Ich habe seit Tagen einen Ohrwurm. Und einen Augenwurm, haha. Sagt man das so? Ich höre “Islands in the stream” von Dolly Parton und sehe Victoria und David Beckham miteinander tanzen und ich denke die ganze Zeit, wie schön. Kennst du das virale Video aus ihrer Netflix-Doku? Auf mich wirkt es wie eine Erinnerung an das, was Beziehung ausmacht. Ein Werbespot für Langzeitliebe…
Klar, auch bei denen beiden ist ganz sicher nicht alles Hochglanz.
Auch bei den beiden gibt es dreckige Socken und emotionalen Dreck. Und wenn auch keine finanziellen, dann ganz sicher ganz viele andere Probleme. Weil es die bei jedem gibt. Und weil eine Langzeitbeziehung nie einfach ist. Dennoch frage ich mich, ob wir sie uns derzeit nicht oft gegenseitig nervig reden. Und ihre guten Seiten zu wenig rosig sehen.
Dank all der Romcoms in Buch, Film oder Serie neigen wir dazu, die Anfangszeit zu verklären. Der erste Blick, der erste Kuss, der erste Sex, hach. Alles prickelt. Was selten romantisiert wird: was danach kommt. Die langen Jahre einer Langzeitliebe, die im Nachhinein doch mit der Geschwindigkeit eines Wimpernschlags vorbei gehen. Dabei ist daran ziemlich viel total romantisch, wenn auch weniger in einer Hollywood-Art-und-Weise.
Es sind eher die kleinen Gesten. Einer macht einem in Jogginghose Frühstück. Wärmt dem anderen abends das Bett an, während der duscht. Die Hände berühren sich, wenn die Kinder auf einer Schulaula-Bühne ein Lied singen. Wir kennen die Macken, aber auch die Stärken des anderen und akzeptieren sie, so wie der andere unsere. Dagegen kannten wir den anderen zu Anfang nicht. Verstanden uns zwangsläufig nicht intuitiv und nonverbal. Wenn man ohne Gegenlicht drauf guckt, gab es damals sogar oft Missverständnisse.
Wir romantisieren gern die Vergangenheit – das beweisen Studien. Kein Wunder also, dass wir uns in der anstrengenden Lebensmitte gern mal vorstellen, wie aufregend etwas Neues sein könnte. Wie viel einfacher. Meine Freundin rief mich letztens an und stöhnte…
“Die Manu hat ein cooles Tinder-Date nach dem anderen und ich packe die Spülmaschine aus.”
Seufzt du auch sehnsüchtig mit? Hast du auch manchmal Sehnsucht nach dem Kribbeln? Nach dem Anfang, in dem der Körper übernimmt und Liebe einfach passiert, statt harte Arbeit zu sein. Denn mal ehrlich: Über Gefühle sprechen ist Arbeit, die Macken des anderen akzeptieren ist Arbeit und nichts, was sich mal eben ergibt, so wie ein Zusammenstoß auf der Tanzfläche, ein Blick, ein Grinsen. Es gibt etliche Romane darüber.
Gerade aktuell gibt es etliche Geschichten, die von kaputten Langzeitlieben erzählen. Von all dem Nervigen. Ich habe gerade “Lügen, die wir uns erzählen gelesen” und der Realismus hat mich sehr bewegt: all der Frust, die Verletzungen, das Unausgesprochene, die geheimen Sehnsüchte, die Drecksocken, den Hüftspeck. Darüber habe ich fast vergessen, wie schön es ist, nachts oft stundenlang neben meiner Langzeitliebe zu liegen, weil wir uns noch immer so viel zu erzählen haben. Unsere Geschichte könnte inzwischen selbst Romane füllen. Wie romantisch ist das denn bitte?
Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir neue Liebesgeschichten erzählen: Weg von Red Flags hin zu warmen, lustigen, intelligenten Love Interests, die uns das Gefühl geben, wir sein zu können. Ohne künstliche Dramen und Missverständnisse. Und dennoch mit der Gewissheit, etwas Besonderes zu sein. Die Serie “Nobody wants this” hat das letztes Jahr eindrucksvoll geschafft. Aber auch da geht’s wieder ums aufregende Kennenlernen.
Ich erzähle in meinem ersten Roman “Sommer ist meine Lieblingsfarbe” über die Liebe nach dem Happy End.
Okay, ich erzähle darin zwei Geschichten: Die Geschichte einer Langzeitliebe – und die eines Flirts. Ich habe mir beim Schreiben – Achtung, kleiner Spoiler – diese beiden Beziehungen immer als zwei Geraden vorgestellt. Die eine beginnt ganz unten im Minusbereich der Gefühle und steigt dann langsam hoch. Die andere beginnt ganz oben im Gefühlsfeuerwerk – und sackt dann ab. Welche wohl welche ist? An einem Punkt treffen sich die beiden zwangsläufig.
Das Thema hat mich also bereits vor ein paar Jahren beschäftigt. Mein neues Buch handelt jetzt nochmal von der Magie des Neuen, aber ich nehme mir fest vor, einen Roman anzuplotten, der die Romantik der Langzeitliebe so richtig feiert. Ich habe keine Ahnung, ob das möglich ist, denn in Romanen geht es natürlich darum, seiner Hauptperson möglichst viele Steine vor die Füße zu werfen, damit man beim Lesen nicht einschläft. Mal sehen, ob es auch anders geht. Ich hab Bock. Und summe noch ein bisschen …
Islands in the stream.
That is what we are
No one in between
How can we wrong
Sail away with me
To another world
And we rely on each other, ah ha
From one lover to another, ah ha.
Stimmst du mir zu, dass Langzeitliebe grad ein langweiliges Image hat? Dass wir gespannt den tindernen Single-Freundinnen zuhören? Weil es ab und zu so verführerisch klingt, nochmal neu zu starten. Alles auf Anfang. Oder empfindest du es anders?
Und: Magst du uns eine romantische Anekdote aus deiner Langzeitbeziehung erzählen? Ich mache mal den Anfang …
Guten Morgen liebe Claudi,
So ein schönes Thema heute ! Ich habe mich darüber gefreut. Ja ,du hast Recht, die Langzeitliebe wird viel zu wenig romantisiert und tematisiert. Was ich wirklich sehr schade finde….
Gestern Abend, war ich mit meinem Mann ( wir sind 28 Jahre zusammen )an einem Geburtstagsfest von einem langjährigen Freund. Dieser liebe Freund hatte auch seine Eltern ( Beide ca .85 j.) und schon 65 Jahre zusammen eingeladen. Ich sass visa vis des Vaters, der mir von seinem Leben mit seiner Frau erzählte. Er erzählte voller Inbrunst und Liebe und immer wenn er den Namen seiner Frau aussprach, funkelten seine Augen. Einen Moment später rief mich mein Mann zu sich, weil er mich etwas fragen wollte und mir fiel direkt auf , wie ich es immernoch total liebe, wie er meinen Namen in Koseform ausspricht und ruft. Und als ich in seine Augen schaute, da sah ich dieses Funkeln und ich dachte, alles ist gut, alles wird gut. Das war sooo schön.
Ich hab Gänsehaut. Danke für deine kleine Geschichte an diesem Morgen. Sie macht meinen Tag schöner!
Claudi
Meine Langzeitliebe wirkt nach außen vermutlich gar nicht so romantisch. Er auf viele vielleicht sogar wie ein Macho. Aber ich mag es sehr, wenn ich mitbekomme, wie begeistert er von mir erzählt, wenn ich nicht dabei bin. Wenn er mir einfach ab und zu sagt, wie froh er ist, dass wir uns getroffen haben. Richtig romantisch war auch, als er mir einfach so einen Benzinkanister in den Kofferraum gestellt hat, weil ich auf dem Dorf so oft vergesse rechtzeitig zu tanken. Hach ❤️
Oh, wie schön.
