Ich mag keine Sonntage. Die Erkenntnis traf mich kürzlich aus dem Nichts. An einem zäh dahintreibenden Sonntag, um genau zu sein. Ich mag einfach keine klassischen Sonntage, an denen alles und nichts passieren kann. Die Entspannung versprechen und doch meist nicht halten. Die “Familienzeit!” rufen, wenn ich viel lieber für mich wäre. Die Quality Time plakatieren und doch nur wie Alltag bloß ohne Ablenkung sind. Die mir ganz viel Zeit zusichern, die dann in einem schwarzen Loch verschwindet. Allerdings: Außer mir scheint sich in meiner Familie niemand daran zu stören…
Mein Mann zum Beispiel liebt Sonntage. Lange im Bett bleiben! Ausgiebig frühstücken! Endlich mal NICHTS machen! Meist stehe ich dann gen sechs Uhr mit unseren Early Birds auf, frühstücke um halb sieben das erste von ungefähr drei Malen mit ihnen, lese Zeitung, lese vor, spiele eine Runde Kniffel und lege drei Puzzle. (Und bevor es einen Rollenklischee-Aufschrei gibt: samstags bleibe ich meist länger liegen…)
Gegen neun hätte ich dann Kapazitäten, etwas Besonderes mit dem Sonntag anzufangen.
Weil: Ich hab allmählich Hummeln, schließlich bin ich schon seit Stunden zugange. Da will der Rest meiner Familie allerdings lieber frühstücken – zum ersten oder mindestens zum zweiten Mal. Also ergebe ich mich entweder der Familiendynamik, nehme mir ein Brötchen und werde immer kribbeliger, weil ich JETZT GERN ETWAS MACHEN MÖCHTE. Einen Ausflug oder zumindest Pläne, was wir noch so vorhaben wollen. Aber das passt oft nicht in den Sonntagsmood meiner restlichen Familie, die sich sehr viel besser als ich dem Moment ergeben kann.
Wenn ich statt eines Brötchens lieber meine Laufschuhe in die Hand nehme, wird es nach hinten raus meist auch nicht viel besser. Denn komme ich nach einer Dreiviertelstunde erhitzt und motiviert nach Hause – ist dort alles beim Alten. Weil: Siehe Sonntagsmood oben. Bis der Rest meiner Familie endlich aus dem Quark kommt, ist meine Laune meist schon auf dem absteigenden Ast. Und manchmal hab ich dann mittags so gar keine Lust auf gar nichts mehr. Oder bin im alltäglichen Meal-Prep-Modus – der auch nicht wirklich Sonntagslaune aufkommen lässt.
Irgendwie passt unser familiärer Macher- und Motivationslevel sonntags weniger zusammen als an anderen Tagen.
Abhängen versus Abenteuer. Füße hoch versus Fußmarsch durch den Wald. Pläne schmieden versus planlos glücklich sein. Me-Time versus We-Time. Und wenn zufällig mal alle Launen- und Energielevel matchen, bremst uns garantiert ein Fußballturnier unseres Großen aus.
Vielleicht ist das Dilemma die unausgesprochene Erwartung, die Sonntage so mit sich bringen. Dieser alles-ist-möglich-Anspruch, der einen maximal unter Druck setzen kann. Der so viele Optionen bietet, dass man sich in ihnen am Ende restlos verheddert. Doch so ganz allein scheine ich mit diesem diffusen Wochend-Gefühl doch nicht zu sein. Constanze Kleis hat darüber ein ganzes Buch geschrieben – und sagt dazu folgendes:
“Der Sonntag ist der letzte wahre Superheld. Er ist ein Demokrat, der allen ohne Ansehen der Person den gleichen Zeitwohlstand beschert. Wie man damit umgeht, bleibt jedem selbst überlassen. Oft zeigt sich sonntags, dass wir verlernt haben, zweckfrei zu leben. Selbst wenn wir auf dem Sofa rumliegen, machen wir gleich ein Achtsamkeitsseminar daraus. Sonntags lässt sich herausfinden, wer man sonst noch sein könnte …”
Ich fühle mich ein wenig ertappt. Und gleichzeitig erleichtert, weil: Irgendwie dachte ich bislang, mein wiederkehrendes Sonntagstief sei eine einzigartige Macke von mir.
Tatsächlich scheinen aber ziemlich viele Menschen eine Sonntagsneurose zu haben, wie die Wissenschaft das Phänomen nennt. Die das Ende der Woche auch häufig als emotionalen Tiefpunkt erleben. Die am vermeintlich schönsten Tag der Woche launisch, niedergeschlagen, rastlos sind. Weil sie vom Workload erschöpft und vom echten Leben noch nicht ausgelastet sind. Weil sie alles tun könnten, aber erschlagen von den Möglichkeiten sind. Weil das Loch zwischen Soll und Ist unüberwindbar scheint.
