Auch ich habe schon mal ein Manuskript für einen Kinderroman bei einem großen Verlag eingereicht – und nur Absagen bekommen. Es fühlt sich jedes Mal an, wie damals, wenn dir dein Schwarm einen Korb gibt. Heute weiß ich, dass zu einer erfolgreichen Veröffentlichung mehr gehört, als nur eine gute Geschichte. Eine der wenigen, die es tatsächlich geschafft hat, als Autorin durchzustarten ist Lucy Astner. Sie schreibt außer Drehbücher für Schweighöfer und Co seit einer Weile sehr erfolgreich Kinderbücher – und seit neustem sogar Romane für Erwachsene. Ich durfte Lucy zum Thema Bücher schreiben mit Fragen löchern. Jedes Mal, wenn ich nämlich von meinem Romanschreibtraum erzähle, merke ich, wie viele diesen Traum ebenfalls träumen…

Wasfürmich: Lucy, sag mal, in welchem Moment hast du gedacht, ja, jetzt bin ich vielleicht ein bisschen berühmt…?
Lucy Astner: So richtig berühmt fühle ich mich ehrlich gesagt gar nicht – aber es ist immer ein magic moment, wenn ich eins meiner Bücher irgendwo in einer Buchhandlung entdecke. Dann bin ich jedes Mal so aufgeregt und hibbelig, dass ich am liebsten wie ein Flummi auf und ab hüpfen würde. Außerdem hat mich mal ein Kind in der U-Bahn erkannt. Es hat mit dem Finger auf mich gezeigt und durchs ganze Abteil gebrüllt: „Guck mal, Mama, da ist Lucy Astner!“ Und da dachte ich im ersten Moment so: Uiui, ich bin tatsächlich ein klitzekleines bisschen berühmt. Und im zweiten Moment: Hätte ich mir mal lieber die Haare gewaschen und nicht die olle Schlabberhose angezogen …

Wasfürmich: Was ist das Beste daran, eine bekannte Kinderbuchautorin zu sein?
Lucy Astner: Die Fanpost und die Rückmeldungen von Kindern und Eltern sind tatsächlich das Allerbeste am Job. Wenn ich höre, dass Kinder durch meine Bücher einen Zugang zum Lesen finden, bin ich zum Beispiel sehr, sehr glücklich. Außerdem finde ich es ziemlich gut, dass ich mir die Welt in meinen Büchern so machen kann, wie sie mir gefällt. Das kommt meinem Kontrollwahn sehr entgegen – harrharr!

Wasfürmich: Gibts es auch was, das nervt?
Lucy Astner: Hm, so richtig doll nervt eigentlich gar nichts. Außer vielleicht, dass ich niemals klassisch Feierabend habe, weil Ideen und Figuren ja nicht auf Bestellung kommen, sondern immer dann, wenn es ihnen grad passt. Außerdem finde ich es manchmal schade, dass viele Menschen denken, jede/r könne ein Kinderbuch schreiben. In Wahrheit sind Kinder nämlich ein sehr, sehr anspruchsvolles Publikum und lassen sich nicht so einfach mit halbherzigen Geschichten abspeisen.

Wasfürmich: Wie kommst du auf neue Ideen?
Lucy Astner: Neue Ideen kommen meistens, wenn ich gerade nicht am Schreibtisch sitze. Beim Sport zum Beispiel, oder wenn ich mit meinen Kindern herumquatsche. Die meisten Menschen denken ja, als Autor müsse man vor allem gut schreiben können, dabei ist es im Grunde noch viel wichtiger, gut beobachten und zuhören zu können. Geschichten lauern nämlich überall, aber sie sind meist leise und ein bisschen schüchtern. Nur wer aufmerksam ist, verpasst es nicht, wenn sie an deine Tür klopfen.

Wasfürmich: Wo schreibst du?
Lucy Astner: Unterschiedlich. Ich habe mir ein Büro in der Nachbarschaft angemietet und schreibe in der Regel von dort aus. Manchmal brauche ich allerdings einen Tapetenwechsel, dann bleibe ich zu Hause und ziehe wie ein Wanderpokal von Platz zu Platz: Sofa, Bett, Esstisch, Balkon. Ich brauche zum Schreiben allerdings absolute Ruhe, deshalb kann ich leider nicht in Cafés arbeiten – auch wenn ich diese Vorstellung total romantisch und gemütlich finde. Die Realität ist dann doch immer etwas mehr Jogginghose als Cocktailkleid.

