Diversität schön und gut, aber wenn ich ehrlich bin: In meiner eigenen Familie macht es mich immer wieder ganz schön fertig, dass nichts – NICHTS! – in der spezifischen Entwicklung meines Kinder-Trios vorhersehbar ist. Nichts davon ist planbar, erwartbar, reproduzierbar schon gar nicht: Was bei Kind eins ein Geheimtipp war, lässt Kind zwei kalt und bringt Kind drei zum Toben. Und nicht zum ersten Mal denke ich: Eine individuelle Gebrauchsanleitung ab Geburt wäre wirklich verdammt hilfreich gewesen…
Aktuell entpuppt sich mein Jüngster als Wundertüte an Emotionen, Verhaltensweisen und Marotten, die mich immer wieder rat- und hilflos zurücklassen. Als wäre ich nicht schon seit einem Jahrzehnt Mutter. Als wäre all die Erfahrung, die ich mir mit den ersten beiden mühsam erarbeitet habe, obsolet. Mal abgesehen von den ganz groben Meilensteinen wie laufen, sprechen, stänkern, ist seine Aneignung der Welt nicht mal ansatzweise mit der seiner Geschwister zu vergleichen.
Ich weiß vorher nie: Ist es nur eine Phase, dass mein Sohn gerade jedes Möbelstück mit Textmarker beschmiert – oder ist er vom Typ her einfach ein kleiner Zerstörer?
Immerhin reißt er auch nach wie vor munter Bücherseiten raus, das haben seine Geschwister schon mit zwei aufgegeben. Wird er jemals das Elternbett verlassen – oder erkämpft er sich noch mit 12 Nacht für Nacht das Recht auf die Besucherritze? Natürlich weiß ich, dass Familie auch ein Synonym für dauernde Dynamik ist, dass alles im ständigen Prozess ist – und doch wünsche ich mir davon mitunter eine kleine Verschnaufpause. Wenn schon keine planbare Entwicklung, dann zumindest die Gewissheit, dass über einen bestimmten Zeitraum – sagen wir drei Monate – alles beim Status Quo bleibt.
Denn meist ist ja nicht mal darauf Verlass, dass eine erlernte und von uns Eltern handhabbare Verhaltensweise eines einzigen Kindes konsistent bleibt. Da kauft man pfundweise Leberwurst, weil es das erklärte Lieblingsessen von Kind eins ist. Nur um sich eine Woche später anzuhören, dass das noch nie geschmeckt habe. Natürlich im Brustton der Überzeugung. Oder man versucht Kind zwei mit einem Schokoriegel zu ködern (funktioniert immer!) – um sich plötzlich anzuhören, dass das schlicht Erpressung sei und nicht zu akzeptieren. Wo sie das jetzt wieder her hat …?
Müssten sich Eltern um einen Job als Mutter oder Vater bewerben, stünde bei den Soft Skills Flexibilität jedenfalls ganz oben.
Denn anders ist dem ganzen Irrsinn oft nicht beizukommen. Außerdem sollte man sich dem Umstand ergeben können, oft mit gefährlichem Halbwissen zu hantieren, gut improvisieren können und Trial-and-Error zur obersten Maxime erklären. Dein erstes Kind liebt Autofahren? Sorry, Kind drei kotzt im Strahl, sobald der Motor läuft. Es ist manchmal ein wenig so, wie mit jedem neuen Kind wieder zum ersten Mal Mama zu werden – nur mit deutlich weniger Kraft, Lunte und Frustrationstoleranz. Manchmal wünschte ich mir, das hätte mir vorher mal jemand gesagt.
Zurück zu Kind drei, dass meinen Erziehungshorizont gerade erstaunlich erweitert. Ich habe mir in den vergangenen Monaten jedenfalls ein beachtliches Repertoire an neuen Repliken zugelegt, die sich um das Thema “Stop heißt Stop” drehen. Die beiden Älteren waren bei weitem nicht so resistent – mein Jüngster bringt mich dabei täglich an meine kreativen und konsequenten Grenzen. Auch in Sachen Ernährung beweist er mir gerade, dass literweise Vanillejoghurt und regelmäßig ein Bund Bananen hintereinanderweg vertilgt eine ausgewogene und für einen Vierjährigen offenbar ausreichende Kost darstellen können. Wieder was gelernt.
