Und dann riss der ganz Kleine am Kabel. Ich war gerade dabei, meinen anderen Sohn zu überreden, der Augenärztin doch bitte mitzuteilen, was er sah. Ich sah ihm an, dass er sah. Er hatte keine Lust zu sehen. Der Kleinste hatte Lust für drei: drei Kabel rausreißen an einem unglaublich teuer aussehenden medizinischen Gerät zum Beispiel…
Die Ärztin hat einen roten Kopf, so rot wie das Auto vorn an der Tafel, dass mein Sohn angeblich nicht sehen konnte. Und tiefe Falten auf der Stirn. Als wir reingekommen waren, waren die schon dagewesen. Aber noch nicht ganz so tief. “Sie müssen auch wirklich pünktlich kommen” zischt sie. “Sehen können hat bei Kindern auch oft etwas mit sehen wollen zu tun. Und mit Ruhe.” Da piepst das teure Gerät komisch. Die Ärztin schreit auf. Mir fällt der Kleinste wieder ein. Und dann sagt der Mittlere: “Ich muss mal.”
Ich schnappe den Kleinsten und sage leise: “Verzeihung. Es war wie verhext, ich musste noch wickeln und dann haben wir die Praxis nicht gefunden und überhaupt…” Die Ärztin sagt nichts. Sie starrt auf die sehr braunen Matschflecken auf den Jacken und Hosen der Jungs. Hatten sie die zu Hause auch schon? Der Kleinste brüllt los. Einer seiner Brüder hat ihm in die Hand gebissen. Die Großen liegen aufeinander und raufen sich bis vor die weißpantoffelten Füße der Ärztin. Ich ziehe an jedem Arm und Bein, den ich zu fassen bekomme und rufe: “Jetzt reichts mir aber.” Die Ärztin reicht mir die Hand. Ich wette sie denkt: “Was für eine schreckliche Mutter.”
Ein Tag später, im Supermarkt. Die Kinder laufen vor mir her, hintereinander, in ihren roten Gummistiefeln und ihren bunten Strickjacken und mit ihrem honigblonden Haar. Sie schieben beide einen kleinen bunten Einkaufswagen. “Holt ihr schon mal die Milch?”, frage ich und sie jubeln: “Na klar!” Der Kleinste plappert fröhlich im Wagensitz. Als er im Regal nach einem Bonbon grabscht, nehmen sie ihn ihm schnell weg: “Hier Mama, Achtung, das kann er doch verschlucken.” An der Kasse legen sie mir die Sachen aufs Band, fragen nicht einmal nach den Süßigkeiten links und rechts und über ihnen und wir erzählen und lachen. “Bringt ihr schon mal die Wagen weg?”, frage ich. “Na klar, Mama, machen wir!”, sagen sie. “Ihr seid spitze!”, sage ich und lächele. Die Kassiererin lächelt. Ich wette, sie denkt: “Was für eine tolle Mutter.”
Was ich daraus lerne: Wir sind alle mal gut und mal schlecht. Mal läuft es rund mit den Kindern, mal nicht. Klar, mehr Zeit einplanen ist immer gut und ruhig bleiben hilft. Aber ansonsten kommts wie es kommt. Überraschung. Das ist ja gerade das Spannende. Und wir können uns entspannen und einfach bloß versuchen das Beste zu geben.
Oder was meint ihr?
Alles Liebe,
Liebe Claudia,
pfff….mal gut, mal schlecht? Ach was. Du bist nicht schlecht und nicht gut, Du bist Du und Deine Kinder sind sie selbst. Ich finde ja, als Lehrerin merkt man schnell, dass Eltern (und Lehrer) nur einen gewissen Einfluss auf die Kinder haben. Sie sind fertige Persönlichkeiten, sobald sie aus dem Bauch raus sind. Und manchmal benehmen sie sich gesellschaftskonform und manchmal nicht. Aber bitte stelle Dich doch deshalb nicht in Frage!!! Du machst einen großartigen Job mit den 3 Wirbelwinden, und wenn es Dir (und offensichtlich den Kindern) mal zu viel wird, heißt das doch nicht, dass Du eine schlechte Mutter bist!!!!!!!!! Sondern dass manchmal ein Babysitter echt Nerven schon. Alles Liebe, Claudia, Du bist die Beste! Wir sind die besten! Und die Augenärztin hatte wahrscheinlich einfach auch einen schlechten Tag. Kuss Kuss Penny
Oh wie wunderbar geschrieben. Vielen Dank an euch beide ! Es wärmt mir gerade daa Herz
Hahaha, herrlich. Und das gemeine ist ja, die erste Story ist wahrscheinlich nicht mal übertrieben…! (oder nur ein ganz kleines bisschen)
Solche Situationen sind ganz grauenhaft. Ich bin auch überzeugt davon, unsere Kinderarzthelferin glaubt, “die kriegt’s ja echt gar nicht geregelt”, wenn ich schwitzend und mit maulenden Kindern in die Praxis falle. Aber wenn ich die Geduld in Person bin (ohne zu schwitzen), das sieht sie leider nicht…
Wie wahr!
Und manchmal tut es auch einfach gut, andere Mütter kämpfen zu sehen … denn bei niemandem läuft immer alles glatt und in manchem sind wohl doch alle Kinder gleich … beruhigend ist das!
Ich bin manchmal froh, nicht in anderer Leute Köpfe sehen zu können, wenn ich mit meinem Vieren solche Termine oder ähnliches meistern muss, aber dann schau ich sie mir “notfalls” abends schlafend im Bett an – da sind sie immer Englein. Das tut gut. Noch mehr tut es gut, wenn die sich anzickenden Geschwister zusammenhalten, wenn es einem von ihnen schlecht geht. Doch was richtig gemacht.