Wasfürmich: Kommen die Ideen am Schreibtisch oder woanders?
Lucy Astner: Am Schreibtisch arbeite ich meine Ideen aus und lasse mir von meinen Figuren ihre Geschichten erzählen – aber die Ideen selbst kommen meist an anderer Stelle zu mir. Beim Schwimmen oder im Urlaub, auf dem Spielplatz, im Supermarkt oder beim Zeitung lesen. Geschichten lauern ja im Prinzip überall dort, wo Menschen aufeinandertreffen – und das ist auf meinem Schreibtisch eher selten der Fall.

Wasfürmich: Wie lange schreibst du am Tag?
Lucy Astner: Durchschnittlich etwa fünf Stunden. Mehr Zeit gibt unser Kinderbetreuungsplan nicht her, und wenn ich ganz ehrlich bin, kann ich ohnehin nicht viel länger kreativ sein. Ich arbeite in diesen paar Stunden wirklich höchstkonzentriert, das ist wie Sport – und irgendwann sind Hirn und Finger schlichtweg leergeschrieben.

Wasfürmich: Weißt du schon am Schreibanfang wie dein Buch enden wird?
Lucy Astner: Ja, wenn ich mit dem Schreiben anfange, weiß ich in etwa, wo meine Figuren am Anfang stehen, was ihre größten Konflikte und Probleme sein werden, und wo sie am Ende der Geschichte ankommen sollen. Das bedeutet aber nicht, dass der Schluss dann auch genauso aussieht, wie ich es mir zu Beginn ausgemalt habe, denn ich lasse meinen Figuren sehr viel Freiheiten. Manchmal führen sie mich dann doch ganz woanders hin. Ich finde es trotzdem wichtig, immer ein Ziel vor Augen zu haben, selbst wenn man am Ende an anderer Stelle landet.

Wasfürmich: Ich habe mal in einem Schreibworkshop gelernt, dass man für jede Figur tatsächlich vorher einen ausführlichen Steckbrief schreiben soll. Machst du das?
Lucy Astner: Ich mache mir nicht immer Steckbriefe, aber ich lerne all meine Figuren zu Beginn sehr gut kennen – nur dann erzählen sie mir hinterher nämlich auch ihre Geschichten. Je besser ich mein Personal kenne, desto reibungsloser läuft der Schreibprozess hinterher. Diese Investition am Anfang lohnt sich wirklich sehr, deshalb würde ich auch jedem Anfänger empfehlen, tatsächlich einen klassischen Steckbrief zu schreiben.

Wasfürmich: Was rätst du allen, die auch gern schreiben würden?
Lucy Astner: Einfach anfangen – und bloß keine Scheu vor schlechten Texten haben. Wer schreibt, kann nicht verlieren. Außerdem ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Mein erster Drehbuchmentor hat immer gesagt, man bräuchte ungefähr 10.000 Stunden Übung, um in etwas richtig, richtig gut zu werden. Am Anfang dachte ich, er spinnt, aber mittlerweile weiß ich, dass er damit ziemlich richtiglag. Also fangt einfach an – und habt Spaß dabei! Es verlangt ja niemand, dass ihr gleich einen Bachmannpreis mit euren Texten einfahrt.

Wasfürmich: Dein bester Schreibtipp…
Lucy Astner: Abschreiben! Mag vermutlich merkwürdig klingen, aber ich habe in meiner Laufbahn kaum einen wertvolleren Tipp erhalten. Viele Leute haben Schwierigkeiten, einen guten Schreibstil zu finden, deshalb empfehle ich immer: Nehmt euch ein Buch, das euch so richtig gut gefällt – und dann schreibt einfach ein paar Seiten ab. Wenn der fremde Text durch eure Finger fließt, fängt euer Kopf nach einer Weile an, in derselben Art zu denken/zu formulieren. Dann flutschen hinterher auch die eigenen Sätze in einem ähnlich guten Stil.

