Ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag, an dem wir in unser Haus eingezogen sind. Vorher hatten wir in einem Ikea-Flohmarkt-Mix gelebt, aber mit Umzug wollte ich es fancy. Aufgewachsen bin ich damit nicht. Meine Eltern leben ihr Leben lang weit weg von Style. Ich aber hatte die letzten Jahre bewusst gespart und shoppte jetzt los. Ein paar Möbel und Deko die auf Instafotos gerade im Trend waren. Allerdings merkte ich schnell: Fancy per Fingerschnips geht nicht…

Staub und Schokoflecken und Sabberlätzchen machen vor Fancyness nämlich nicht halt.

Und: Was heute fancy ist, ist es morgen schon nicht mehr. Wer also ein wirklich fancy zuhause möchte, der muss ständig ran: Saugen, schrubben und sanieren. Der muss aus seinem Zuhause ein Projekt machen. Wir leben aber mehr, anstatt zu wohnen. So lag unser fancy Sofa erst voller Spielzeug, inzwischen liegt sogar die Lehne daneben. Voller Spielzeug liegt es immer noch. Ich habe Freundinnen, da ist sogar die Dreifachsteckdose fancy, also stylisch. Einfach, weil es ihnen Freude macht.

Zu Katias Artikel über ihre Woche bekamen wir jede Menge Nachrichten. Gleich mehrere schrieben: „Wie fancy kann bitte ein Leben sein?“ Und Sachen wie: „Ich staune immer wieder, was Blogger und Co für ein fancy Leben leben. Mit meinem unfancy Job in der Pflege hat das hier alles wenig zu tun.“ Meint fancy also schick? Luxeriös? Ich denke seither ständig darüber nach.

Der Duden beschriebt „fancy“ mit „schick, ausgefallen, modisch“. Aber für unsere Community meint fancy offensichtlich mehr. Um Dinge geht es schließlich gar nicht. Bezeichnen wir also vor allem eine Art zu leben als fancy? Oder sogar eine Lebenseinstellung? Ist es der Wunsch nach Selbsterfüllung? Nach Abwechslung?

Was bitte macht ein Leben fancy?

Sind es bestimmte Städte? Bestimmte Jobs? Nein, oder? Und wer bestimmt, dass ein Leben, in dem man acht Stunden in ein Büro geht, weniger fancy ist, als eins, in dem man im Schlafanzug im Homeoffice auf der Couch lümmelt? Denn das machen Blogger ebenfalls ständig. Steckt in der Zuschreibung fancy vielleicht auch eine Unzufriedenheit über die eigene Lebenssituation?

In meinem Leben zum Beispiel gibt es sicher einige Dinge, die andere als fancy empfinden. Unsere Reisen zum Beispiel. Die sind nicht immer luxeriös, aber wir reisen sehr viel, weil mir mein Job tollerweise die Möglichkeit dafür gibt und André sich seinen glücklicherweise einteilen kann. Reisen lieben wir, dafür leben wir mit der kaputten Couch, dafür legen wir viele Nachtschichten ein. Denn: Der Wunsch nach vielen Reisen und der Wunsch nach einem gechillten Alltag passen nicht zusammen. Alles geht nämlich nun mal leider (meistens) nicht. Trotzdem sehne ich mich öfter nach einem Job in Teilzeit, mit festen Zeiten und festem Gehalt. Alles hat eben seine Vor- und Nachteile. Was richtig Mist ist: Sehr viel arbeiten und dennoch wenig verdienen, wie zum Beispiel in der Pflege. Da müssen wir als Gesellschaft dringend ran.

Ich kam an diesem Punkt mit Denken über Fancyness nicht weiter und googelte nochmal.

Und siehe da, ich entdeckte den Sänger Fancy, der in den 80ern ein paar Hits hatte. Ihn kannte ich nicht, aber sehr wohl seine Stimme. Lustig auch, dass es das Adjektiv fancy damals ganz sicher noch nicht in unsere Alltagssprache geschafft hatte.

Fancy sagte damals, dass sein Name für Freiheit stehe. Und dass jeder Mensch die Möglichkeit habe, sein Leben in die Hand zu nehmen. „Wir“, betonte Fancy im Interview, „sind alle fancy.“ Ist es vielleicht wirklich das? Freiheit aka Selbstbestimmung?

Fakt ist, dass es auch in einem fancy Leben Sabber, Staub und Spinnweben, Streit, Frust und Trauer gibt. Und ganz sicher keine Garantie für Glück. Fancy hat weniger mit einem bestimmten Sofa, Tasse oder Art von Urlaub zu tun, oder? Ist es also vielleicht nur unsere Einstellung, die etwas fancy macht? Und noch was: Wir haben es alle es in der Hand, unser Leben in die Hand zu nehmen. Auch nach Feierabend…

Oder was denkt ihr?

Claudi