Doris Dörrie hat ein Buch übers Wohnen geschrieben, das ich unbedingt lesen möchte. Sie schreibt darin zum Beispiel: „Die Art und Weise, wie Menschen ihre Wohnung einrichten, sagt viel über Verhalten, Handeln und Empfinden aus.“ Ich hab mich gleich gefragt, was unser Haus über mich erzählen würde…

„Sie ist chaotisch, aber ich hab sie gern!“ vielleicht.

Genau wie ich es über unser Haus sagen würde. Es war eins der ersten großen Gemeinschaftsprojekte mit meinem Mann und wir haben dabei bewiesen, dass wir ehrgeizig sind und durchhalten können. Ranklotzen können wir beide – Geduld ist eher seine Stärke. Unser Haus wurde 2014 geboren – nach einer Bauschwangerschaft von fast drei Jahren. Mein Mann hat ganz viel selbst gemacht, daher die lange Zeit. Ich hab währenddessen zwei kleine Kinder gehütet – es war hart.

Wir haben auf einer Wiese hinter meinen Schwiegereltern gebaut, nachdem wir jahrelang nicht hinter meinen Schwiegereltern bauen wollten. Aber ein Jahr überteuerte Buchbuden angucken, hat uns mürbe gemacht. Und die Nähe hat tatsächlich viele Vorteile.

In unserem Fundament ist eine Zeitkapsel eingegossen.

Eine Blume, drei Kindersocken (Baby drei war damals grad in meinem Bauch, Baby vier nicht mal geplant) und ein Foto von uns: Wenn alles gut geht, werde ich die Dinge nie mehr wiedersehen, aber ich hoffe, sie bringen uns Glück. “Wohnungen sind wie Metaphern,” sagt Dörrie, “sie erzählen über uns, als Inszenierungen oder unfreiwillig.”

Unser Haus könnte erzählen, dass wir öfter mal auf dem Sofa essen, zu oft die Wände neben der Treppe angrabbeln, die Stufen laut runtertrampeln rumbrüllen, die Duschwand nach dem Duschen nicht abziehen, die Fenster nicht oft genug putzen. Aber vielleicht würde es auch erzählen, wie gemütlich es oft ist. Neben fleißig sein können wir auch sehr erfolgreich miteinander chillen. Und vielleicht sogar gar, wie geliebt es sich fühlt. Dass ich oft seufze, wenn ich einen Räume betrete, weil ich unser Haus immer noch so mag. Vor allem, wenn der Frühling das Sonnenlicht wieder anknipst .

Unser Haus könnte über meine Auf-und-Ab-Karriere erzählen.

Erst beherbergte es Lehrerordner bis zur Decke, dann Bastelmaterialien, heute Bücher. Manchmal denke ich, unser Haus ächzt vor lauter Büchern. Dann wieder glaube ich, dass es sie so feiert, wie ich. Weil ich Bücherstapel dekorativ finde (im Gegensatz zu meinem Mann.) Gerade bin ich dabei, mein Arbeitszimmer aufzulösen. Meine neue Jobausrichtung braucht nicht mehr als ein Laptop und ein Handy. Ich hab das Gefühl, unser Haus atmet deshalb genauso durch, wie ich. Auch Frau Dörrie schreibt: “Am liebsten schreibe ich im Bett, nicht gestriegelt, sondern im wilden Zustand. Da fällt es leichter, sich nicht zu zensieren und origineller zu sein.”

Seit wir aussortieren und entrümpeln, kriegt unser Haus besser Luft, genau wie wir.

Wir müssten noch einiges mehr machen: die Farbe erneuern, die an seinen Balken abplatzt. Die kleinen Risse an der Decke zuspachteln. Endlich neu streichen. Aber wir haben es trotzdem lieb. Vielleicht seufzt unser Haus manchmal, weil wir zu selten putzen, umräumen, es pflegen. Vielleicht guckt es uns aber auch gern beim Leben zu, freut sich über das Lachen, ächzt Streit und Staub einfach weg.

Wenn ich auf Instagram coole Häuser sehe, dann würde ich auch immer gern sofort streichen, umräumen, endlich ne hübsche Tapete ins Bad kleben, ein neues Bett kaufen. Aber dann nutze ich meine Energie und mein Geld doch lieber wieder für ein neues Job-Projekt. Oder für eine Reise, Freunde treffen oder ein gutes Buch.

Manchmal traue ich auch meinem eigenen Geschmack nicht.

Ich finde nämlich oft Dinge cool, wenn sie schon fast wieder out sind. Bin nicht besonders gut im dekorieren. Bei anderen sieht es immer stylischer aus, ordentlicher sowieso. Aber seit ich erkannt habe, dass mich eine neue Vase ohnehin nur kurzzeitig glücklicher macht, vermeide ich noch mehr, neue zu kaufen.

So chaotisch es ist, ich liebe unser Haus. Seine charmante Fassade, unseren Kamin. Das blaue Samtsofa mit Blick in den Garten. Den Esstisch im Wintergarten. Die Lichtpunkte der Diskokugel an den Wänden gegen Abend. Unsere himmelblauen Schlafzimmermöbel. Den Blick aus den hinteren Fenstern. Den Lichteinfall, immer wieder den Lichteinfall.

Dörrie schreibt: „Um ein Zuhause zu einem besonderen Ort zu machen, bedarf es nicht unbedingt viel Geld, sondern viel mehr einer gewissen Hingabe ans eigene Leben.“ Das kriegen wir gut hin, denke ich.

Claudi