Hallo, ich bin zurück! Und ich freue mich echt so richtig. Eigentlich wollte ich hier mit einem ganz anderen Artikel loslegen, den gibt es dann wohl morgen (verschieben passt perfekt zu seinem Thema). Heute daher eine Sache, die mich aktuell sehr beschäftigt. Bevor ich nämlich diese Woche auf Instagram meine kleine Feminismus-Umfrage startete, dachte ich, ich lebe nicht besonders feministisch. Manchmal empfinde ich diese aufbrausende Feminismus-Welle nämlich sogar als – mmh – ein wenig anstrengend…
Nach ordentlich nachdenken und ganz viel Rückmeldung von euch weiß ich: Ich habe mir scheinbar bloß meine Gleichberechtigungsblase geschaffen. Und Aufbrausen ist an vielen Fronten unbedingt nötig…

Fakt ist: Ich arbeite gleich in zwei Bereichen, in denen ich mich als Frau nicht benachteiligt fühle. Als Lehrerin im Schulsystem und als selbstständige Journalistin und Autorin lebe ich genau das Leben, das ich möchte. Und ich verbringe trotz viel Arbeit viel Zeit mit meinen Kindern. Wenn mich jemand fragt, ob wir eine emanzipierte Ehe führen, würde ich erst laut rufen: “Ja klar!” Und dann nachdenklich: “Ach ne, wohl doch nicht!” raunen. Und dann wieder entschlossen rufen: “Doch!” Denn: ich verbringe während der Woche mehr Zeit mit den Kindern als mein Mann. Ich wasche mehr Wäsche als er. Ich koche fast jeden Abend. Ich sitze immer auf dem Beifahrersitz, sobald wir ein Auto besteigen. Ich habe noch nicht einen Pieps für unsere Steuer gemacht. So wie wir leben finde ich es zu 90 Prozent gut. Er auch. Und wenn ich oder er etwas nicht gut finden, oder uns etwas zu viel wird, dann frage ich, ob wir es ändern können. Und dann ändern wir es. Ist das feministisch?

Jetzt, wo ich recherchiert und nachgelesen und eure vielen, vielen Antworten durchgegangen bin, sehe ich einiges anders. Manches auch nicht. Ich glaube, wie so oft ist Feminismus nicht schwarz oder weiß. Sondern es gibt viel grau. Ganz ehrlich, ich mag mich immer noch nicht über enge Toiletten aufregen, oder dass Männer dort weniger lange warten müssen. Ich bin froh, dass ich nicht zum Bund musste und unfassbar dankbar, dass ich unsere Kinder austragen durfte. Und hätte ich auch nur einen Tag der Elternzeit abgeben wollen? Ganz ehrlich, nein, hätte ich nicht.

Ich komme morgens leichter aus dem Bett als er, also mache ich die Kinder morgens öfter fertig als er. Bin ich deswegen weniger emanzipiert? Drehe ich die Situation und frage mich, wie es wäre, wenn ich mit einer Freundin in einer WG leben würde, dann würde ich es dort genau so machen. Ich würde abwägen, was jedem von uns mehr liegt, beziehungsweise weniger schwer fällt, und die Aufgaben danach verteilen. Ich koche viel lieber und – sorry – auch besser, sollen wir jetzt aus feministischem Anspruch 3,5 Mal in der Woche sein halbgares Rührei essen? Bloß, damit ich mich emanzipiert fühle? Wo fängt Feminismus eigentlich an?

Bei uns ist es so: Wir verdienen beide eigenes Geld, er (meist) ein bisschen mehr und mit meist geregelten Arbeitszeiten (sprich montags bis freitags im Zeitraum zwischen neun und 19 Uhr.) Ich viel weniger regelmäßig und auch mal am Wochenende, wenn er joggt oder er die Kinder joggt. Ich möchte es genau so haben, wie es ist. Klar, wenn ich gerade an einem spannenden Projekt arbeite, verfluche ich manchmal die Abholzeit, würde gern noch stundenlang weitertexten, weil ich im Flow bin, weil es so viel Spaß macht. Manchmal frage ich ihn dann – und er kann es einrichten. Manchmal hat er einen Termin – und kann es nicht einrichten. Ist er deswegen ein Chauvi? Nein, er ist ein Mensch mit einem Termin. Und sobald ich die Kinder abgeholt habe, freue ich mich, den Arbeitsflow unterbrochen zu haben. Weil sie mich mal wieder dran erinnern, dass es noch mehr gibt als Arbeit. Wenn ich eine Idee für ein neues Projekt habe, überlegen wir gemeinsam, wie wir das umsetzen. Und wenn ich mehr Stunden zu festen Zeiten arbeiten wollen würde, bin ich mir sicher, würden wie zusammen überlegen, wie es ginge. Aber: Ich will es gar nicht anders. Bin ich deswegen keine Feministin?

