Bei mir hat es dieses Mal eine kleine Weile länger gedauert, mit dem Schwangerwerden und es hat mich ganz schön nervös gemacht: Würde es überhaupt noch einmal klappen? Es gab keinen Tag,an dem ich nicht darüber nachgegrübelt habe, mir Sorgen gemacht, nach Tipps gegoogelt habe. Der Gedanke daran schwirrte ständig in meinem Kopf herum – noch angefeuert durch die sozialen Medien, in denen einige geradezu mit ihrem Kinderwunsch kokettieren und alle scheinbar mühelos schwanger werden. Wie geht es da erst Frauen, bei denen es tatsächlich so scheint, als solle es nicht sein…
Kinderwunsch, unerfüllter Kinderwunsch,
Die trotz Hilfe nicht schwanger werden, nicht Wochen nicht oder Monate. Sondern Jahre. Während um sie herum alle Bäuche kriegen und dann Babys. Als eine Freundin von mir, nennen wir sie Tomma, mich fragte, ob ich nicht Lust hätte hier einmal ihre Geschichte zu erzählen, sagte ich sofort ja. Dann ließ sie doch lange nichts von sich hören. Nach einer Weile schrieb sie: “Ich kann das nicht aufschreiben, kannst du mich nicht fragen?”

Kann ich. Aber hallo.

Wasfürmich: Wann hast du angefangen, dir ein Baby zu wünschen?
Tomma: Ein Baby hab ich mir eigentlich schon seit Jahren gewünscht, hatte aber lange nicht den richtigen Partner. Mein jetziger Freund und ich kommen beide aus größeren Familien. Für uns war schnell klar, dass wir zügig Kinder wollten, und begannen vor drei Jahren mit der Familienplanung.

Warst du am Anfang guter Dinge, oder hattest du ein komisches Gefühl?
Mein Freund hat mich damals bei einem Spaziergang gefragt, ob ich mir vorstellen kann ein Baby mit ihm zu bekommen. Ich fand das total romantisch und war euphorisch, optimistisch und sorglos.

Wann hast du gemerkt, dass es vielleicht nicht so einfach sein könnte?
Nach einem dreiviertel Jahr hatte sich immer noch nix getan, obwohl wir den Eisprungzeitpunkt mittlerweile mit Ovulationstest abgepasst haben. Um mich herum wurden mehrere Freundinnen ohne lange Wartezeiten schwanger. Da hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmen könnte.

Was hast du zuerst getan?
Wir ließen uns einen Termin in einer Kinderwunschklinik geben.
In der Klinik folgten dann sehr viele Tests. Meine Hormone wurden überprüft, die Eileiter wurden auf ihre Durchlässigkeit hin getestet und ich ließ eine Bauchspiegelung machen. Gefunden wurde allerdings nichts. Auch bei meinem Freund gab es keine Auffälligkeiten.

Und dann? Magst du erzählen, warum es so schwierig war bei euch? Gab es medizinische Erklärungen?
Wir haben dann ein halbes Jahr in der Klinik meinen Zyklus überwachen lassen, um mittels Spritzen den perfekten Zeitpunkt für die natürliche Zeugung abzupassen. Aber auch danach war ich immer noch nicht schwanger. Mittlerweile war ich sehr verzweifelt. Immer wieder zu hören komplett gesund zu sein und trotzdem nicht schwanger zu werden war sehr frustrierend und beängstigend für uns, vor allem weil gleichzeitig sehr viele unsere Freunde problemlos schwanger wurden und ihr erstes oder zweites Kind bekamen. Zur weiteren Aufklärung entschieden wir uns deshalb für das IVF-Verfahren. Hierbei werden durch Hormonspritzen über mehrere Tage mehrere Eizellen herangereift, in einer OP entnommen und im Reagenzglas befruchtet. Mein Körper schlug auf die Behandlung sehr gut an und es entstanden mehrere Embryonen. Leider musste ich aber wegen einer hormonellen Überstimulation für einige Tage stationär im Krankenhaus betreut werden. Einen Monat später wurden mir zwei Embryonen eingesetzt. Und siehe da, ich war tatsächlich kurz vor Weihnachten mit beiden Embryonen schwanger und mega mega glücklich. Dann in der 9. Wochen die traurige Nachricht, bei beiden Embryonen war kein Herzschlag zu erkennen. Einer hatte sich nach der Einnistung nicht weiterentwickelt, der andere war zwar gewachsen, aber nicht mehr lebendig. Ich war nicht mehr schwanger und nach der Fehlgeburt ziemlich am Ende meiner Kräfte.