Vermutlich könnte ich allmählich einen auflagenstarken Erziehungsratgeber für hilflose Eltern rausgeben.
Die sich in Erwartung von vermeintlich allgemeingültigen Tipps und Tricks in der Handhabung ihres Nachwuchses dann an fremden Erfahrungen abarbeiten. Nur um am Ende festzustellen, dass der ultimative Einschlaftrick bei ihrem Kind zum Tobsuchtsanfall führt.
Was ich sagen will – mir und euch – erwartet alles und nichts. Unsere Kinder sind ein Wunderwerk an individuellen Einfällen, Macken und Handlungen. Sie treiben uns verlässlich an den Rand des Wahnsinns und darüber hinaus. Und die einzig gültige Bedienungsanleitung ist Liebe, Stoizismus – und jede Menge Humor. Oft auch schwarzer.
Für welches Verhalten Eurer Kinder hättet ihr gern eine Gebrauchsanweisung?
Alles Liebe,
Hi Katia,
ich lache mich hier gerade kaputt: dein Dritter scheint ähnlich zu sein wie mein Zweiter. Wobei, das mit dem Sachen anmalen und Bücherseiten ausreißen, das konnte der Erste auch schon gut.
Ich habe inzwischen einiges erlebt zwei Stiefsöhne, die mit 4 und 6 bei uns einzogen), dann hinterher meine eigenen beiden, die inzwischen 4 und 7 sind. Und tatsächlich ähneln sich witzigerweise die Stiefsöhne und die eigenen Söhne jeweils ein bisschen und doch ist es auch wieder ganz anders.
Die Gebrauchsanweisung habe ich noch nicht gefunden, vielleicht ist die normalerweise im Mutterkuchen versteckt 😉 Also unauffindbar 😀
Ich bin sehr gespannt, wie Nummer 3 wird, das kommt im November. Eine ganz neue Art der Herausforderung wäre natürlich plötzlich nach vier Jungs mal ein Mädchen – ich bin schon sehr gespannt.
Danke für en lustigen Beitrag. Humor ist die beste Hilfe, fehlt aber auch manchmal!
Liebe Grüße
Hej liebe Rabea, o wie schön – ich musste auch beim Schreiben Scmunzeln – und Humor ist ja oft ein gutes Ventil für all die Dinge, die im Familienalltag eben auch gewaltig nerven können! O wie spannend, noch mal Nachwuchs – herzlichen Glückwunsch! Da bin ich ja mal gespannt, was das Jüngste so an Macken und Mätzchen mit sich bringt 😉 Alles Liebe für euch, Katia
Oh, ich liebe die Formulierung, dass das Kind “den Erziehungshorizont erstaunlich erweitert”! <3 Die Sache ist zwar anstrengend und oft nervig, aber das mit der Horizonterweiterung stimmt halt auch! 🙂
Und ich mag dein Fazit – Liebe, Stoizismus und Humor. Danke für den tollen Text!
Alles Liebe
Sina
Hej liebe Sina, oh ja, sehr anstrengend und sehr nervig mitunter – aber auch mit viel Lernpotenzial auf allen Seiten… 😉 Danke dir für deine lieben Worte, das freut mich wie immer sehr! Alles Liebe, auf bald, Katia
Ein wirklich toller Artikel. Es lebe der Humor und die Flexibilität. Auch sich selbst zwar wichtig, aber nicht immer so ernst zu nehmen.
Unsere beiden Jungs sind auch absolut unterschiedlich und selbst immer wieder sehr flexibel in ihrem Verhalten :).Während der Grosse schon mit zwei vor jeder Ausfahrt mit dem Laufrad gestoppt ist, rast der Kleine direkt vorbei mit den Worten “Ich muß da durch, ich bin der Held der Erde.”
Ich persönlich finde das ja auch sehr entlastend. Ein Zeichen dafür, dass die Kinder nicht allein durch uns Eltern geformt werden, sondern doch einfach auch schon sehr viel “mitbringen”.
