Eins vorab: Meine Wickelquote, sprich, die Anzahl in der ich unser kleines Kind wickele, beträgt in etwa vier bis fünf Mal täglich (in der Woche, sprich mit Kita-Abzug). Beziehungsweise rund sieben bis acht Mal (am Wochenende). Die Wickelquote meines Schatzes? Das ist leicht. Antwort: Eins. Nämlich am Sonntag. Genauer: Er wickelt exakt einmal am späten Sonntagvormittag…
LIEBELEI DER WOCHE NR. 33: WICKELWORTE. Wenn mein Schatz wickelt, kommt es hinterher hundertpro zum Geschirrspülmaschinenphänomen. Kennt ihr das? Dazu muss man wissen, dass ich unsere Geschirrspülmaschine etwa zwei Mal am Tag ausräume. Niemand spricht darüber. Natürlich nicht. Räumt zur Abwechslung mein Schatz sie einmal im Monat aus, stupst er mich hinterher an. Lächelt. Zieht vielsagend die Augenbrauen hoch. Raunt: “Du Schatz, ich hab schon mal die Geschirrspülmaschine ausgeräumt!”
Nach diesem Satz herrscht für einen Moment knisternde Stille in der Küche. “Na und…?”, denke ich. “Toll. Prima! Vielen Dank mein Schatz!”, sage ich. Will ja schließlich, dass er es ganz bald wieder macht. Will ja schließlich nicht immer rummeckern. Aber zurück zum Wickeln. Also mein Schatz wickelt, wie gesagt, beinahe nie. Wenn er es tut, spricht er hinterher drüber. Und er spricht dabei. Und das ist der Punkt, warum aus der ganzen Flucherei hier doch noch eine Liebelei wird. Wenn er wickelt, ist das nämlich ein wenig wie bei einer Sonntagsmatinee im Theater (gabs früher immer in meiner kleinen Heimatstadt). Herrlich unterhaltsam.
Sonntags darf meist er ausschlafen. Dafür muss er später Frühstück machen und die Kids anziehen und das Chaos beseitigen. Ich darf dann auf dem Sofa Kaffee trinken und lesen und sonst nichts tun. Das ist der Deal. Ich liebe das. Und ich liebe, was ich durch die geöffnete Schlafzimmertür höre. Es beginnt damit, dass das Kind weint. Furchtbar weint. So weint er nur mit Windel voll. “Das macht Papa”, flüstere ich und schiebe ihn in Richtung Schlafzimmer, brülle: “Dein Job, Schatz!” Puste genüsslich gegen meinen Milchschaum.
Schatz stöhnt. Das Bett quietscht. Aus dem Schlafzimmer höre ich Gemurmel. Schubladenaufziehen. Nur aufziehen, aber dazu später mehr. Dann einen Schrei. Jeden Sonntagvormittag den gleichen, schrillen, wirklich entsetzten Schrei. So als würde mein Schatz zum ersten Mal sehen und riechen was er sieht und riecht. Es folgen einige Sätze, dass es so schlimm noch nie war. Noch nie. Dieser hier der schlimmste Stinker der Welt. Ach was, des Universums. Nie vorher. Und immer bei ihm. Quasi ein Attentat. Ein hundsgemeines AA-Attentat. Man stelle sich vor.
Dann beginnt das eigentliche Stück. Mein Schatz beginnt, dem Kind klarzumachen, dass es ab jetzt nicht mehr machen soll. Und wenn, soll das, was es macht bittesehr nach Kuchen riechen. Frischem, warmem Zuckerkuchen. Zimtschnecken. Oder nach Rosenblättern. Oder Klee. “Wie umallesinderwelt riecht Klee?”, frage ich mich vom meinem Sofa aus. “Riecht Klee überhaupt?”
Schatz philosophiert weiter. Über braunes Unheil. Die Landebahn des Grauens. Das kleine Kind jauchzt dazu. Das große auch.
Bevor die Vorstellung beendet ist, lobt er sich, bleiben wir beim Bild, über den grünen Klee: “Armes Kind, so ein gemeiner Stinker. Zum Glück war dein Papa da. Ja, dein Papa hat den bösen Stinker weggemacht. Böser, böser Stinker. Wenn du deinen Papa nicht hättest.”
Schließlich laufen alle drei Männer bei mir im Wohnzimmer ein. Wie die Orgelpfeifen. Statt Verbeugung schweigen sie vielsagend. Dann jauchzt das kleine Kind wieder. Lacht Papa an.
“Ich hab ihn mal gewickelt”, sagt mein Mann und starrt auf meine Kaffeetasse. Mein großer Sohn fragt: “Mama, warum bloß muss Papa eigentlich immer wickeln?”
PS. Später, viel später, räume ich den Wickeltisch auf. Es dauert länger, als meine Faulzeit auf dem Sofa. Denn da liegen Schlafanzüge, T-Shirts, diverse Hosen, Socken, geöffnete Cremedosen, zerzauste Feuchttücherpackungen und meist auch noch die Attentat-Windel. Außerdem schließe ich alle Schubladen. Die lässt mein Schatz nämlich grundsätzlich offen. Warum ist mir ein absolutes Rätsel. “Wie kann man bloß vergessen, die Schubladen wieder reinzuschieben?”, frage ich. “Musst du immer meckern?”, meckert mein Schatz.
PPS. Mein Mann besteht aus dem Hintergrund darauf, dass ich schreibe, dass er denke, das hier sei so gar nicht wahr. Ich hätte – aus journalistischen Gründen – schamlos übertrieben. Ich sei gedanklich wohl wieder beim fiesen Klatschblatt (da war ich wirklich mal drei Monate, im Rahmen meiner Ausbildung). Dann zieht er noch einen Joker aus dem Ärmel. Dass er nie wickele, stimme genauso wenig, wie dass ich immer den Müll raustrage. (Einmal habe ich im März behauptet, ich hätte im Gegensatz zu ihm schon 345 Mal den Müll rausgetragen…)
Okay, okay, im Rechnen bin ich nicht gut. Aber alles was oben steht, stimmt. Ich schwöre.
Und bei euch? Wer wickelt mehr? Und was erzählt ihr so dabei?
Alles Liebe, eure Claudi
(die heute mit dem wunderbarsten Wickelworteflüsterer des Universums in den Pärchen-Kurzurlaub düst und sich raaaasend drauf freut).
Liebe Claudi,
auch wenn ich mir im ersten Abschnitt des Artikels etwas mehr mathematische Präzision gewünscht hätte, hat mich doch der Rest doch extrem amüsiert.
Nimm deinen Mann da ruhig mal mehr ran!
Grüße Simon
Haha, auch wenn es schon so lange her ist! Ich musste grad sehr lachen… dabei dachte ich, mein Mann ist der einzige, der so selten wickelt! Er schwört Stein und Bein, dass es bei unserer Tochter NIE so schlimm war! Und dass ihm dabei schlecht wird und er spucken muss, er kann sogar echt wirklichkeitsgetreue Würg-Laute machen… na wie gut, dass ich Kack-Windeln wegmachen so liebe und das toll finde, wenn der Kleine sich wie ein Wurm windet und ich das Zeug überall an den Händen habe! Sonst hätte er wohl immer noch die erste Windel um, liebe Grüße, Ann-Christin
Ha ha, ja manches ändert sich eben nie. Schön. dass die alten Kamellen auch immer mal wieder jemand noch mal liest.
Liebste Grüße,
Claudi