„Na ja“, meinte sie und hob ihr Kinn, „eure Böden sind schon teilweise grenzwertig.“ Ich schluckte und schaute beschämt auf unsere krümelgesprenkelten Dielen. Erst später fiel mir auf, dass meine Freundin damit meine Grenze überschritten hatte. Nicht weil sie Unrecht hatte. Sondern weil sie Recht hatte. Und ich frage mich bis heute: „Wie ehrlich sollten Freunde sein?“ Beziehungsweise: Was sollten sich Freunde sagen – und was besser nicht…?
Den eigentlichen Impuls für diesen Text gab mir ein Kalenderblatt: „Wer sich über Kritik ärgert, gibt zu, dass sie verdient war.“ Bei mir im Kopf blinkten sofort Krümel auf. Gleich mehrere Sätze schossen mir in den Kopf, die ich mal von Freunden und Familie gehört und danach nie wieder vergessen habe. Was erstaunlich ist, bei all den Milliarden von Worten und Sätzen, die uns täglich um die Ohren fliegen.
Es gibt Menschen, die hauen einem ungefragt alles um die Ohren.
„Ich darf doch meine Meinung sagen!“, ist ihre Meinung dazu. Ich stand schon öfter da und ärgerte mich im Nachhinein, dass mir im ersten, baffen Moment kein kompetenter Gegenspruch einfiel. Und dass ich scheinbar leider so doof empfindlich bin. Denn sollten Freunde nicht ehrlich sein?
Der Psychologe Rolf Schmiel sagte einmal in einem Interview: „Echte Freunde dürfen dir in den Hintern treten und dich in den Arm nehmen.“ Und ja, manchmal habe auch ich das Gefühl, dass Konflikte und Ehrlichkeit Freundschaften auf einen innigeres Level katapultieren? Mir fallen unzählige Situationen ein, in denen ich dankbar bin, dass mir jemand die Wahrheit gesagt hat. Aber auch Dutzende, die mich verletzt haben. Was macht den Unterschied?
Hätte ich auf eine Freundin gehört, wäre ich heute nicht mit meinem Mann verheiratet.
„Zu jung, zu verspielt…!“, hatte sie damals gemeint. Ich bin heute sehr glücklich – und denke daher grinsend an diesen Tipp zurück. Und ja, ich hatte sie nach ihrer Meinung gefragt, wir waren uns sehr nah und es war die richtige Situation, um sowas anmerken zu dürfen. Ich war dankbar, denn sie gab mir die Möglichkeit, nochmal kritisch über so eine krasse Entscheidung wie „für immer“ nachzudenken.
Doch das Ufer ist unsicher: Was kann und sollte ich sagen? Was für mich behalten? Muss ich meiner Freundin mitteilen, dass mir ihr Unkraut zu lang ist? Dass ich ihren Job für überflüssig halte? Dass ich finde, dass ihr Baby Ähnlichkeit mit Steve Urkel hat? Dass ihr das neue Kleid überhaupt nicht steht? Dass ich das Gefühl habe, sie verhätschele ihr Kind?
Freundschaft heißt, einen Menschen so hinzunehmen, wie er ist.
So wie eine Ehe keinen Sinn macht, wenn ich ständig an meinem Partner herumkritisiere. Wahrheit braucht zudem den richtigen Zeitpunkt. Und manche Punkte brauchen keine Wahrheit. Die Wahrheit meiner Freundin war ihre Wahrheit. Auch wenn sie nach gesellschaftskonformen Maßstäben sicher viele finden würde, die ihr Recht gäben. Aber wer ständig kritisiert, sorgt dafür, dass Gespräche oberflächlich werden.
Oft tut ausgesprochene Kritik vor allem weh, die mich etwas vorher schon piekste. Oder ich das Gefühl habe, die Person hat überhaupt keine Ahnung von meinem Leben. Bei der Freundin mit der Fußbodenkritik waren die Böden tatsächlich tadellos. Allerdings hatte sie seit der Geburt ihres Kindes nicht mehr gearbeitet, eigentlich noch nie so richtig. Im Gegensatz zu mir hatte sie bloß eine Wohnung zum Vollkrümeln statt ein Haus, nur ein Kinder statt vier und nur einen Carearbeit Job, statt wie ich eine Selbstständigkeit plus einen Job als Lehrerin.