Ach, Claudia, wie wunderwunderschön! Ich feiere mit! Ich liebe meine Langzeitliebe. Ich bin so glücklich und dankbar, dass uns die kleinen und die großen Schicksalsdinge immer mehr zusammengeschweißt statt auseinandergetrieben haben. Das ist ein so unbeschreiblich wunderbar warmes Gefühl und hat dazu geführt, dass meine Liebe mein Zuhause wurde. Vielleicht sollte man darüber mal einen Roman schreiben – wie verbindend die Steine im Weg sein können. Meine Langzeitlieben-Anekdote: Es gibt Wochen, da sehen wir uns kaum. Mein Mann ist beruflich viel unterwegs und oft abends erst spät daheim oder mehrere Tage am Stück weg. Aber er ruft jeden, jeden Morgen noch mal aus dem Auto an, wenn die Kinder in der Schule sind – damit wir wenigstens einmal am Tag ein bisschen in Ruhe quatschen können. Manchmal nervt mich das, weil ich zu der Zeit gerne schon arbeite. Aber ich gehe trotzdem immer ran, weil es ein schönes Ritual ist und meine Laune danach immer besser :). Alles Liebe für dich und deine Liebe Michaela
Das klingt wunderschön. Und nein, es ist nicht einfach, aber bei uns wurde es nach jeder kleinen Krise noch besser und vertrauter.
Das finde ich wirklich toll.
Toller Text der so wichtig ist, wenn es wie in meiner Langzeitbeziehung gerade nicht so toll läuft.
Es regt wirklich zum nachdenken an, ob wirklich alles so schlecht ist und lenkt die Gedanken in die positive Richtung! Vielen Dank
Das ist ein tolles Feedback! Ich danke dir und wünsche dir von Herzen viel Glück.
Liebe Grüße
Dankeschön 😊 liebe Claudi, dass die Langzeitliebe auch mal einen positiven Artikel bekommt. Im Netz hat man wirklich das Gefühl als langweilig, stehengeblieben oder bequem dargestellt zu werden, wenn man in einer Langzeitbeziehung lebt. Dabei könnte ich mir auch nach 35 Jahren keinen besseren Mann vorstellen. 🥰 Meiner kann gut zeichnen und malt mir öfter kleine lustige Comics, in der ich die Hauptdarstellerin bin.
Liebe Claudi,
ich freue mich riesig, dass von Dir die Langzeitliebe angesprochen wird. Ich fühle mich manchmal tatsächlich mit meiner bisher 17jährigen Langzeitliebe wie ein Fossil, da es um uns herum eher bröckelt oder bereits getindert wird… Von daher sind wir gefühlt in dieser schnelllebigen Welt eher die Ausnahme. Ich freue mich über jeden, der daran festhalten kann und glücklich in einer langen Beziehung lebt. Keiner sagt das es einfach ist, es ist definitiv sehr harte Arbeit und meines Erachtens nicht selbstverständlich. Aber nichts desto trotz, liebe ich diese Vertrautheit und freue mich noch auf viele aufregende, bewegende Momente. Unsere Kinder “gemeinsam” Heranwachsen zu sehen und alles was das Leben noch für uns bereit hält.
Ein Roman über eine Langzeitliebe klingt auf jeden Fall vielversprechend. Danke für deinen erfrischenden Input, i love it.
Alles Liebe, Jacky
Liebe Jacky, ganz lieben Dank für deine Worte. Ich freue mich mit euch.
Und ja, so ein Roman klingt gut.
Bin auch gespannt.
