Ich habe viel über Mut nachgedacht in letzter Zeit. Wann ist man mutig, wie ist man mutig, muss man eigentlich immer mutig sein? Euch scheint dieses Mut-Ding auch umzutreiben, jedenfalls ging Claudis Insta-Post dazu kürzlich ziemlich steil. Mir blieb vor allem ein Satz aus der Community im Kopf: “Mut ist Angst plus einen Schritt.” Ich finde, der trifft es ziemlich gut – ganz gleich, worum es geht. Im Großen und im Kleinen. Wann ich in meinem Leben mutig war…?


Ich war mutig, als ich kürzlich das erste Mal seit 20 Jahren vom Dreier gesprungen bin – obwohl mir oben auf dem Sprungbrett der kalte Schweiß ausbrach. Ich war mutig, als wir von St. Pauli aufs Dorf gezogen sind – obwohl wir absolut niemanden kannten. Ich war mutig, als ich am Sterbebett die Hand meiner Mutter gehalten habe, obwohl ich mich lieber irgendwo verkrochen hätte.

Aber Mut brüllt nicht immer nur. Mut ist häufig viel leiser als man meint.

Aber deswegen nicht weniger wichtig, nicht weniger wert. Ich glaube, wir alle sind jeden Tag unglaublich mutig. Wenn wir für uns einstehen – und der Kollegin sagen, dass wir Projekt X nicht auch noch wuppen können. Wenn wir den Kindern auf dem Weg zum Schulbus nachwinken, obwohl wir wissen, dass dabei kürzlich ein anderes zu Tode kam. Wenn wir zu Vorsorgeterminen gehen, obwohl wir Angst haben, dass dabei irgendetwas entdeckt wird, dass unser Leben auf den Kopf stellt.

Ich finde mich mutig, wenn ich mich gegen To-dos und für mein Vergnügen entscheide. Nein zu sagen statt reflexhaft Ja. Wenn ich für mich eine Grenze ziehe, obwohl das jemand anderem nicht in den Kram passt. Ich finde es mutig, Mutter geworden zu sein – und dann auch noch von dreien. Ich finde es mutig, zur Therapie zu gehen und das mit euch zu teilen. Ich finde es mutig, zu scheitern und weiterzumachen. Denn “Mut kann auch die leise Stimme am Ende des Tages sein, die sagt: Morgen versuche ich es noch einmal.”, wie Claudi kürzlich zitierte.

Und es ist auch okay, nicht mutig zu sein.

Einen Schritt nicht zu gehen, eine Idee nicht zu verwirklichen, einen Traum nicht zu leben. Klar, alle lieben Erfolgsgeschichten – “…und dann habe ich mich einfach getraut – und es war so unglaublich viel besser als ich mir das vorher hätte ausmalen können” – aber manchmal ist es eben einfach nicht das richtige Timing, das richtige Leben, das richtige Gefühl zu einer Sache.

Vielleicht müssen wir unseren Kindern gar nicht beibringen mutig zu sein, sondern zu unterscheiden, wann sich der eine Schritt nach der Angst lohnt – und wann nicht. Ich glaube sowieso, dass Kinder auf ihre Art von Natur aus mutig sind, weil sie neugierig sind, wissbegierig. Oder auch dann, wenn sie etwas nicht wollen, was andere von ihnen erwarten: Sich an ein Playdate zu halten, auf das sie plötzlich keine Lust mehr haben, auf andere zuzugehen, obwohl sie schüchtern sind: Kinder stehen ganz natürlich für sich und ihre Bedürfnisse ein – und das ist sehr viel mutiger als wir Erwachsenen oft sind.

Klar wäre ich dennoch manchmal gern mutiger.

Wäre gern schlagfertiger, redegewandter, nie um eine Diskussion verlegen. Aber Konfrontation liegt mir einfach nicht. Und vielleicht ist es genauso mutig zu akzeptieren, dass ich so jemand eben NICHT bin (und auch nur mit sehr viel Verbiegen sein könnte).

Vielleicht ist es überhaupt am mutigsten, sich dem permanenten Optimierungszirkus in allen Bereichen des Lebens zu widersetzen: Fein damit zu sein, wenn ich nicht dauernd mutig und ein High Perfomer bin. Wenn ich nicht ständig die Herausforderung suche, meinem Leben neue Twists zu verleihen – mit Kindern auf Weltreise zu gehen, ein eigenes Business aufzubauen, ein Buch zu schreiben, wasauchimmer.

Ich glaube, bei Mut denken viele immer an die großen Dinge. An die weltbewegenden. Aber vielleicht ist unser Alltagsmut auch völlig ausreichend. Und die Alltagsangst auch okay.

Wann wart ihr das letzte mal mutig, was findet ihr überhaupt mutig…?

Alles Liebe,

Katia