Es war mir vorher nicht in den Sinn gekommen und ich hätte mir niemals angemaßt, ihr Leben als leichter zu betiteln. Aber nach diesem Spruch habe ich mich hundertmal geärgert, dass ich ihr diese Gedanken nicht ebenfalls um die (sauberen!) Ohren geworfen habe. Vielleicht habe ich als Einzelkind aber auch einfach nie so richtig gelernt, dass man sich heftige Sachen sagen und danach trotzdem wieder gut miteinander sein kann?
Ich glaube, heute wäre es anders.
Weil ich weiß, dass es mir damals eigentlich bloß so weh getan hat, weil mich die Krümel selbst so störten. Weil ich damals noch glaubte, dass alles ginge: Vier Kinder plus zwei Jobs plus perfektes Haus. Heute akzeptiere ich die Krümel, weil mir vieles wichtiger ist, als sie wegzufegen. Und ich erkannt habe, dass mein Selbstwert nicht von Krümelfreiheit abhängt, sondern dass ich die Freiheit habe, meine Krümel zu wählen.
Wie ehrlich sollten wir also sein? Wie raushaufreudig? Für mich ist ein wichtiger Indikator, ob mich jemand nach meiner Meinung fragt. Eine Freundin erzählte mir mal traurig, dass eine Freundin sie vor Jahren verwundert gemustert und gesagt hätte, dass es schon erstaunlich wäre, dass so kleine Brüste wie ihre hängen könnten. Bis heute schnürt sie deshalb ihren Busen hoch, denkt bei jedem Blick in den Spiegel dran.
„Aber wolltest du denn wissen, wie sie deine Brüste findet?“, fragte ich entsetzt.
Wollte sie nicht. Vielleicht ist das das Geheimnis? Auch Psychologe Ralf Schmiel rät Ähnliches. Auf die Frage, ob man seiner Freundin stecken solle, dass man ihren neuen Partner nicht leiden kann, rät er: „Wenn man etwas Ungutes über diesen Menschen weiß, eine schlechte Erfahrung mit ihm gemacht hat oder es irgendwas Konkretes gibt, dann raus damit. Ist das Nichtmögen bloß ein Gefühl, dann lieber Mund halten.“
Wie ehrlich seid ihr? Und wie viel Ehrlichkeit wünscht ihr euch?
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Alles Liebe,
Hallo liebe Claudi,
Wiedereinmal ein ganz spannender Text…danke dafür !
Wenn man gut befreundet ist, dann gehe ich davon aus, dass man sich auch gut kennt. Das heisst für mich ganz persönlich, dass Wahrheiten die den anderen verletzten könnten überhaupt nicht gehen ! Denn man will ja seine Freundin nicht verletzen. Die Sachen die du beschrieben hast, sind für mich ganz klare Grenzüberscheitungen, bei denen ich sogar denke, ob es sich hier um wirkliche Freundschaft handelt. Wenn ich nicht explizit um eine Meinung gefragt werde, äussere ich mich nicht zu solchen Dingen, denn sie gehen mich auch nichts an. Als gute Freundin unterstütze ich meine Freundinnen in ihrem sein und ” liebe ” sie, so wie sie sind.
Ich denke Leute die solche Äusserungen machen, haben selber mit etwas zu kämpfen oder sind sogar eifersüchtig…..
Zwei Aussagen die mir in solchen Themen immer sehr helfen;
1. Ein Mensch beurteilt einen andern Menschen nur immer so gut, wie er sich selber sieht.
2. Man kann getrost so sein wie man ist, denn die Anderen denken sowieso was sie wollen !
Ich finde es zur Zeit ganz scheusslich, dass soviele Menschen das Gefühl haben, immer und überall, ihre Meinung kuntun zu müssen, obwohl es sich vielleicht um eine Form von Wahrheit handelt, nehmen solche Leute überhaupt keine Rücksicht mehr, auf die Gefühle von Anderen. Die Wahrheit ist gut , aber nicht perse Gerecht. Man solte Solche Dinge mit den Augen der Liebe sehen, es würde uns allen so viel besser gehen….