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudi,
So ein schöner Artikel- danke viel Mal😍 Auch ich erlebe immer wieder dass es so wunderschön ist die Vertrautheit und das tiefe angenommen sein in einer Langzeitbeziehung. Auch wenn auch wir schon stürmische und schwierige Zeiten hatten. Wenn man diese dann gemeinsam meistert, ist man sich noch viel näher und stärker als Paar. Ich finde es auch besonders schön unsere Kinder gemeinsam aufwachsen zu sehen und zu erziehen. Ich fühle mich in solchen Momenten besonders mit meinem Mann verbunden wenn wir uns mitten im bunten Familientreiben einen liebevollen und dankbaren Blick zuwerfen oder gemeinsam über eine Situation mit den Kinder lachen. Oder begeistert über einen Fortschritt eines Kindes austauschen- ich denke keiner freut sich darüber so sehr wie er, mit keinem kann ich so richtig stolz sein auf mein Kind ohne das Gefühl zu haben mein Gegenüber findet es arrogant wenn ich so von meinem Kind schwärme- schliesslich ist es ja auch sein Kind😉 Kürzlich haben mein Mann und ich einen Pingpong Match zusammen gemacht und mein Mann knallte mir den Pingpongball aus Versehen mit voller Wucht mitten auf die Stirn. Das hat richtig weh getan und ich stand kurz einfach nur verdattert da. Und dann haben wir beide gelacht und gelacht, wir haben Tränen gelacht so ulkig war diese Situation! Solche Alltagsmomente sind einfach so schön und Gold wert! Ich finde es so schön dass mein Mann immer noch an meiner Seite ist und wir immer noch gemeinsam lachen- bis zum weinen😂.
Eine Roman über Langzeitliebe würde ich sehr gerne lesen😁👌🏻
Alles Liebe,
Mirjam
Der Beitrag hat meine beschlossene trennung von meiner 30jährigen Beziehung nochmal bestätigt…..diese liebevollen Gesten usw kenne ich nicht. Nur Manipulationen, wie ein 4. Kind am Bein…..yeah ich werde das allein sein feiern und vielleicht irgendwann eine neue Liebe finden
O man, ich wünsche dir alles Gute und danke für dein Vertrauen, auch diese Gedanken hier mit uns zu teilen.
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudia,
ja das stimmt, man muß es etwas feiern, unsere Langzeitliebe, Zumal in unserem engeren Freundeskreis 4 Ehen auseinander gegangen sind.
Unser Ritual ist abends oft spazieren zu gehen und zu quatschen. Das ist unser „Rezept“ und neulich waren wir auf einem schönen Weingut ( Teens waren ausgeflogen) und hatten so viel Spaß und Nähe beim Laufen durch die Weinberge und anschließender Verkostung. Da wollte ich mit niemand anderem dort sein und hab mal wieder Leichtigkeit gespürt 😊 Das war so schön 🥰 .
Wie wunderschön. Ich bekomme grad Gänsehaut. Auf mehr Leichtigkeits-Momente,
alles Liebe
Claudi
Wieder so ein toller Text. Freu mich auf dein neues Buch! Sommer ist meine Lieblingsfarbe ist für mich allerdings genau das Langzeitliebe Buch, hat mich berührt und meine eigene Beziehung in vielem erkannt❤️
Das freut mich sehr, dass ich doch schon eins geschrieben hab!
Alles Liebe,
Claudi
Danke für den tollen Artikel🎀! Unsere Langzeitliebe begann im letzten Jahrtausend mit einer Silvesterknutscherei. Daraus wurde keine „romance“, sondern „nur“ Freundschaft. Aus dieser Freundschaft wurde 10 Jahte später Liebe. Es tut so gut, mit dem besten Freund verheiratet zu sein und das Leben und Familie zu teilen. Unsere älteste Tochter meinte letztens, unsere Lovestory wäre ja romantauglich, weil es ein echter „slow burn“ wäre 🙂 Wir haben uns den Begriff erst mal erklären lassen und uns dann gefeiert 🙂 Also gerne mehr slow-burn-Ü-45-Geschichten bitte 🙂
O ich liebe diese kleine Geschichte. Und wie lustig mit den Tropes. Musste mir die auch erstmal erklären lassen.
