Du sagst nicht „Ich liebe dich“. Du sagst: „Ich glaube, du solltest mal laufen gehen“, wenn mir gerade alles zu viel wird. Und ich fühle mich verstanden. Du fragst: „Brauchst du mal wieder eine Massage?“, bevor ich selbst merke, wie angespannt ich bin. Du sagst nicht: „Du bist meine große Liebe.“ Du schmiedest Zukunftspläne, in deren Mittelpunkt wir beide stehen. Du schenkst mir keine Blumen, sondern ein Lächeln, einen Becher Kaffee, wenn ich ihn am nötigsten habe und diesen Blick, unter dem ich mich immer noch so sehr als Frau fühle. Aber du sagst nicht „Ich liebe dich.“


Ich sage auch nicht „Ich liebe dich.“ Ich halte dir die Kinder von Leib, wenn du nach einer durchgearbeiteten Nacht k.o. auf der Couch einschläfst. Ich sage nicht: „Babe, wir brauchen mal wieder Zeit für uns.“ Ich buche uns einen Babysitter und ringe den Kindern das Versprechen ab, in ihren eigenen Betten zu schlafen. Ich überrede dich zu Dingen, von denen du vorher nicht weißt, wie schön du sie findest.

Aber ich weiß es, weil ich dich kenne, schon so lange. Weil ich dich liebe, schon so lange. Aber sagen tu ich das nicht.

Habe ich mein Herz jemals auf der Zunge getragen? Vielleicht als Teen, bis in jede Zelle hingerissen von meiner ersten großen Liebe. Und dennoch kam mir dieser schlichte Satz „Ich liebe dich“ schon damals seltsam überfrachtet vor. Als würde man Liebe nur spielen. Er klang immer ein wenig unpassend. So bedeutungsschwanger, als müssten gleich die Geigen losfiedeln und sich der Himmel bonbonrosa färben. Irgendwie – künstlich. Ich glaube, die Liebe braucht nicht diese drei Worte, um zu sein. Um zu bleiben.

Die Langzeit-Liebe ist eh ein anderes Kaliber. Weil es in ihr nicht immer um die ganz großen Gefühle geht. Sondern viel mehr um die Zwischentöne. Die Liebe wird nicht besser, in dem wir uns „Schatz“ oder „Liebling“ nennen, nicht größer, wenn wir ihr mit „Ich liebe dich“ einen Nachdruck verleihen, den wir gerade gar nicht fühlen. Vielleicht wird aus dem Sagen immer mehr ein Zeigen und Spüren. Ein füreinander-da-sein, das unbedingte-verlassen-können-auf-den-anderen. Und glücklicherweise sind wir uns da ähnlich.

Ich weiß noch, wie wir uns auf unserer Hochzeit etwas gegenseitig mit auf den Weg geben wollten. Worte, die besser als andere sagen, was wir fühlen.

Es sind diese geworden: „Ich lach für dich, ich wein für dich, ich regne und ich schein für dich. Versetz die ganze Welt für dich, für dich und immer für dich. Ich rede für dich, ich schweige für dich, ich gehe und ich bleib für dich, ich streich den Himmel blau für dich, für dich und immer für dich. Ich sehe für dich, hör für dich, ich lüge und ich schwör für dich, ich hol den blauen Mond für dich. Für dich und immer für dich.“ Rio Reiser hat etwas verstanden von der Liebe.

Eben fiel mir dieser Zettel wieder in die Hände. Ich sehr uns noch einander gegenüberstehen, ich hochschwanger mit unserer Tochter, aufgeregt, glücklich, nach zehn Jahren noch einmal “Ja” zueinander zu sagen. Und als wir uns diese Worte vorlasen, wusste ich mit jeder Faser meines Körpers: Das ist die Sprache der Liebe. Das sind wir. So wollen wir immer füreinander sein. Und dass ich dich liebe. Aber gesagt habe ich es nicht. Dafür jetzt: Dieser Text ist für dich, Herzensmann.

Sagt ihr euch „Ich liebe dich“?

Alles Liebe,

Katia