Alles Liebe,
Grüsse aus der Schweiz
Christina
Liebe Christina, sehr spannend, ich danke dir für deine Gedanken. Besonders Punkt 2 finde ich sehr inspirierend.
Alles Liebe,
Claudi
Guten Morgen,
ich habe erst kürzlich darüber nachgedacht, weil wir Besuch hatten von einem Freund mit Freundin und Kind. Ihr Kind ist zögerlich und ruhig, unsere laut und wild. Die Freundin hat sich dann bemüßigt gefühlt, ständig aus dem Off das Verhalten unserer Kinder zu kommentieren. Und zwar immer nur ihrem Freund gegenüber und so laut, dass wir anderen es hören konnten. z.B. „anstrengend, oder?“. Das hat sowohl die Kinder als auch uns echt gekränkt, zumal alles völlig im Rahmen war und sie bei uns zuhause und nicht andersrum.
Ich finde, es ist immer die Frage, wie gut man jemanden kennt und ob man einschätzen kann, wie die Kritik aufgenommen wird. Und auch wie man sie formulieren muss, damit sie nicht passiv aggressiv/ arrogant/ verletzend rüberkommt. Die Krümel am Boden anzusprechen ist doch echt mal keine konstruktive Kritik sondern, wie in unserem Fall, einfach nur ein überhebliches „das kann ich aber besser als Du“. Als echte Freundin, die um das Wohl des Anderen besorgt ist, hätte sie ja auch genausogut sagen können „Du hast grade ganz schön viel zu tun, oder?“ Und dann kann man sich ggf. über das Thema Hilfe im Haushalt austauschen. Bewusst jemanden verletzen ist ein totales Nogo unter Freunden und es angeblich „nicht so zu meinen“, obwohl man das Gegenüber ausreichend gut kennt, um zu wissen, dass es als Kränkung ankommt, genauso!!!
Liebe Grüße, Susanne
Liebe Susanne, oh wow, danke für dieses Beispiel. Ich kann dein Unwohlsein gut verstehen!
Und was für eine tolle Inspiration, die Dinge anders anzusprechen, um sie ganz anders wirken zu lassen.
Das merke ich mir!
Ganz liebe Grüße,
Claudi
Für mich sind Freunde (vielleicht mehr noch als der eigene Partner) dafür da einander zu bestärken. Einander Mut zu machen, zu versuchen sich gegenseitig weiter zu bringen.
Das muss nicht heißen dem Anderen nach dem Mund zu reden. Das kann auch bedeuten, dass man im RICHTIGEN Moment vorsichtig einen alternativen Weg aufzeigt. Wenn man wirklich das Gefühl hat, dass das den Anderen weiterbringen könnte.
Aber ich glaube dafür braucht es Vertrauen und genug Erfahrung miteinander, um gut einschätzen zu können wo die Schmerzgrenzen des Anderen liegen.
Denn was heißt schon Wahrheit? Und wer maßt sich an, seine eigenen Vorstellungen von Richtig und Falsch auf alle Anderen genauso anzuwenden?
Ich glaube, dass wir alle etwas aus der Übung sind nach den letzten Jahren. Aus der Übung damit, sensibel miteinander zu sein. Aber auch selbst nicht alles so persönlich zu nehmen.
Ich merke in meinem Alltag momentan so oft wie schnell ich angefasst bin von Kleinigkeiten, und wie wenig routiniert ich im Umgang mit vielen Menschen und Ihren Befindlichkeiten geworden bin. Alles fühlt sich irgendwie holperiger an. Umso mehr versuche ich aber umsichtig und nett zu sein. Denn ich weiß von so vielen, denen es ähnlich geht…
Oh wow, so viele spannende Aspekte. Ich danke dir für deine Gedanken!
