„Stop!“ rufe ich. „Bleibt mal da stehen, wir machen ein Foto..!“ Meine beiden Freundinnen gucken sich um und dann mich entsetzt an. „Hier? Im Dunklen? Neben dem alten Mofa? Vor diesem seltsamen Laden? Mitten auf der Straße?“ Ich nicke und wir machen’s. Und freuen uns hinterher alle über das wirklich wunderschöne Bild…

„Da hast du echt ein Talent!“, sagt meine Freundin hinterher. Und später am Nachmittag gleich nochmal, nachdem ich sie überredet hatte, sich an die unverputzte Wand zu lehnen und ihr hinterher das Foto zeige. Es sieht spitze aus – was ich wusste. Sie nicht. „Du hast einen wirklich guten Blick für schöne Motive und Anschnitte…“, meint sie, ohne den Blick von ihrem Bild zu nehmen.

Als die Mädels später glücklich im Meer planschen und ich zufrieden im Sand sonnspanne, denke ich darüber nach, wie traurig es ist, dass mir sehr bewusst ist, was ich nicht gut kann: Mathe leider. Pünktlich sein. Ordnung halten. Aber wenn ich aufzählen soll, was ich GUT kann, fällt mir das unglaublich schwer. Was schade ist, weil ich so lauter kleine Feiern für mich selbst verpasse. Ich setze mich also auf, richte den Kopf in Richtung Sonne und sammele.

Was ich gut kann:

  • Sachen durchziehen. Ich kann einen unglaublichen Willen entwickeln, die Sachen, die ich mir vornehme, auch durchzuziehen. Seien es Buchprojekte, gesunde Ernährung oder Sport. (Manchmal macht mich meine Konsequenz selbst wahnsinnig. Aber da wären wir ja schon wieder beim inneren Kritiker…)
  • Ablenken. Ich bin echt gut darin, Kinder von ihrer Wut oder ihrem Kummer abzulenken. Sowohl meine eigenen, als auch die in der Schule. Ich fange beispielsweise an, eine Geschichte zu erzählen oder wende meinen Geheimtrick an: Dinge vermenschlichen. Ich lasse zum Beispiel eine Mango, die auf dem Tisch liegt, an dem sich eben der Kinderkopf gestoßen hat, einen lustigen Spruch machen. Funktioniert bei Kindern bis Ende zweiter Klasse bestens. Und manchmal sogar bei Erwachsenen.
  • Entspannt bleiben, wenn etwas nicht so läuft. Wenn das Kind mitten in der Stadt aufs Klo muss, wir die Trinkflasche vergessen haben oder mir die Kartoffeln anbrennen: Ich kann vieles mit Humor nehmen. Und ich bin nicht pingelig.
  • Über Chaos hinwegblicken. Ich schaffe es, mich morgens trotz komplett chaotischer Küche und Wohnzimmer an unseren Esstisch zu setzten. Dort schiebe ich alle Kramtürme mit dem langen Arm zur Seite und fange an zu arbeiten. Meine Teetasse stelle ich maximal zu den Geschirrbergen auf die Spülmaschine. Aufräumen mache ich später. Oder morgen. Oder gar nicht… Ich könnte keine instragrammable Work-Work-Fotos machen. Muss ich auch nicht. Nur so kann ich meinen Job machen, wie ich ihn mache.
  • Leckere Gerichte aus einem Restaurant oder von Freunden aus dem Kopf nachkochen. Mache ich ständig. Weil ich das Rezept nicht früh genug bekomme oder mich nicht traue, zu fragen. Ein Ei mehr, garantiert eine Menge Estragon – ich liebe es, herumzuprobieren, bis es wie meine Erinnerung schmeckt.

Hinterher ist mir plötzlich nicht nur dank der Abendsonne warm geworden. Es tut einfach gut, sich viel öfter daran zu erinnern, was man gut kann. Dann kann man auch leichter hinwegschauen über die Sachen, die man weniger gut drauf hat. Bei mir zum Beispiel im Sand sitzen und einfach mal an gar nichts denken. Aber hey, damit kann ich sehr gut leben…

Und was kannst du besonders gut?

Alles Liebe,

Claudi