Wenn ich zurückdenke, habe ich mich natürlich schon mal von Männern gebremst, belästigt, gedemütigt gefühlt. Genauso aber auch von Frauen. Ich habe das irgendwie einfach nie auf ein Geschlecht geschoben. Vielleicht haben auch meine vier Söhne etwas in mir verändert. Gerade wenn ich sie sehe, denke ich, ich möchte viel lieber gemeinsam versuchen etwas zu verändern, anstatt feministische Parolen zu schwingen oder strenge Videos zu teilen und mir darüber Gedanken zu machen, ob Männer von uns Frauen wirklich erwarten, dass wir ständig perfekt geschminkt sind (meiner nicht!).


In meiner Blase kenne ich viele Frauen, die weniger verdienen als ihre Männer. Aber viele möchten eben auch weniger arbeiten, als ihre Männer. Ich kenne viele, die wie ich nicht einen Tag der Elternzeit abgeben wollten. Und ich kenne einige, die sie sich mit ihrem Mann gleichmäßig aufgeteilt haben. Ich habe das Gefühl in meiner Blase ist heute fast alles möglich. Ich habe mich noch nie komisch gefühlt, weil mich jemand abends auf einem Event gefragt hat, wo die Kinder sind. Ich nehme das als normale Smalltalkfrage. Ich rege mich selten darüber auf, dass ich wieder mal einmal mehr die Geschirrspülmaschine ausgepacke. Ich denke: Mal macht einer mehr, mal der andere. Mal geht er zum Elternabend, mal ich. Ich kenne übrigens einige Freundinnen, die unbedingt wollen, dass ihre Männer das Geschirr öfter ausräumen – sich dann aber darüber beklagen, dass es nicht richtig einsortiert wird. Ich kenne auch einige, die während der Babyzeit akribisch gematschten Brokkoli im Kühlschrank stapeln und per Whats-App exakte Brokkoli-Fütter-Erinnerungen verschicken – statt ihre Zeit zu genießen. Sind diese Frauen damit Feministinnen?

Ich denke, wenn wir Gleichberechtigung wollen, dann müssen wir akzeptieren, dass Männer und Frauen, nein, dass Menschen Dinge unterschiedlich tun. Da gibt es statt einem liebevoll verpackten Geschenk mit Lutscher und Karte obendrauf zum Kindergeburtstag vielleicht bloß ein Tüte mit einem unverpackten Geschenk drin. (Achtung, vielleicht auch schon wieder Klischee, meine Jungs packen nämlich total gern Geschenke ein!) Oder ist das nicht feministisch?

Apropos: Ich habe vier Söhne. Wenn ich Statements lese wie: „The future is female!”, dann bekomme ich Bauchschmerzen und denke: Und wo bleiben meine Söhne? Dürfen sie die Zukunft nicht prägen? Mitentscheiden? Ihre Träume leben? Auf dem feministischen Instagram-Account “Missionfemale” wird gefragt: “Wie können sich Frauen gegenseitig stärken?” Und ich denke, ja, klar ist das wichtig. Aber ist es nicht noch wichtiger zu fragen: “Wie können wir uns gegenseitig stärken?” Hey: The future is human! Oder nicht? Natürlich profitieren auch Jungs und Männer vom Aufbrechen veralteter Rollenklischees.

Allerdings: Geben wir nicht alle mal mehr und mal weniger in Beziehungen? Egal ob in einer Liebesbeziehung mit einem Mann oder eine Frau, in Freundschaften oder als Familie mit Kindern. Wahrscheinlich geben wir sogar gern mehr, sobald wir lieben. Manchmal wird mir in Frauenrunden und Social Media ein bisschen zu viel gemotzt.

Gibt es den sesselpupsenden Chauvi, der sich das Bier bringen lässt, wirklich noch? Dem sollte garantiert niemand ein Bier bringen. In meinem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis gibt’s den zum Glück nicht. Aber es gibt Familienmitglieder und Freunde, sogar männliche, denen ich gern ein Bier mitbringe, wenn sie schon gemütlich auf dem Sofa sitzen und ich noch stehe. Genau wie sie es andersrum auch machen. Und ich fühle mich kein bisschen schlecht dabei… Bin ich dann noch Feministin?