Alles Liebe,
Claudi
Alte Kommunikationsregel, immer bei mir bleiben. Mich würden die Krümel stören, aber wenn es für dich okay ist… Ich empfehle einen Saugroboter, der nachts seine Runde dreht-fertig!
Haha, haben wir schon. Allerdings müssen wir vorher alles hochstellen – und daran scheitert es dann oft.
Dafür haben André und ich nach unserem abendlichen Couchoffice oft keine Kraft mehr.
Aber ja klar, alles eine Sache der Prioritäten.
Liebe Grüße,
Claudi
Mein Bruder und ich können sehr ehrlich miteinander sein- das kann einen manchmal voranbringen und Denkanstöße geben, es war aber auch schon auf brutale Weise verletzend, wenn der Gegenüber alles einfach raus haut, ohne an Kommunikationsregeln zu denken. Ehrlich gesagt, kann ich diese Art nur ihm verzeihen- bei Freunden bin ich da weniger verständnisvoll. Ich wünsche mir von Freunden, dass Kritik nicht völlig ungefiltert kommt und möglichst positiv formuliert wird. Da achte ich bei mir selbst auch drauf. Denn ansonsten ist Kritik verletzend. Freundschaft soll stützen, trösten und halten – nicht verletzen, dann sind es keine Freunde. Dann darf man auch „aussortieren“, so hart es klingt, aber wenn ich mich oft über blöde Sprüche ärgere, muss ich die „Beziehung“ überdenken.
P.S. Vielleicht war deine Freundin auch sehr unglücklich mit ihrer eigenen Situation, und du wuppst so viel gleichzeitige.
Viele Grüße, Katrin
Liebe Katrin, vielen Dank für deine Gedanken. So spannend. Ja, es gibt Menschen, von denen darf mehr Kritik sein. Vielleich, weil sie es unterstützend und aufbauend formulieren. Ich benutze zum Beispiel seit eines solchen Gesprächs keine Filter mehr auf Instagram. Bin total froh über die ehrliche Kritik.
Von Geschwisterpaaren habe ich solch eine Ehrlichkeit schon oft gehört, zu schade, dass ich keine habe.
Alles Liebe,
Claudi
Oh, oh… das mit den Krümeln würde bei mir auch total reinhauen. – Genauso schlimm fand ich es aber letztens, als eine Freundin, die länger nicht bei uns war, gleich beim Reinkommen meinte: “Mensch, das ist ja ordentlich bei euch!” 😀 Das zweispältige Lob hat nämlich auch so seine Tücken.
Ich versuche, erstmal auf die Beziehungsebene zu schauen: ist es für meine Beziehung zu diesem Menschen wichtig, dass ich meine Kritik loswerde? Das finde ich immer total hilfreich für eine erste Einordnung.
Und wer mich kritisieren will, kommt am besten mit einer ich-Botschaft in geschützem, persönlichen Rahmen an meinem Selbstverteidigungsreflex vorbei 😉
Genauer nachfragen finde ich auch eine gute Alternative, statt direkt zu kritisieren.
Haha, das kenne ich auch. Kann mich dann aber doch eher drüber freuen.
Verrückterweise finde ich es bei vielen Freundinnen gar nicht schlimm, wenn sie etwas über Krümel erzählen.
Ich glaube aber, weil ich weiß, dass sie selbst oft Krümel oder Ähnliches rumliegen haben.
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudia,
ich war auch sehr lange Zeit eine Person, die sehr direkt ausgesprochen hat, was sie denkt, aber tatsächlich habe ich irgendwann begriffen, dass nur ich mir selbst damit ein moralisch gutes Gefühl verschaffe/verschaffen wollte. Umzudenken und nicht direkt zu urteilen und meine Ansicht oder Wahrheit als die ultimative zu sehen, dabei hat mir ein Text von Max Frisch sehr geholfen. In diesem heißt es: Ich muss dem anderen die (oder auch meine) Wahrheit so hinhalten, dass er wie in einen Mantel hineinschlüpfen kann. Finde ich ein sehr schönes Bild, denn manchmal braucht oder möchte der Andere ja vielleicht auch keinen Mantel.