Hach schön, schön, schön.
Alles Liebe,
Claudi
Danke für den schönen Text!
Ich träume manchmal, dass ich alleine bin und bin immer so erleichtert, wenn ich aufwache und merke, dass mein Mann neben mir liegt.
Die Vorstellung, mir einen neuen Partner zu suchen, mich auf Dating Plattformen rumtreiben zu müssen und dort ständig schrägen Typen zu begegnen, löst bei mir kein Kribbeln, sondern eher den Fluchtreflex aus. Ich bin so froh, den richtige Mann an meiner Seite zu haben. Ja, es bedeutet auch Arbeit, damit die Beziehung lebendig bleibt.
Aber tindern stelle ich mir furchtbar vor. Ich glaube, dass ist wie bei einer Wohnungssuche: am Anfang ist man noch total aufgeregt und es kribbelt, irgendwann dann nur noch frustriert, weil alles im letzten enttäuschend ist.
Witzig, so geht’s mir auch manchmal. Und ich fühle den Vergleich mit der neuen Wohnung so sehr.
Danke für deine Worte!
Alles Liebe
Claudi
Ein schöner Text, liebe Claudi! Und Du hast Recht, die Langzeitliebe wird zu wenig gefeiert und viel zu negativ dargestellt. Immer hört man nur es ist Arbeit, die Lust aufeinander vergeht, man hat sich nichts zu erzählen und das Kribbeln ist sowieso weg. Ich sage NEIN, das muss nicht sein. Es kann auch einfach nur schön sein und sich nicht nach Arbeit anfühlen.
Ich genieße meine Langzeitliebe sehr!
So schön zu lesen und ich stimme dir vollkommen zu!
Unsere Liebe begann und ist magisch 💫, anders kann ich es nicht sagen. Mein Mann und ich sind durch dick und dünn gemeinsam gegangen, haben unsere drei Kinder großgezogen und persönliche Krisen gemeistert.
Einfach und bequem ist anders, vor allem bei meiner Arbeit. Aber wir sind auch gemeinsam an all dem so gewachsen und immer mehr verwachsen, dass es einfach eine Kostbarkeit sondergleichen ist, für die wir viel getan haben ( ich sag nur gnadenlos ehrliche Kommunikation, was besonders bei einem normal-sensiblen und einem hochsensiblen Part das A und O ist), aber für die wir auch jeden einzelnen Tag so fckn dankbar sind!!!
Schreib das Buch unbedingt! Wer weiß, vielleicht versuche ich mich irgendwann auch noch an einem Roman, aber das schiebe ich noch etwas.
Wie oft stehe ich im Buchladen und such nach Büchern für Frauen, die nicht erst Mitte Ende zwanzig sind und die erste große Liebe finden. Sondern von weiseren, reiferen Frauen, die nicht müde werden, sich neu zu erfinden und mit ihrem Langzeitpartner glücklich sind.
Mein Mann und ich genießen jedenfalls gerade unsere neue Freiheit, seitdem alle flügge sind. Wir haben unser Traumhaus auf dem Land verkauft und uns eine schöne Altbauwohnung in HH gekauft und sind verliebter und freier denn je.