Noch was, nur kurz, weil das auch immer wieder aufploppt: Vergewaltigung, Mord an Frauen und sexuelle Belästigung ist für mich ein Verbrechen. Das furchtbar zu finden und aufs Schärfste abzulehnen hat für mich nichts mit Feminismus zu tun. Sondern mit Mensch sein.

Fakt ist – und das ist verdammt traurig: Vielen Frauen geht es nicht wie mir in meiner Blase. In einer kleinen Umfrage auf meinem Instagram Account sagen zwar 61 Prozent meiner Leserinnen, sie würden sich in ihrem Alltag nicht aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt fühlen. 39 Prozent tun es aber – und das ist natürlich viel zu viel. Mir ist klar geworden, dass nicht nur ich in einer Gleichberechtigungsblase lebe, sondern dass es scheinbar eine Akademiker-Gleichberechtigung gibt – zumindest in Bezug auf Familie. Fakt ist auch: Es gibt viele Frauen, die aufgrund ihres Geschlechts schlechter bezahlt werden. Es gibt viel zu viele Branchen, in denen Frauen tatsächlich aufgrund ihres Geschlechts weniger ernst genommen werden.

Ein paar Beispiele von Leserinnen, warum sie sich in ihrem Alltag in ihrer Rolle als Frau benachteiligt fühlen:
– In jedem Bewerbungsgespräch werde ich nach der Betreuungssituation gefragt. Mein Mann nie.
– Dass ich mich immer um die Geburtstagsgeschenke kümmern muss.
– Ich habe nachts auf der Straße wirklich Angst. Männer nie, oder?
– Meine Carearbeit wird nicht gelobt.
– Man(n) nimmt mich in Besprechungen weniger ernst.
– Die Handwerker auf unserer Baustelle reden nicht mit mir.
– Weniger Gehalt!
– Es kriegt doch ein Mann meinen Traumjob – weil ich gerade geheiratet habe?
– Es nervt, wie viele ältere Männer in höheren Positionen sich aufführen.
– Männerklamotten sind viel günstiger als Sachen für Frauen.
– Ich fühle mich als Frau von weiblichen Chefinnen schlechter behandelt als meine männlichen Kollegen.
– Ich verdiene 25 Prozent weniger als meine männlichen Kollegen.
– Ich trage einfach mehr mentale Last als mein Mann.
– Meine Kollegen nennen mich tatsächlich  “Liebchen” und “Kleines”.
– Ich werde im Job viel langsamer befördert als meine Kollegen.
– Ich habe Angst vor der Rente.

Die allermeisten Benachteiligungen haben in meiner Umfrage mit dem Thema Job, Gehalt und Rentenangst zu tun. Aus diesem Bereich habe ich Geschichten von euch gehört, da schlackern mir die Ohren. Am Zweitmeisten: Mental Load. Auch in diesem Bereich fühlen sich viele Frauen irre belastet. (Ich mich auch oft – allerdings schiebe ich es vermutlich  nicht auf die Männer. Sondern auf das Leben an sich.) Ich fühle mich also plötzlich ganz schön unwohl in meiner gleichberechtigten Blase. Weil es nicht allen so gut geht. Ich möchte unbedingt mehr wissen! Und ich möchte gern etwas tun. Ich habe eine ganze Weile überlegt, was. Ich fühle mich leider weit entfernt von den betreffenden Branchen. Aber hier kommt ihr ins Spiel!

Ich würde gern eure Geschichte hören und unter dem Arbeitstitel “Feminismus und ich” viele verschiedene Erfahrungen sammeln. Das können kleine Erlebnisse in Sachen Gleichberechtigung oder fehlender Gleichberechtigung sein, die ihr erlebt habt. Aber auch eure feministischen Gedanken oder die Geschichte, warum ihr Feministin wurdet. Habt ihr Lust? Ich würde mich sooo freuen, an diesem Thema mit euch weiter arbeiten zu können. Vielleicht können wir – wer weiß – durch Aufklärung sogar etwas verändern. Mailt mir gern einen kurzen Überblick über eure Sichtweise oder Geschichte oder euer Erlebnis an: post@wasfuermich.de. Ach ja, das geht natürlich alles auch anonym! Wir schauen jeweils gemeinsam, was wir draus machen.

PS. SO schön, wieder hier zu sein!
PPS. Ich glaube, ich bin einfach vor allem Menschistin.
PPPS. Die abgebildeten Zitate sind Kommentare zu einer meiner Stories zum Thema auf Instagram.

Alles Liebe,

Claudi