Wir starteten weitere Versuche mit zuvor eingefroren Embryonen, aber ich wurde nicht wieder schwanger. Es folgten weitere Tests. Unsere Chromosomen wurden untersucht, meine Blutgerinnung und mein Immunsystem überprüft. Und endlich endlich gab es nach knapp 2 Jahren eine Diagnose. Ich habe eine ganz leichte Gerinnungsstörung und – Achtung: klingt wie bei in einer RTL2-Doku – eine starke Erhöhung von natürlichen Killerzellen, was dazu führt, dass Embryonen in der Gebärmutter als Fremdkörper abgestoßen werden.
Wir haben dann einen weiteren IVF Zyklus gestartet, dieses Mal zusätzlich mit Infusionen gegen Killerzellen und Spritzen gegen die Gerinnungsstörung und siehe da, mit Hilfe dieses Medikamentencocktails hat einer der Embryonen das Rennen gemacht hat. Dieser hat sich zu meiner kleinen Tochter entwickelt :-).

Was war der schrecklichste Moment in der Zeit?
Es gab eigentlich keinen schlimmsten Moment, die Fehlgeburt war schlimm, aber ich wusste hierdurch, dass ich zumindest schwanger werden kann. Schlimmer war eigentlich das ständige Warten. Warten auf den nächsten Schwangerschaftstest, das nächste Untersuchungsergebnis, der nächsten Arzttermin. Und natürlich die ständige Angst davor, dass es einfach nie klappen würde.

Was macht unerfüllter Kinderwunsch mit der Partnerschaft?
Für die Partnerschaft ist der unerfüllte Kinderwunsch eine sehr starke Belastungsprobe. Rückblickend denk ich hat unsere sehr junge Beziehung sich als sehr belastbar erwiesen, wir haben die Zeit gemeinsam durchgestanden und einfach immer weitergemacht. Während der Zeit war die Stimmung aber oft ganz weit unten.

Woher hast du Kraft genommen?
Ich bin mit dem unerfüllten Kinderwunsch relativ offen umgegangen. Unsere Familien und Freunde und auch mein Vorgesetzter wussten über den Kinderwunsch und die Behandlung Bescheid und haben mir viel Mut und Hoffnung gemacht. Ich habe einfach eine tolle Familie und super Freunde. Dafür bin ich sehr dankbar. Außerdem hab ich versucht mich abzulenken und hab viele Aktivitäten gemacht, die man schwanger nicht so gut machen kann. Paragliding auf Madeira zum Beispiel. Außerdem war ich in der Zeit in Griechenland, Japan, im Oman und der Toskana und habe versucht mich durch neue Eindrücke abzulenken. Darüber hinaus hab ich mich viel mit Mutmachgeschichten von anderen Paaren, die auf Umwegen Kinder bekommen haben, beschäftigt, sei es durch künstliche Verfahren, Leihmutterschaft oder auch Adoption. Dass ich irgendwie mit Kindern leben würde, wie auch immer, stand für mich die ganze Zeit fest.

Hättest du nicht am liebsten bei jeder Schwangeren auf der Straße die Seite gewechselt? Was hat es in dir gemacht, wenn eine Freundin erzählt hat, dass sie ein Kind erwartet? Ich stelle mir das so schwer vor.
Bei fremden Schwangeren hab ich tatsächlich die Seite gewechselt, bei Freunden hab ich mich wirklich immer mit gefreut, gleichzeitig hat es aber auch sehr weh getan, weil ich so gerne auch schwanger sein wollte und nicht konnte. Für Schwangerschaftsbeschwerden von anderen war ich zugegebenermaßen nicht der beste Ansprechpartner.

Wie lange hat es tatsächlich gedauert, bis du mit deiner Tochter schwanger warst?
Bis ich mit meiner Tochter schwanger war, hat es über zwei Jahre gedauert, viele Arztermine, OPs, Hormonspritzen und Medikamente. Ich hab gerade noch mal auf meinen letzten Behandlungsplan aus der Klinik geguckt, da stehen 9 verschiedene Medikamente zum Einnehmen oder zum Spritzen drauf.