Danke für deine wunderbaren Texte und Gedanken 🫶
Meine Großeltern (92 und 86) sind seit über 65 Jahren verheiratet. Sie haben jahrelang Schweinezucht und Landwirtschaft betrieben. Der Hof ist nicht groß und mit 5 Kindern war das Geld oft knapp. Und dann kam 2001 die Diagnose Darmkrebs. Mein Opa lag im Krankenhaus und musste operiert werden. Meine Mama besuchte damals ihre Eltern regelmäßig. Das eine Mal hatte mein Opa eine Untersuchung. Meine Oma nahm ihre Tochter bei der Hand. „komm wir gehen ins Kaffee, gemeinsam was trinken und einen schönen Kuchen essen. Papa spart doch immer so viel, wir gönnen uns das jetzt mal..“ Als Opa fitter und mobiler wurde nahm er seine Tochter bei der Hand: „so Martina wir beide gehen jetzt schön einen trinken. Inge ist nicht da und deine Mama dreht jeden Groschen um, aber ab und zu muss man sich doch etwas gönnen.“ Nachdem mein Opa aus dem Krankenhaus raus war, berichtete meine Mama ihren Eltern von den beiden kleinen Kaffee Ausflügen. Und das war gut so, denn nach Opas Krebserkrankung gönnten sie sich gemeinsame Urlaube oder einfach mal ein Frühstücksdate. Wenn ich bei ihnen zu Besuch bin, beobachte ich die Liebe, die in den kleinen Momenten zwischen ihnen steckt. Da bringt mein Opa selbstgepflückte Blumen mit, die er auf dem Weg zu seinen Schafen entdeckt hat. Da schenkt meine Oma ihrem Mann Tee ein und garniert diesen mit etwas Kandis, weil Opa mag es doch gerne auch mal süß, Einmal habe ich beide zum Frühstück eingeladen, danach machten wir einen kleinen Spaziergang. Mein Opa bereits mit Stock. Oma war auch schon etwas wackelig auf den Beinen, Opa nahm sie oft bei der Hand oder stützte sie – eigentlich braucht sie auch einen Stock oder einen Rolator, raunte Opa mir zu, aber deine Oma ist das unangenehm, also gebe ich ihr den Halt, den sie braucht. Meine Großeltern sind ein wunderschönes Beispiel für eine tolle Langzeitehe und mit Hof, Kindern, einer Krise aufgrund eines Kurschattens und zwei Krebserkrankungen war es sicher nicht immer einfach und dennoch sind sie heute das glücklichste Paar, das ich kenne.
Was für eine schöne Geschichte, danke dafür!!!
Alles Liebe,
Claudi
Liebe Claudi,
Danke für das Thema – und auch noch für einen Reisetipp: Meine Langzeitliebe und ich waren gerade an der „mur des je t‘aime“ in Paris.
Kurz habe ich den „frischeren“ Pärchen hinterhergeschmachtet, die sich beim Posieren ganz auf sich konzentriert haben.
Und mich dann einmal geschüttelt, denn dass sich unsere Tochter (9) unbedingt mit auf unser Selfie mogeln wollte (und unser Teenager bloß nicht) fühlte sich nach so viel mehr an.
Als mein Mann mir dann unbedingt noch ein „mur“-Souvenir schenken wollte, obwohl er sonst eher praktisch veranlagt ist, war der Tag sowieso gerettet. Mitgenommen haben wir dann gar keins. Die Erinnerungen und die lustigen Fotos sind schon schön genug.
Liebe Grüße
Das klingt ganz schön!
Alles Liebe,
Claudi
Ich finde generell wir sollten Dinge weniger romantisieren (im Hollywood-Eindimensional-Sinn) und in allen Situationen nicht nur das Gute oder das Blöde sehen. Es ist nie (oder sehr selten ) schwarzweiß. Wenn man jung und frisch verliebt (oder auch älter) ist, dann ist alles Schmetterlinge und Prickeln und neu und aufregend. Aber auch unsicher und man zeigt sich vielleicht nicht ganz so offen, weil man sich des anderen noch nicht sicher sein kann. Am Verliebt-Sein ist ja auch nicht alles rosarot. Ja, die Leidenschaft ist da und, sofern man sich schon auf “wir sind zusammen” geeinigt hat, ist ja schon ein bisschen Sicherheit, aber man lernt sich noch kennen. Man ist unsicher, man interpretiert falsch. Das ist auch anstrengend. In Langzeitbeziehungen ist die Beziehung Arbeit, wenig Herzflattern und viel Alltag. Aber im Idealfall ist man sich des Gegenübers sicher und weiß, dass man auch Krisen überstehen wird. Gleichzeitig hat man vielleicht weniger Sex und Nähe. Es gibt immer was, was in anderen Lebensabschnitten und Zuständen anders ist. Besser vielleicht. Aber anderes ist auch blöder. Den Fokus auf das zu legen, was man grade hat, und dafür dankbar zu sein, ist immer gut.