Mir selbst ist eine ähnliche Situation passiert wie dir und bis heute kann ich sie nicht vergessen. Als gerade unser zweiter Sohn ca. 7 Monate war, der Ältere 3 und der Stiefsohn 10, stand meine Mutter bei uns in der Küche und sagte, bei uns sei es so ekelig, hier könnte sie nichts essen. Dazu muss man sagen, dass meine Eltern auch vorher schon häufig dauernd ihr eigenes Essen mitgebracht hatten und ich behaupte, dass das an ihnen und nicht an unserer Küche oder unserem Essen lag. Trotzdem hat mich das und noch mehr, wie sie es gesagt hat, verletzt. Weil ich nämlich sicher nicht in einem Haushalt aufgewachsen bin, in dem sie als alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern immer alles picobello sauber hatte oder es nur gesundes und vollwertiges Essen oder so gab. Bis heute habe ich sie nicht mehr in unser Haus gelassen, geschweige denn zum Essen eingeladen. Ich hätte mir Verständnis und bestenfalls Unterstützung in dieser Situation gewünscht. Inzwischen weiß ich mich zu hüten, anderen solche bewertenden Urteile an den Kopf zu werfen, es ist schlimm genug, dass sie in meinem Kopf noch auftauchen, daran arbeite ich noch ;-), denn man weiß nie, in welche Situationen man mal kommt.
Oh ja, Max Frischs Zitat habe ich im Laufe der Recherche für diesen Artikel auch gelesen und fand es auch ein schönes Bild.
Ich danke dir für deine Geschichte und ja, absolut verständlich und traurig was man mit so Äußerungen kaputt machen kann.
Merke ich mir gleich für später, wenn ich meine Kinder besuche.
Liebe Grüße,
Claudi
Toller Beitrag. Ich mag auch Ehrlichkeit, und würde, wenn ich von Freunden nach meiner Meinung gefragt werde diese auch geben. Ein echtes Problem habe ich mit ungefragtem Feedback…. Wenn schon ein Satz mit „wenn du mich fragst“ anfängt, möchte am liebsten immer schnell antworten „tue ich aber nicht“ und manchmal mache ich es auch. Klar gibt es auch mal ungefragte Meinungen, die ihre Berechtigung haben, wenn man zb das Gefühl hat einer Freundin gehe es nicht gut oder sie stehe davor eine Fehler mit Tragweite zu machen etc. aber das ist dann ein Weg, der immer vorsichtig gegangen werden sollte. Und wie du so toll schreibst „Wahrheit braucht zudem den richtigen Zeitpunkt. Und manche Punkte brauchen keine Wahrheit. Die Wahrheit meiner Freundin war ihre Wahrheit.“ Wir sollten also meiner Meinung noch mit dem Teilen unserer Wahrheiten sparsam umgehen…
Ich danke dir für deine Gedanken!
Alles Liebe,
Claudi
Danke Claudia, das ist ein wirklich schöner Text der mich auch noch einmal zurückblicken lässt.
Mein Mann und ich hatten auch mal solche Freude die ihren Spaß daran fanden uns ungefragt zu allem ihre Meinung zu präsentieren im sinne von “Gab es die Kommode auch in schick?”
Als Spaß verpackt, sagten Sie uns einmal das es bei uns schmuddelig sei. Jeder Teller, jede Tasse wurde vor Gebrauch auf irgendwelche Flecken untersucht, jede Macke an den Fussleisten bemerkt, jedes bisschen Unkraut und wie wir überhaupt den Kindern erlauben können im Sommer mit Sandalen durchs Haus zu laufen, dann ist es ja kein Wunder dass unser Boden so aussieht.
All das war nicht allein ausschlaggebend für das Ende unserer Freundschaft, aber ich bin froh mich von Ihnen distanziert zu haben.
Mich hat das so getroffen, einmal saß ich Abends weinend am Esstisch nachdem Sie bei uns waren. Ich war natürlich auch empfindlich und hab in jedem Satz etwas Negatives gehört, das muss ich zugeben, aber es war schlimm.