Konntest du diese Schwangerschaft genießen?
Am Anfang der Schwangerschaft war ich sehr ängstlich. Ich musste mich sehr viel übergeben, konnte nicht arbeiten und hab mich dadurch nicht gut ablenken können, sondern permanent in meinen Körper rein gehört mit der Angst, es könnte etwas nicht stimmen. Als ich meine Tochter in der 17. Woche dann zum ersten Mal gespürt habe, konnte ich mich aber ganz gut entspannen und fand die Schwangerschaft und meinen riesen Bauch richtig richtig toll.

Was war das beste und das blödeste das in dieser Zeit ein Arzt zu dir gesagt hat?
Meine Ärztin in der KiWu-Klinik hat immer zu mir gesagt, “Ich bekomme sie schon schwanger, ich weiß nur nicht wann und wie”. Dieser Satz hat mich sehr motiviert und war mein ständiger Begleiter. Amüsiert hat mich auch, dass man in der Klinik Komplimente bekommt wie “Ihre Eierstöcke sehen aber jung aus oder ihre Gebärmutterschleimhaut ist aber toll aufgebaut”. Das Klinikleben ist schon eine Welt für sich. Schlechte Erfahrungen hab ich dort nicht gemacht.

Gerade auf Instagram scheint es, alle müssten nur einmal tief durchatmen und wären schwanger. Was denkst du, wenn du das liest und siehst?
Naja, ich weiß mittlerweile, dass das nicht der Realität entspricht. Es gibt natürlich Paare, die schwupdiwups, mir nichts dir nichts schwanger werden und die dürfen sich natürlich freuen und das kleine große Wunder so viel präsentieren, wie sie nur wollen. Trotzdem gibt es viele Paare bei denen das nun mal nicht so ist. Nicht schwanger werden oder nicht schwanger bleiben sind beides Themen, über die nicht viel und gerne gesprochen wird. Und ernstere Themen sehen nun mal nicht gut aus in der medialen rosaroten -in Zuckerwatte getunkten – und mit einem Filter überzogenen- Welt von Instagram, Facebook und co. Ich guck mir dort auch lieber heile-Welt-Geschichten an und fühle mich lieber gut unterhalten, als mich mit ernsten Themen zu beschäftigten. Das ist ja aber auch etwas der Sinn und Zweck der medialen Welt. Mir hat das trotzdem oft ein mulmiges Gefühl gegeben, weil ich das Gefühl hatte alle, anderen ziehen an mir vorbei und leben dieses federleichte Leben, was ich mir so sehnlichst gewünscht habe, nur ich bleibe außen vor.

Hast du einen Rat für Frauen mit (bislang) unerfülltem Kinderwunsch?
Jeder geht anders mit seinem unerfüllten Kinderwunsch und deshalb finde ich Ratschläge wirklich schwierig. Vor allem, wenn sie von jemanden kommen, der letztlich nun doch ein gesundes Baby bekommen hat. Mir hat geholfen, mich frühzeitig an eine Kinderwunschklinik zu wenden und offen mit anderen über meine Probleme zu sprechen und mich auszutauschen. Hierdurch hab ich erlebt, dass ich nicht die einzige war und bin, für die es schwierig ist schwanger zu werden. Das hat mir sehr gut getan.

Hast du das Gefühl, dass du als Mutter Dinge anders machst als andere, weil es so lange gedauert hat, Mutter zu werden?
Das ist schwierig zu sagen, weil ich den Vergleich nun mal einfach nicht habe. Ich finde uns als Eltern unerwartet gelassen und geduldig und bin stolz darauf, wie wir gut wir unser kleines neues Familienleben meistern. Das mag aus der Zeit vor der Schwangerschaft herrühren.

Nur wenn du magst: plant ihr ein weiteres Kind?
Ja auf jeden Fall. Mit viel Glück hat sich mein Immunsystem nach der Schwangerschaft mit meiner Tochter umgestellt und ich kann auf natürlichen Weg noch mal schwanger werden. Wer weiß, so richtig glaub ich das allerdings nicht. Aber egal, so ein paar Killerzellen können uns mittlerweile nichts mehr anhaben.

Vielen Dank, liebe Tomma,

Claudi