Liebe Claudi, sag doch bitte, wie kannst du im Urlaub trotz Kindern entspannen, fragt mich eine Leserin. Und ich muss kurz drüber nachdenken. Bin ich entspannt? Dann muss ich grinsen und denke: Ja, bin ich. Ich habe mich echt gut erholt. Was so schön ist. Und verrückt. Wie das ging? Vielleicht so…

1. Natürlich ist unser Urlaub nicht nur entspannt. Wie bei allen Familien und allen Reisezielen dieser Welt gibt es Regen und Unordnung und Streit. Allerdings – und das sorgt für mich bereits für ein großes Erholungsgefühl – fallen im Urlaub ein paar Sachen weg. Früh aufstehen zum Beispiel. Ich hasse es, nein, wir hassen es alle sechs. Sprich, können wir alle ausschlafen, bin ich, sind wir, schon mal viel erholter. Auch Schuldiskussionen, Brotdosendienste und Co sind bei uns ein enormer Stressfaktor. Wenn auch die noch wegfallen, denke ich allein deshalb: OMMMMM.

2. Vielleicht ein Trick: Ich drücke öfter beide Augen zu im Sinne der Erholung. Wird ein Kind zum Beispiel früher wach, darf es schon mal ein paar Folgen der Lieblingsserie schauen oder daddeln, damit wir ausschlafen können (oder in diesem Jahr ich am Roman arbeiten). Klar, wäre es noch schöner, wenn meine Kinder schon morgens über die Wiesen laufen und weniger glotzten. Aber hey, es ist bloß Fernsehen, kein Heroin. Und sie haben eine gute Zeit zusammen. Auch in Sachen Süßkram bin ich ziemlich entspannt im Urlaub.

Andere Dinge sind mir super wichtig und die setze ich auch durch.

Dass die Kinder im Haushalt helfen, ist so ein Riesending zum Beispiel. DAS sorgt bei uns für schrecklich viele Diskussionen im Urlaub. Leider sind die oft weit über den Campingplatz zu hören. Manchmal wunderte ich mich, dass es in den Nachbar-Mobilheimen so friedlich zuging. Aber dann sah ich Eltern den Esstisch komplett allein abräumen und war gleich entspannter. Weil ich dachte: “Ha, so könnten wir auch leise.” Andererseits sorgt das Gefühl, dass ich kein bisschen allein verantwortlich bin für den gedeckten Tisch, das Essen, das Geschirr und die Dreckwäsche trotz Diskussionen für ein entspannteres Gefühl bei mir.

3. Ich denke bereits beim Buchen der Unterkunft an meine Entspannung: Mobilheime und wirklich große Campingplätze finde ich zwar nicht besonders charmant, aber mit Kinder zwischen sechs und Teenageralter sind sie gerade einfach echt entspannt.

4. Ich grabsche mir meine Erholung und lasse mir mein schlechtes Gewissen aus dem Gesicht pusten. Klar, spiele ich in meiner romantischen Familienvorstellung pausenlos Strandtennis mit meinen Großen oder sammele Muscheln mit meinen Kleinen. Mache ich klar auch mal. Aber in Wahrheit lese ich genauso gern. Denn DAS ist es, was mich im Urlaub mit am meisten entspannt: stundenlang lesen.

Noch was: Abends spielen André und die Kinder gern Spiele. Also spielen sie – und ich lese. Klar spiele ich auch gern mal ein Spiel mit ihnen, aber dann meist ein bis zwei Partien ein kurzes, bevor ich mich mit einem Buch auf die Couch verziehe und sie das ewiglange Risiko rausholen. Ich liebe es, mit ihrem Stimmengemurmel als Hintergrundsound, zu lesen. Zwischen absoluter Selbstaufgabe und Egomutter gibt es also viel Platz für uns!!! Wir müssen nur wagen es zu sagen.

Vor ein paar Jahren war das übrigens noch anders. Da habe ich meist die Kleinkindaction übernommen, also das Buddeln und Planschen und den Spielplatz.  Heute aber haben meine Kinder meist Lust auf Action. André zum Glück auch. Also geht er mit ihnen Surfen – und ich kann lesen. Lesen. Lesen.

Ja, manchmal finde ich es schade, dass ich damit irgendwie ein bisschen raus bin.

Aber im nächsten Moment genieße ich es. Alles hat seine Zeit, jeder hat seine Themen mit den Kids – und ich schaue ihnen super gern bei ihrer Action zu.  Und manchmal lesen wir auch alle nebeneinander.

5. Wenn ich so drüber nachdenke, profitieren wir inzwischen vielleicht auch einfach von der Vielzahl der Kinder. Denn auch wenn es sich oft anfühlt, als würde ich mit einer halben Fußballmannschaft durch den Sand tapsen, ist so natürlich auch immer einer da, der eine Idee hat. Und einer, mit dem man gerade nicht zerstritten ist. Und zu viert kann man vielleicht auch entspannter andere Kinder kennenlernen.

