinderzimmer stand – Junior hatte gerade eine Versuchsphase in Zerstoßen, Zermörsern, Vermahlen, Anrühren von Steinen und Steinmehl usw, die Große wird das Zeug wahrscheinlich vermalt haben – und es sah dort entsprechend aus: “Ihr dürft das alles? Ich darf zuhause nicht einmal ein Glas Wasser aus der Küche holen.”
Auf etwas über 80 Quadratmeter wünschte ich mir oft mehr Ordnung, hatte etliche peinliche Minuten, konnte allerdings feststellen, dass sich eigentlich niemand wirklich beklagt hat der zu Besuch auf der Matte stand und blieb. Wenn jeder seine Kreativität auslebt sieht das Umfeld eben entsprechend aus.
Ab und an, wenn mir die Haufen in den Kinderzimmern zu viel wurden packte ich ein paar Müllsäcke voll, die im Keller geparkt wurden. Kaum zu glauben, deren Inhalt “verschwand” immer wie von Zauberhand ;-): “Schau mal Mutti, was ich gebaut habe!”, oder es war wieder aufgeräumt, getauscht, verschenkt.
Wie es bei mir aussieht, nachdem die Kinder ausgezogen sind? Nicht viel anders. 😀
Ich lebe weiterhin nach dem Motto: Hier ist es sauber genug um gesund zu bleiben, und ordentlich genug um sich wohlzufühlen.
War schön bei Dir zu lesen.
Viele Grüße,
Karin