Liebe Grüße und ein großes TSCHAKKA,
Janka 🙂
Sehr schön beschrieben! Kennt jede Mutter .? Bei uns läuft es beim Arzt immer vorbildlich ab u dafür spielen sie im Supermarkt leidenschaftlich Verstecken ?Lg
Liebe Claudi, wie sehr Du mir wieder mal aus dem Herzen schreibst! Und wie schön mir Dein Artikel wieder mal vor Augen führt, dass man manchmal durch schlechte Tage einfach nur durch muss, ohne zu sehr ins Selbstzweifeln zu kommen. Denn es gibt eben auch ganz viele von den tollen Tagen und Momenten. An DENEN sollten wir uns orientieren und DIESE Gefühle abspeichern. Als Vorrat für die blöden Tage und Menschen, die wir oft genug erdulden müssen.
Danke für diesen schönen Artikel!
Ganz liebe Grüße, Doro
Und wir sind definitiv nicht schlecht, nur weil eines unserer Kinder mal einen schlechten Tag hat!!!! Is so!
Ganz liebe Grüße vom Deich
Claudia
Ich habe ja nur einen kleinen Racker (18 Monate alt), aber du hast Recht!
Heute haben wir ein schlechten Tag erwischt und morgen kommt ein neuer, der bestimmt besser wird. Oder der heutige Nachmittag wird noch besser, nach einem Schläfchen.
Ich freue mich über jeden gemeinsamen -schönen- Moment und genieße sie sehr. 🙂
Schön. Einfach nur schön. Und Recht hast du.
Übrigens hat auch mein Sohn heute (und meist auch sonst in der Adventszeit) die Schoki vor dem Frühstück gegessen ( angefangen jedenfalls…dann hat er sie freiwillig beiseite gelegt)- & auch wir backen stinknormale Kekse;-P
Liebe Grüße von der Ostsee 🙂
Ich musste grad so lachen….
Bei der U6 vor zwei Wochen sah es so aus: Als der Arzt rein kam saß mein Sohn vorbildhaft auf der Liege und hat mit einem Motorikspielzeug gespielt und war herzallerliebst am rumbrabbeln. Lächeln für den Arzt. Der Helferin zuwinken und zwinkern. “Ach, das ist ja toll wie gut er schon den Pinzettengriff beherrscht. Und dieses räumliche Denkvermögen – super. Die verbale Entwicklung ist ja auch top. Und er hat sogar schon mit dem Laufen angefangen? Besser gehts nicht!” Ich sah wie zufrieden und glücklich alle waren und mir vom Arzt imaginär auf die Schulter geklopft wurde: braver Sohn, gute Mutter.
Dann kam der Arzt näher und wollte meinen Sohn mit dem Stethoskop abhören. Er hatte das Ding noch nicht mal ganz hochgehoben um es zu zeigen bevor es losgeht da sprang mein Sohn auf meinen Schoß und klammerte sich an mir fest. Es folgte eine atomare Kernschmelze. Das einzig gute daran war, dass er die anschließende Impfung gar nicht wahrgenommen hat. Am Ende dieser unglaublich langen 5 minütigen Untersuchung plumpsten der Arzt und die Helferin auf ihre Stühle. Wir waren alle verschwitzt und rot im Gesicht und der Arzt konnte nur noch “oh man” sagen. Soviel zum braven Sohn und der guten Mutter.
Heute kann ich gut darüber lachen. Und wenn ich das nächste Mal im Supermarkt so kleine Rabauken im Apokalypsezustand sehe werde ich zu den Eltern hingehen und sagen: Sie machen das ganz ganz toll. Da hinten steht übrigens das Deo.
Ganz liebe Grüße,
Christine
Oh jaaaaaa, genau so ist es! Der Witz ist, dass manchmal nur Minuten dazwischen liegen können! Bei uns allen ist es meiner Meinung nach so. Die Hauptsache ist, den Alltag mit Humor zu meistern und auf die Meinung der anderen zu pfeifen. Ich weiß, ich bin überwiegend eine gute Mutter mit ein paar schlechten Tagen, aber die haben meine Kinder ja auch! Lasst uns uns selbst toll finden! Das sollte reichen!
Niiieeee mehr im Leben gehe ich mit mehr als maximal zwei Kindern zum Arzt und für die 15 Euro, selbst dann (also wenn sich ein Arztbesuch mit zweien nicht vermeiden lässt) eine Babysitterin mitzunehmen verzichte ich unglaublich gerne auf sechs Cappucino. Meine Nerven sind es mir wert! (Und die Nerven meiner drei Jungs, denen ich damit eine mordsmäßig schlecht gelaunte, spätestens ab dem Verlassen der Praxis rumzickende Mutter, erspare…)
Respekt. Für den Wagemut alle mit zum Arzt zu nehmen und diesen wunderbaren Text rauszuhauen.
Ich freu mich IMMER wenn ich mit beiden unterwegs bin und nicht negativ auffalle, verschwitzt und genervt wieder zu Hause ankomme oder doch mal eben “Feuer spucken” muss.
Und Freude ist definitiv die schönste Reaktion. Die dürfen wir Mutter gerne mal zeigen: Freude und Stolz über unseren gut geglückten Mama-Job oder die Freude über die ersten Früchte mühseliger Erziehungsbemühungen oder einfach Freude über gesunde und süße, weil schlafende Kinder…. Der Rest kommt eh -vermutlich morgen bereits- wieder!
Gruß,
Anja