Wenn ich mal mit ihnen Beachball spiele, sind meist ohnehin ganz schnell die Geschwister und/oder andere Kinder interessanter.

6. Noch ein Trick: Wir sorgen für Bewegung. Dafür schleppen wir immer unheimlich viel mit – dieses Mal ja sogar Boards für alle. Dabei träume ich ja heimlich von den Zeiten, wenn ich bloß mit einer Strandtasche gefüllt mit Handtuch, Buch und Wasser zum Strand spaziere (das brauche ich dort nämlich). In Wahrheit sieht es jedes Mal aus, als ob wir umziehen, wenn wir an den Strand gehen. Weil wir einfach viel dabei haben, was für Bewegung sorgt: Bälle, Boards, Beachball, Frisbee, Boule. Und Bücher!

7. Ganz wichtig: Ihr Streit ist nicht mein Streit. Ja, ab und zu versuche ich zu vermitteln, um ihnen eine Möglichkeit aufzuzeigen, ins Gespräch zu kommen. Dann lasse ich jeden erzählen und frage nach einer Lösungsidee. Aber ganz oft halte ich mich raus. Bitte sie sogar, das woanders zu klären. Und siehe da, meist ist die Kabbelei dann ganz schnell vorbei. Okay, manchmal raste ich auch aus. Hilft auch, haha. Und ja, ich finde, sie dürfen, nein müssen auch lernen, dass andere Grenzen haben.

Ich glaube, mein meistgesagter Satz im Urlaub ist: Wir sind viele, wir müssen Kompromisse eingehen.

8. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich im Urlaub fürs ganze Jahr miterziehe. Denn niemals sonst hocken wir so dicht zusammen und verbringen so viel Zeit zusammen. Dann denke ich, dass es zwar anstrengend ist, aber das ich bereits spüren kann, dass all die Diskussionen etwas bringen.” Wir werden in jedem Urlaub noch ein bisschen mehr eine Bande, trotz aller Diskussionen und Streits und Tränen. Das hilft mir bereits im Streitmoment ruhig zu bleiben.

9. Wir geben ihnen Freiheit. Mein vielleicht größter Tipp: Vertrauen lernen. Meinen Kindern viel Freiheit zu lassen, schenkt mir viele Momente der Entspannung. Und Fakt ist, es gibt bloß zwei Dinge, vor denen ich im Hinblick auf meine Kinder richtig Angst habe, das sind Wasser und Verkehr. Wenn ich diese beiden ausschalten kann, dann kann ich sie gut loslassen.

Unsere Kinder sind dieses Jahr zum Beispiel mit ihren Campingplatzfreunden nach dem Abendbrot bis zwölf über den Platz gestromert. Es waren tolle, verantwortungsbewusste Kinder und jeweils ein Dreizehn- und ein Vierzehnjähriger mit Handys dabei, das hat mir gereicht. Klar ist es anfangs seltsam, sie so loszulassen. Aber sie wachsen so sehr daran. Und wenn ich es mir genau überlege, sind doch genau das die Momente, die Ferien schon damals bei uns so richtig cool machten: Mit anderen Kindern ohne Erwachsene Abenteuer erleben.

Manchmal kommt die Entspannung erst abends. Und manchmal sogar erst hinterher.

10. In Paris konnten sich die Kinder natürlich nicht beim Wassersport austoben oder allein herumlaufen. Da waren wir 24/7 zusammen und ich habe noch nie so viele Fragen beantwortet. Ich hatte abends Kopfweh vom Reden und Zuhören. Aber: Ich habe noch am Abend (manchmal sogar schon dabei) gespürt, wie sehr mich und uns das aus unserem Alltag hebt. Wie viele neue Themen und Impulse und Bilder das in unsere Köpfe pflanzt. Wie sehr uns diese intensive Zeit zusammenschweißt. Trotz der vielen Diskussionen habe ich mich so wunderbar lebendig gefühlt. Und das hat mich, auf eine ganze andere, ziemlich verrückte Weise, und ganz anders, als es ein Poolliegentag tut, wahnsinnig entspannt. Ich war richtig geflasht von diesen Tagen. Ein bisschen so, als hätte ich einen Familienschwips.

Und ich glaube, noch etwas ist Fakt. Reisen war nämlich immer mit mein Liebstes, mein Herzenswunsch. Mein Traum. Wenn wir also unterwegs sind, bin ich wirklich jedes Mal einfach so unglaublich dankbar dafür, unterwegs sein können, dass daran auch der blödeste Streit und die nervigste Diskussion nichts ändert.

Und wie ist Urlaub bei euch? Entspannt? Oder nicht?

Alles Liebe!

Claudi