Ich lese meine alten Herbstgeschichten hier selbst so gern. Diese hier, diese und diese. Es ist, als würde ich durch ein Buch mit gepressten Blättern schauen. Ein hübsches Blatt aus jedem Jahr, ein wenig porös geworden. Ein bisschen melancholisch bin ich, aber vor allem vorfreudig, auf all das, was diesen Herbst hoffentlich gut machen wird. Der erste ohne Laterne gehen und ohne Kinderturntermine. Dafür hoffentlich mit ganz viel, auf das ich richtig Lust habe…

Es kommt mir vor, als hätten wir zuhause den Film geswitcht.

Von Disney-Zeichentrick zu Netflixserie, mit Spannung, schönen Bildern, tollen Songs. So fühlt es sich an. Da ist plötzlich so viel Inspiration im Haus, so viel Kultur in unserer Küche: Diskussionen am Esstisch, Tiktok-inspirierte Rezepte, gefeierte Sportereignisse, gemeinsam gehörte (und schief gesungene Songs). Einer kann “Ein Kompliment” auf dem Klavier spielen und mein Herz knetet sich jedes Mal durch. Wir schicken uns coole, per Shazam entdeckte Titel als Screenshot.

Mit jedem Jahreszeitenwechsel klappt ein neues Kapitel auf. Routinen gehen zu Ende. Gestern war ich mit zwei Kindern für einen Termin in der Stadt und wir gingen unter einer Kastanie entlang. Die Blätter über uns schlaff und braun, der ganze Bürgersteig voller glänzender Kastanien und ihrer Stachelhüllenstücke. Ich weiß nicht warum, aber ich liebe sie sehr. “Sie sind reif”, sagte ich, “wir könnten Kastanien sammeln gehen”.

Meine Kinder sagten nichts. Einer schoss mit dem Fuß gegen eine Kastanie, der andere hob eine in Stachelhülle auf, um sie herauszupulen. Da war er, ein kleiner Melancholiepieks. Ich nahm mir vor, den Kleinsten zu fragen, ob wir mit einem Eimer loswollen, aber ich denke, die einzige, die dieses Jahr grinsend ein paar Kastanien einsammeln wird, bin ich. Und das ist total okay. Da liegen noch so viele spannende Kapitel vor uns.

Ausgehölte Kürbisse wird es trotzdem geben. Weil ich sie mag. Und weil die Teenies diese Schweinerei auch noch mögen.

Es ist das erste Jahr, in dem ich in das graue Nieselregenwetter raus schaue und es gemütlich finde, statt bedrückend. Vielleicht sage ich das bloß jetzt, wo es erst beginnt und nicht bereits Wochen Trübe hinter uns liegen. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich mich dieses Jahr auf das Einmuckeln einlassen kann. Den Herbst als Rückzugszeit annehmen und mich darauf freuen, dass nach Winter wieder Frühling kommt. Vielleicht hatte mein Körper sogar letzte Woche schon Lust drauf, als überraschend doch noch Sommer war.

Wir wollen die Zeit nutzen und ausmisten im Haus, auch die Kinder, schöne Filme gucken, Suppen kochen und ich freue mich sogar auf Joggingrunden im Regen, weil die Dusche danach so großartig ist. Mit dem Großen will ich Heartstopper auf Englisch gucken und mit den kleinen ein paar alte Disneyfilme. Ich freu mich auf die Romance-Serie “Nobody wants this” mit Adam Brody, den ich damals bei OC schon viel heißer fand, als Ryan.

Der Herbst nimmt Geschwindigkeit raus…

Ich habe Lust mir satte Braun-, Lila und Rottöne und auf die Finger zu pinseln, ein schönes Kleid anzuziehen, vielleicht mit Glitzer, und eine Strumpfhose und mit meinem Mann auf ein Date zu gehen. Ich plane alte Freundinnen zu treffen, in einer schönen, blätterbesprenkelten Stadt, mit Übernachtung, falls das klappt. Strick auf der Haut fühlt sich so kuschelig an.

Es kommt mir vor, als wäre der Herbst eine Chance, dass sich die rasende Schnelle, mit der alles vergeht, sich vielleicht für eine Weile verlangsamen könnte. Vielleicht habe ich auch jetzt erst mit Mitte 40 begriffen, dass Dauersommer auch nicht glücklich macht?

Aber fragt mich in fünf Wochen nochmal…

PS. Auf was freust du dich in diesem Herbst am meisten?

Claudi