Wasfürmich: Meinst du, man kann ein gutes Kinderbuch nebenbei schreiben, also, so als Mama mit Teilzeitjob. Also mal abends zwei Stunden, mal ein bisschen am kinderfreien Vormittag und mal an einem Samstag zwischen Familienausflug und Fußballtraining?
Lucy Astner: Nein, zumindest würde es bei mir so niemals funktionieren. Das Schreiben für Kinder ist echte Arbeit und kein nettes Hobby oder ein Nebenbei-Zeitvertreib. Leider merkt man einigen Kinderbüchern aber an, dass sie genau so entstanden sind. Jedes Buch, selbst wenn es nur dünn und die Geschichte kurz ist, verdient einen gut durchdachten Aufbau und intelligente, liebenswürdige Figuren. Ich werde immer sehr wütend, wenn ich auf Leute treffe, die meinen, man könnte Kinder mit „Schmalspurmühe“ abspeisen.

Wasfürmich: Wenn man erstmal dabei ist, meistens kommt ja irgendwann ein Motivationsloch. Das weiß man nicht weiter, stellt vielleicht sogar alles in Frage… Wie bleibt man bitte schreibmotiviert?
Lucy Astner: Ich habe ehrlich gesagt gar keine andere Wahl. Wenn ich nicht weiterschreibe, ist der Kühlschrank Ende des Monats leer. Tatsächlich ist eine Abgabefrist immer sehr hilfreich für die eigene Motivation – man kann sie sich zur Not ja auch selber setzen. Falls es wirklich gar keinen Druck von außen gibt, empfehle ich immer, seine Figuren derart lieb zu gewinnen, dass man gar nicht anders kann, als ihre Geschichte schleunigst weiterzuerzählen. Also: Liebt eure Figuren!

Wasfürmich: In welchem Genre hat man die meisten Chancen?
Lucy Astner: Puh, das kann man gar nicht so pauschal sagen. Im Erwachsenensegment gehen Krimis und Romanzen immer, aber bei den Kindern? Ich würde tatsächlich sagen, dass es gar nicht DAS Genre gibt, sondern nur DIE gute Geschichte. Vor Harry Potter hat sicher niemand damit gerechnet, dass ein zaubernder Junge ganze Generationen begeistern kann.

Wasfürmich: Wenn man sein Buch dann irgendwann tatsächlich fertig hat. Was macht man am besten?
Lucy Astner: Ganz klar: sich selbst feiern! Und dann: das Buch anbieten. Am besten erstmal bei einer Agentur und nicht beim Verlag selbst – es sei denn, man hat dort schon einen Kontakt. Und wenn wirklich gar nichts geht, kann man Bücher auch immer noch selbst verlegen. Es gibt einige wirklich berühmte Autoren, die ihre ersten Bücher über BoD rausgebracht haben. Kein Grund sich zu schämen, sondern einfach nur eine weitere Chance auf dem Weg, den eigenen Traum zu leben.

Wasfürmich: Was für ein Buch könntest du nie schreiben?
Lucy Astner: Ich könnte niemals ein Buch schreiben, für das ich nicht mit meinem Namen stehen möchte. Das bezieht sich eher auf Inhalte als auf Genres. Eine Geschichte, hinter der ich nicht mit meinem Gesicht und Namen stehen möchte, will ich auch nicht in die Welt setzen, selbst wenn es genug Kohle dafür gäbe.

Wasfürmich: Wird man mit Bücher schreiben eigentlich reich?
Lucy Astner: Kommt drauf an. Wenn man Harry Potter schreibt, dann schon – in den allermeisten anderen Fällen allerdings nicht. Ein Autor verdient durchschnittlich einen Euro pro verkauftem Buch und erreicht nur selten eine fünftstellige Auflage mit einem Titel. Ich sage immer: Es gibt Jobs für den Geldbeutel und Jobs fürs Herz – und Autor/in gehört eher zur letzteren Kategorie.

Wasfürmich: Hab ich in Sachen Bücher schreiben noch was vergessen zu fragen?
Lucy Astner: Fragst du die Frau, die vergisst, dass sie keine Hose trägt, wenn sie dem Paketdienst öffnet … thahaha!

PS. Mehr von Lucy, auch herrlich pragmatische Schreibtipps gibt’s auch auf Lucys Instagram-Account.

PPS. Meine Jungs lieben übrigens Lucys Polly Schlottermotz-Geschichten!

Eine schöne Woche,

Claudi