Was generell auch meine Erfahrung ist bzw. mir an mir selbst aufgefallen ist: Ich denke oft in Plots. Nicht weil ich schreibe, sondern weil das die Art ist, wie uns Geschichten erzählt werden. Mein Kopf dramatisiert, weil es in Romanen oder Filmen auch so wäre. Also ein Magendrücken ist vielleicht Krebs (weil sowas wäre dramatisch, und nicht einfach die Magenverstimmung), ein Flirt wäre der Hammer und Langzeitbeziehungen sind oft langweilig. Das ist das, was wir lernen, wie geschichten gehen. Und das ist fatal, denn dann wirkt das Normale, wie das Leben halt ist, mit allem Mittelmaß und halbgaren Sachen und eben nicht himmelhoch jauchzend oder zu tode betrübt einfach als “war es das wirklich” oder “mein leben ist nicht gut weil es so dahinplätschert”. Oder “mit mir ist was verkehrt, alle haben aufregendere leben oder Beziehungen”. Ich wäre dafür, den Gemischtwarenladen Leben wieder zu normalisieren. Und ja, auch mal darzustellen, dass nicht alle in der Lebensmitte erkennen, dass die Beziehung furchtbar ist und man jetzt mal ausbrechen und alles gegen die Wand fahren oder sich befreien muss. Ich bin auch der “ich habe erkannt, dass ich ausbrechen muss, und dann wurde mein Leben fantastisch und jetzt coache ich dich, dass dir das auch so geht” geschichten soooo müde. Kein Zustand im leben bleibt ewig, keine Euphorie, kein Neuanfang bleibt ewig neu. Was soll uns hier verkauft werden? ja, kritisch hinterfragen, was uns guttut, klar. Aber das schätzen, was wir haben, auch wenn es schäbig erscheint von auß0en, wie die alte Jogginghose, aber bequem darf es einfach auch mal sein. diese Polarisierungen nerven mich einfach. Natürlich ist Social Media genau dazu da, und das ist ein Grund, da wenig zu sein für mich. Ich habe neulich direkt zweimal hintereinander Julia Karnicks “Man sieht sich” gelesen. Und das fand ich toll, weil sich die Hauptpersonen dauernd verpassen, eigene Leben aufbauen, sich wieder treffen, aber ich fand es nie übertrieben oder Kitschig. Es waren zwei Leben, die man als erfolgreich und aber auch als gescheitert erzählen kann. Aber nichts total dramatisches. Ich mochte auch Lügen die wir uns erzählen, aber ich habe auch gemerkt, dass mich solche geschichten zwischendurch runterziehen. Ich will nicht ernüchtert sein, ich will nicht alles neu anfangen, ich will einigermaßen fein sein mit meinem mittelmäßigen, manchmal langweiligen aber manchmal auch viel zu aufregenden Leben und mit meiner Langzeitbeziehung, bei der der Lack ab ist aber auch viel Zusammenhalt und Companionship da ist. Ich bin dafür, unsere Lebenserzählungen realistischer und weniger Romantisch zu machen. um dann die kleine Romantik in kleinen Gesten und wendungen erkennen zu können. Und wenn du ein Buch über schöne Langzeitbeziehungen in all ihren Facetten schreibst, bin ich schon sehr gespannt!
Liebe Grüße
Malin