Vor jeden Date mit denen haben wir gefühlt 3 Tage vorher angefangen jede Ritze zu Putzen bis ich irgendwann Samstag mit Kärcher in der Hand vor dem Küchenfenster stand und mich fragte, was ich hier eigentlich gerade mache. Ich habe mein Handy gezückt uns spontan abgesagt.
Wir haben unser Haus saniert, sie selber wohnen in einem nigelnagel neuen Fertighaus wo alles was Dreck machen könnte untersagt ist. Kein Baum zu Weihnachten, keinen Sandkasten, keine Seifenblasen, keine Bastelnachmittage, ein Tier schon gar nicht und Backen mit den Kindern macht auch nur Dreck, da lässt man es lieber.
Manchmal passt man einfach nicht zusammen und mittlerweile kann ich sagen: Bei uns ist es nicht schmuddelig, aber hier darf gelebt werden und ich hab keine Lust jedes Glas auf Hochglanz zu polieren damit meine Freunde glücklich sind.
Oh je, ich danke dir für deine Geschichte. Wahrscheinlich kennt tatsächlich jeder von uns Menschen, die permanent solche Sprüche raushauen, oder? Verrückt! Je nach meiner Stimmung kann ich es manchmal mit “der/die ist eben so” entschuldigen. Oder es trifft mich.
Und yeah, ich liebe deinen letzten Absatz!!!!
Liebste Grüße,
Claudi
Ganz ehrlich, ungefragt Kritik kann ich nicht so gut haben, auch wenn mir selber mal was rausrutscht, was ich später bereue. Entschuldige mich dann aber auch ohne weiteres, weil ich selbst so übergriffige Kommentare nicht mag. Vor allem wenn es um Ordnung im Haushalt oder das Aussehen geht sollte man sich zurück halten. Denn was hat denn das Gegenüber für einen Mehrwert aus solchen Kommentaren? Bei mir hat mal eine Nachbarin einfach meine Schubladen Ordnung in der Küche geändert, weil es ihrer Meinung nach alles unsinnig u chaotisch sortiert war! War noch nicht mal eine enge Freundin, aber was soll sowas bitte? Ich verstehe nicht, was so was bringt. Dafür soll man dann noch dankbsr sein? Und dann kommt immer die Keule “ich wollte nur ehrlich sein und helfen/Tipps geben “. Die Grenze zu Übergriffigkeit ist echt eng. Der einzige der mir wirklich immer alles ungefragt an den Kopf knallen darf, ist mein Zwillingsbruder. Aber 1. weiß ich bei ihm immer, wie es gemeint ist und dass wir uns sowieso liebhaben ohne es einander beweisen zu müssen und 2.hat er so eine besondere Gabe, fast alles so sagen zu können, dass es immer noch charmant rüber kommt (das sag nicht nur ich,er kann das einfach…weiß auchnicht, wie.).
Liebe Claudi,
vielen Dank für deinen tollen Text, der mir total aus dem Herzen spricht. Ich finde auch, dass Freundschaften vorallem zum Bestärken und Unterstützen da sind. Jmd. die Wahrheit sagen klingt ja erstmal so toll, aber wie du sagst, ist es meistens sehr verletzend und wenig aufbauend. Wenn jmd. so gestrickt ist, erfährt er ganz wenig von mir, da mache ich quasi dicht. Wenn ich aber bei einer Freundin, das Gefühl habe, dass sie zuhört und bestärkt teile ich gerne Geheimnisse, Sorgen und Zweifel.
So entsteht für mich auch Vertrauen und Nähe, aus dem Wissen, dass ich nicht perfekt bin, mein Leben nicht, aber mich jmd. genauso annimmt und gar nicht weiter bohren muss, jede „Wahrheit“ aus meinem Leben wissen muss oder Meinungen ungefragt kundtun muss. Ich ärgere mich immer sehr, wenn ich mich bei dummen Kommentaren auch noch rechtfertige. Meine Schwiegermutter kam neulich bei uns in den Garten und meinte direkt:“ oh, die Pflanze hätte ich da nicht hingesetzt, sieht ja nicht schön aus“. Ich dann noch groß erklärt, warum das ein guter Standort sei anstatt sie mal zu fragen, warum sie das jetzt sagt?!?! Ich kann schwer nachvollziehen, warum sich manche Menschen ungefragt dazu befähigt fühlen Kritik zu äußern.