Alles Gute
Lina
Hej liebe Lina, stimmt, das ist wirklich ein guter Gedanke: Dass sowieso nicht alles in unserer Hand liegt, dass unsere Kinder eben Individuen sind mit ihren individuellen Macken. Und ohne Bedienungsanleitung 😉 Danke dir für dein nettes Feedback. Alles Liebe, Katia
Liebe Katia,
nach 3 Mädchen, die ohne Murren Obst und Gemüse und die Mahlzeiten am Tisch essen, mag unser Sohn (Nr 4) ausschließlich Müsli (zu jeder Tageszeit) im Wechsel mit Butterbrot.
Was soll man sagen / machen? Wir richten Müsli und Butterbrote und die Erfahrung zeigt, dass etwas Gelassenheit hier gut tut. Heute war zum Beispiel ein Butterbrot mit Tomaten auf dem Speiseplan 😊
Gutes Durchhalten
Hej liebe Sabine, oh ja, Müsli zu jeder Tages- und Nachzeit ist hier ebenfalls hoch im Kurs. Und scheinbar auch vollkommen ausreichend, um den Nahrungsbedarf meines Jüngsten zu decken. Ab und an noch ein Erdbeereis – und die Welt ist in Ordnung. Danke und ebenfalls, alles Liebe, Katia
Haha, oh ja! So lange man EIN Kind hat denkt man ja auch noch irgendwie „ich hab das einigermaßen heraus, wie das so läuft, wie Kinder so ticken…“ Und man hat echt noch eine hohe Meinung von den eigenen erzieherischen Fähigkeiten, nach dem Motto „Mein Kind isst / schläft / … deshalb brav, weil wir dieses und jenes so und so gemacht / nicht gemacht haben…“
Und dann: BÄM! Kommt ein weiteres Kind, von den exakt selben Eltern, und das Kind ist so dermaßen anders als das Erste! Und was beim 1. Spross auf Anhieb funktioniert hat, das kann man sich bei Kind 2 in die Haare schmieren – und umgekehrt! 😅 Ein riesiges Aha-Erlebnis, das einen wirklich bescheidener werden lässt, weil wir merken, dass wir uns nicht soo wichtig nehmen müssen. Das kann manchmal sehr anstrengend, manchmal auch erleichternd sein!
Wie hat eine liebe Freundin einmal so nett gesagt: „Alleine deshalb müsste man ein Dutzend Kinder haben, nur um zu erleben, wie unterschiedlich die -trotz derselben Eltern- alle sind!“ <3
Hej liebe Julia, ganz EXAKT so 🙂 Das hast du sehr anschaulich beschrieben, ich muss gerade ein wenig kichern. Und ich muss gestehen, mir reichen drei und die damit verbundene Efahrung, dass immer alles auf Anfang ist. Bei einem Dutzend würde ich vermutlich streiken… Alles Liebe, Katia
Liebe Katia, so wahre Worte. Meine Kinder sind schon etwas größer. Was soll ich sagen, je oller, je doller. Regelmäßig komme ich an Grenzen, schwanke zwischen Sprachlosigkeit, Explosion und Alles-vergebens. Gebrauchsanleitung mit Umtauschrecht? Manchmal ja und dann doch nicht … sind doch meine … 🤗 Grüße Astrid
Hej liebe Astrid, das glaub ich sofort! Das wird alles noch wilder… Ja, das mit dem Umtausch kommt mir auch gelegentlich in den Sinn, aber damm hauen sie was so bezaubendes raus, dass ich sie nie hergeben will 😉 Alles Liebe, Katia
Genau da stimmt ich völlig zu – mit jedem Kind mehr stellt man fest, wie wenig man beeinflusst geglaubtes Verhalten tatsächlich gesteuert hat.
Mir wurde zur ersten Schwangerschaft mal gesagt, man bekommt die Kinder, an denen man wachsen kann.
Fand ich bei Kind 1 Quatsch, hab bei Kind 2 dann oft dran gedacht und mich bei Kind 3 häufig gefragt, woran ich da jetzt bitte wachsen soll?
Und Nr. 4 krempelt wieder alles andersherum um.
Liebe Grüße
Hej liebe Annie, irgendwie ist es ja auch ganz beruhigend, dass wir unsere Finger nur bedingt in der Wesenswerdung unserer Kinder hanben… 😉 Ach, und die letzten sind sowieso immer eine kategorie für sich (wie auch die ersten, die Mittleren und so fort 🙂 Tragen wir es mit fassung und viel Liebe. In diesem Sinne: Alles Liebe, Katia