Vor etwa einem halben Jahr habe ich mein Leben geändert. Das klingt groß, dabei war es das im Nachhinein gar nicht. Und doch bin ich seither ein anderer Mensch….
Ich wollte jahrelang alles und hab es mir genommen. Ich habe während meines Studiums nebenbei für eine Zeitung geschrieben. Eine Verbeamtung geschmissen und ein Blogmagazin aufgebaut. Ich hab es geliebt, an meinen Träumen zu arbeiten. Es war anstrengend, aber es hat mir dennoch fast immer mehr Energie gegeben, als genommen.
Vielleicht kippte das auf sehr wackeligen Stützpfeilern stehende Konstrukt mit dem ersten Buchvertrag.
Ich arbeitete seit einer Ewigkeit darauf hin und als nach etlichen Absagen endlich eine Zusage kam, fühlte es sich an wie das Ziel aller Träume. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das alles schaffen sollte, aber das hatte ich schließlich die ganze Zeit nicht gehabt.
Eine Weile wuppte ich „I want it all“ tatsächlich: ein werktägliches Blogmagazin leiten, einen großen Instagram-Account füllen, einen Shop bestücken, große Familie UND Romane schreiben. Ich war stolz und fühlte mich high.
Noch vor der körperlichen Erschöpfung merkte ich an meinen Manuskripten, dass es so nicht weiter ging. Weil ich nämlich nicht so schreiben konnte, wie ich es mir in meinem Kopf ausmalte. Das nahm ich ernster als mich. Ich bin so unglaublich ehrgeizig. So ehrgeizig, dass ich mich damit oft selbst nerve.
Während ich einen Blogbeitrag oder ein Reel im Chaos nebenbei erledigte, braucht Bücherschreiben: Ruhe. Und Zeit.
Und die hatte ich nicht. Dazu kam, dass sich Medien ständig verändern und Social Media noch schneller. Der Blog brachte kein Geld mehr ein, verschlang aber viel. Und Instagram wollte mehr, mehr, mehr. Mehr Content, mehr DiY, mehr Drama, mehr neue Ideen. Um mir morgens die Zeit zum Bücherschreiben nehmen zu können, musste ich Reels und Blogbeiträge nachmittags und nachts machen. Baute neben den Hausaufgaben der Kinder ein Filmset auf, um Bastelanleitungen und Rezepte zu filmen. Ich habe eine Weile quasi nie nicht gearbeitet.
Der Bruch von der Phase, in dem mich meine ganzen Projekte mit Adrenalin pushten, bis zu dem Punkt, an dem ich abends im Bett vor Erschöpfung weinte und morgens nicht mehr aufstehen wollte, passierte schleichend. Eine Weile schob ich es auf die Rushhour des Lebens. Ich hatte auch einfach keine Ahnung, welchen Part ich auslassen wollte. Für meine Zickigkeit und zunehmende Härte machte ich vor allem mein Alter verantwortlich.
Dann wurde meine Schulter steif.
Auch das schob ich – wie alle um mich herum – auf die Perimenopause (so wie jedes einzelne Wehwehchen derzeit, eine Sache, die mich zunehmend nervt.) Ich versuchte es mit Tabletten, die nichts brachten, mein Arzt kündigte an, das sowas Jahre dauerte. Jeden einzelnen Tag versuchte ich trotz steifer Schulter durchs Chaos zu kraulen und dachte jeden Abend: „ich will einfach untertauchen.“
Ich bin mir sicher, dass der Kopf ab und zu Updates macht, und bei mir passieren sie (wie bei meinem IPhone) oft über Nacht. Von einem Tag auf den anderen war ich mir plötzlich sicher, dass es mein tägliches Blogmagazin war, das gehen musste. Und obwohl ich schon hunderttausendmal vorher drüber nachgedacht hatte, tat es von diesem Punkt an nicht mal mehr besonders weh.
Was folgte: mehr Zeit.
Zum Schreiben und für mich. Und wie so oft: als ich erstmal drin war im Entrümpel-Modus, machte ich nach meinem Haus in meinem Leben weiter. Mein für alle 14 Tage angekündigter Newsletter erscheint seitdem auch mal nur einmal im Monat, wenn ich es nicht schaffe. Nachtschicht ist keine Option mehr. Ich nahm mir Zeit für Physio und Pilates und entsteifte meine Schulter innerhalb von drei Monaten.
Auch über den mal wieder veränderten Instagram-Algorithmus kann man motzen, ich mag ihn. Weniger Stories, bitte? Finf ich herrlich. Weniger Themenvielfalt: auch eine Erleichterung. Es sind keine Kochreels mehr gewünscht von Nichtkochaccounts, hurra.
Mein Kopf formt mit den entrümpelten Gehirnschlingen gefühlt sogar immer öfter Peacezeichen wegen der Viewzahlen. „Wird schon wieder“, ommmt er mir zu. Gleichzeitig schaffe ich es mir weniger Druck beim Laufen, beim Verabreden, bei allem zu machen. Entspannen macht süchtig, wenn man erstmal damit angefangen hat.
Meine Perimenopausen-Symptome sind weg.
Und nein, ich will sie damit nicht kleinreden oder anderen ihre Symptome absprechen, ich wollte euch bloß von meinem Weg erzählen. Vielleicht als kleine Inspiration, euerm Leben eine Abspeckkur zu verordnen. Vielleicht kann die Midlife Krise tatsächlich eine „Einstiegs-Droge in Richtung Selbstwahrnehmung“ sein, wie es die Süddeutsche diese Woche so schön schrieb.
Ich habe endlich wieder Freude am Schreiben, am Leben, an mir. Hach. Passt auf euch auf!
Alles Liebe,
Das klingt klasse und freut mich sehr für dich!
Danke!!!
Hab eine schöne Restwoche und liebe Grüße,
Claudi
So toll geschrieben! Danke!
Danke, das freut mich.
Alles Liebe,
Claudi
Wie schön! Genieß es!
Das versuche ich! Danke dir für dein Feedback!
Alles Liebe,
Claudi
🫶
Danke!
Freut mich wirklich auch sehr! Liebe Grüße!
Liebe Claudia,
das macht einfach Sinn, dass weniger Druck und mehr Entspannung zu einer allgemeinen Entlastung führen. Schön, dass du da für dich neue Wege finden konntest. Nur gibt es leider auch Stress Komponenten (wie alternde Eltern z. B.), die sich nicht so einfach absagen oder ändern lassen. Darf ich dich noch fragen, wie oder wo man herausfindet wie der neueste IG-Algorithmus funktioniert?
Liebe Grüße