Ich kann deine Reaktion auf die Krümmel Kritik sehr gut nachvollziehen. Mir hat neulich jmd. den Tipp gegeben, das gegenüber dann einfach zu fragen: „warum sagst du das jetzt?“.
Lg, Mathilda
Liebe Mathilda, das stimmt. Das habe ich mir auch auch vorgenommen: Entweder nen derben Spruch zurückwerfen – oder versuchen, es mit Humor zu nehmen.
Aber bloß keine Rechtfertigungen.
Und ja, ich gebe dir Recht. Ich werde auch öfter still, wenn ich das Gefühl habe, da wird alles derbe kommentiert.
Ich danke dir sehr für deine Geschichte.
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudi, wie immer lese ich Deine Artikel sehr gerne – nur meistens komme ich wegen der vielen „Krümel“ meiner drei Kinder und die der Nachbarskinder nicht zum Antworten 😉
Heute hatte ich mit so einer von Dir beschriebenen ungefragten Kritik zu tun – allerdings kam die Kritik nicht von einer Freundin, sondern von den Nachbarskindern. Sie benutzen unsere Toilette, essen unsere Kekse, bespielen (natürlich gemeinsam mit unseren Kindern) Haus und Garten und verlassen dieses/n dann zufrieden aber vollgeräumt mit leeren Tellern und Spielsachen um Punkt 18 Uhr (Abendessen!).
Zum Abschied hat mich heute der Nachbarsjunge gefragt „wieso schaut es bei Euch eigentlich immer so aus? Räumt Ihr nie auf?“ und bevor ich antworten konnte, meinte seine Schwester „bei denen schaut’s doch immer so aus“. Ich frage mich nun, ob das einfach nur die unschuldige Sicht einer 4- und eines 7-Jährigen war oder die ihrer Mutter, die ihr Haus den ganzen Nachmittag putzt, während ihre Kinder bei mir spielen. Ich habe beschlossen, dass sie ab morgen ihre Spielsachen bei mir aufräumen müssen, bevor sie nach Hause gehen. Das hätte ich schon längst „einfordern“ müssen…
Zum Thema Ehrlichkeit von FreundInnen: Von einer Freundin bekam ich bei der Geburt meines dritten Kindes keine Glückwünsche sondern den Befehl „jetzt reicht es aber mit den Kindern“. Als sie sich dann zu einem späteren Zeitpunkt auch noch über den Namen lustig machte und mir erklärte, dass nun Schluß sei mit dem Stillen, kränkte mich das. Ich habe sie weder um Rat gefragt noch mag ich diese „direkte Art“ mit der manche glauben, anderen etwas befehlen zu können.
Liebe Grüße, Daniela
PS: Ich mag Deine Beiträge so gerne, weil sie so lebendig und real sind…ohne Filter…und bei Dir (glückliche) barfüßige Kinder mit zerzausten Haaren durch die bröselige Küche und den begleitgrünen Garten flitzen DÜRFEN und Du es nebenbei auch noch schaffst, Deinem eigenen Glück (Beruf) nachzugehen. Win-win für alle! 😘
Liebe Daniela, ich danke dir für deine Geschichte. Ich musste mir sowas auch schon öfter anhören
– und habe es dann auf die ehrliche Unschuldigkeit geschoben. Und auf die Tatsache, dass es bei ihnen tatsächlich viel ordentlicher ist.
Mich tröstet der Gedanke: An was werden sich meine Kinder später wirklich erinnern?
Sich werden sie kaum denken: “Bei uns war immer so schön geputzt.”
Und ganz ehrlich, ich werde das kurz vor meinem Tod wohl auch kaum denken.
Von daher, versuchen wir es mit Humor zu nehmen – zumindest bei den Kids.
Alles Liebe und schön, dass du da bist,
Claudi