Ich bin ein nur-noch-kurz-dann-Typ. Nur noch kurz den Text fertig schreiben. Nur noch kurz Mittag machen. Nur noch kurz mein Workout machen, die Hausaufgaben checken, mein restliches Leben planen. Und DANN, ja dann kann ich mir was Gutes gönnen. Eine gestohlene Stunde mit Buch auf der Couch. Den Nata zum Kaffee. Einfach nichts tun und in Luft starren. Weil: Ich hab immer das Gefühl, ich muss erst richtig was reißen, bevor ich mir gönnen darf. Aber spätestens ab der Mitte des Lebens ist das ein echtes – pardon – Scheiß-Konzept…!

Keine Ahnung, ob es eine verquere Ableitung vom Leistungsdenken unserer überambitionierten Gesellschaft, zu wenig emanzipatorisches Gedankengut oder einfach falsche Priorisierung ist. Fakt ist:

“Erst die Arbeit, dann das Vergnügen” hat sich als Leitsatz meines Lebens offenbar tief eingebrannt.

So lange es irgendwelche To-Dos auf meinen Listen gibt, kann ich mich nicht dem Gönnen hingeben. Und, seien wir ehrlich: Es gibt immer irgendetwas, was vermeintlich dringender erledigt werden musss, als dass man sich selbst kurz etwas Gutes tut. So rennt man permanent der imaginären Möhre hinterher – um am Ende festzustellen, dass nach den ganzen wichtigen und weniger wichtigen nur-noch-kurz-Dingen leider keine Gönn-Zeit mehr übrigbleibt. Denn: Natürlich steht die nächste must-do-Aktivität schon in den Startlöchern: Waaas, schon so spät, ich muss Kind A zu Freund B bringen und dann endlich einkaufen. Schön blöd.

Gönn-mir-Zeitfenster in dieser Lebensphase, in der man manchmal nicht weiß, wo oben oder unten ist, geschweige denn welcher Tag genau, sind rar gesät. Umso wichtiger, dass man sie erkennt – und nutzt. Damit hat man seine Woche zwar vermeintlich weniger gut im Griff, das eigene Wellbeing dafür ein bisschen mehr. Gönn dir meint nicht das ausgedehnte SPA-Wochenende. Sondern eher diese kleinen Momente zwischendurch: Die nachmittäglichen Hobbyfahrten nicht noch mit Discounter-Stop vollpfropfen – sondern sich für eine Stunde ins Café setzen. Am Morgen, wenn alle los sind, nicht reflexhaft das Küchen-Chaos beseitigen und drei Wäschen aufstellen – sondern mit Tee und Müsli für einen Moment allein auf die Terrasse setzen.

Alles immer auf später zu verschieben, ist mit zunehmendem Alter nicht mehr angebracht.

Ohne jetzt Endzeitstimmung verbreiten zu wollen, aber: Die Hälfte des Lebens ist vermutlich mindestens rum. Mich zumindest bringt das immer wieder zum Nachdenken über Prioritäten. Muss ich wirklich immer erst kurz ALLES regeln, bevor ich das machen darf, worauf ich eigentlich viel mehr Lust habe? Vorausgesetzt, man hat diesen Spielraum, klar.

Natürlich ist es schöne, große Träume und Pläne für später zu haben – die Weltreise, das Wochenend-Domizil, was auch immer. Aber wer weiß, ob es zu diesem irgendwann auch kommt? Das Leben ist schließlich dafür bekannt, an den unmöglichsten Stellen dazwischenzugrätschen. Insofern will ich die guten Dinge lieber gleich jetzt machen – sofern es eben möglich ist. Und klein anfangen, das geht immer.

“Einen Dienstag zu einem Sonntag machen”, haben mein Mann und ich das vor den Kindern genannt.

Statt sich hechelnd durch das Hamsterrad des Alltags zu scheuchen, immer mindestens eine Länge hinter allem her, einmal die Stopp-Taste zu drücken. Für ein paar Momente, die eigentlich gar nicht vorgesehen waren – und umso schöner sind, wenn man sie sich gönnt. War früher ein wenig einfacher, keine Frage, aber es geht auch jetzt, wirklich. Mit einer minimalen Fokusverschiebung von “was muss ich, was meine ich zu müssen” hin zu “was will ich”.

Tut ziemlich gut, kann ich nach den ersten gestohlenen Momenten sagen. Und sei es, einfach an einem dieser letzten goldenen Septembertage, an denen der Spätsommer noch eine Zugabe gibt, sich für eine halbe Stunde in die Sonne zu legen. Die Arbeit, die Kinder, den Haushalt sich selbst überlassen – und sich von ganzem Herzen gönnen können.

Kannst du dir gut gönnen, ohne vorher noch ganz kurz die Welt retten zu müssen…?

Alles Liebe,

Katia