Was hilft, wenn die Laune sonntags in den Keller saust? Ganz generell bestimmt, die Erwartungen zu drosseln. Sich nicht an Bildern abzuarbeiten. Auch wenn die sozialen Medien gerade sonntags mit Happy-Family-Pics geflutet werden: Vermutlich ist nicht mal die Hälfte davon wahr. Und auch wenn es nicht den besten Ruf hat: Warum sich der miesen Laune nicht einfach kurz ergeben? Denn die Wissenschaft betrachtet das Sonntagstief als Ausdruck eines natürlichen Rhythmus’ von Auf und Ab: Nach schlechter kommt auch wieder bessere Stimmung. Und mein liebster Launehack: Raus in die Natur. Kopf und Seele lüften hilft immer und meines Erachtens gegen fast alles.
Unsere besten Sonntage sind meist die, an denen wir fixe Verabredungen haben.
Uns nachmittags mit Freunden für einen gemeinsamen Ausflug, ein geselliges Essen treffen. An denen von vornherein klar ist: Zu einem definierten Zeitpunkt verlassen wir das Haus oder bekommen Besuch. Tatsächlich kann ich die freie Zeit vorher viel mehr genießen, wenn ich weiß, dass sie endlich ist. Dass sie sich nicht wie Kaugummi dehnt – und den Tag am Ende trotzdem zu nichts Greifbarem schrumpft.
Fixe Vorhaben teilen unseren Sonntag in eine Komfort- und eine Aktionszone. Ich hocke viel lieber stundenlang am Frühstückstisch, wenn ich weiß, dass wir später noch etwas vorhaben. Ich kann besser auf der Couch relaxen in dem Wissen, dass diese Entspannung ein definiertes Ende hat. Klingt seltsam, aber so ist es.
Es ist jedenfalls der beste Kompromiss, den wir als Familie für unser Sonntagsdilemma gefunden haben. Und wenn ich dafür in Stimmung bin, denke ich noch mal genauer über das nach, was Ildiko von Kürthy über den Sonntag geschrieben hat: “Er ist der Sigmund Freud unter den Wochentagen. Er legt deine Seele bloß, er konfrontiert dich mit Verdrängtem, er zwingt dich auf die Couch und in die Stille, wo du deinen eigenen Herzschlag hörst wie Donnerhall und deine inneren Stimmen dir Unerhörtes zuflüstern.”
Kennt ihr dieses Sonntagsblues auch manchmal?
Alles Liebe,
Liebe Katia, mir geht es 💯 genau so! Mich treibt diese ewige Frühstückerei in den Wahnsinn, wo ich doch so gerne den Tag nutzen würde.
Mein Mann ist aber auch kein Sonntagsfan und sagt oft „irgendwie hab ich heute so ein Sonntagsgefühl“.
Erfüllte Sonntage ergeben sich oft mit Freunden, in der Natur, beim Aufräumen, diy-Projekten oder neulich ganz überraschend in der Kirche. Seid langer langer Zeit bin ich vor 2 Wochen vormittags zur Kirche geradelt, gelegen in einem schönen alten Park, und hab mich in die letzte Reihe gesetzt, bin endlich mal wieder total zur Ruhe gekommen, fühlte mich beseelt und habe ein paar schöne sinnstiftende Gedanken mit in die Woche genommen. Danach noch ein ausgedehnter Spaziergang und der Gedanke, das mach ich mal wieder sonntags.
Lg und ein schönes Wochenende, Mathilda
Hej liebe Mathilda, von diesen erfüllten Sonntagen hätte ich gern mehr. Aber dafür brauche ich oft von Anfang an einen Plan, das ergibt sich bei uns sehr selten einfach so. Aber wenn es so ist, kann ich mich dem gut ergeben. Dein Sonntag klingt ganz herrlich, draußen und allein unterwegs sein, tutr mir auch immer so gut. Alles Liebe, genieß dein kommendes Wochenende, Katia
Hallo Katja, mir geht es genau andersherum. Ich bin Lehrerin an einem Gymnasium und wir haben drei Kinder. Mein kompletter Tag ist zeitlich durchgetaktet: Auf Arbeit in der Schule schreibt mir das Klingeln vor, wann ich anfangen und enden muss. Selbst Toilettenzeiten sind von der Länge der Pause abhängig. In den kleinen Pausen komme ich dazu gar nicht. Zuhause bestimmt ebenfalls die Zeit unseren Alltag: Trainingsbeginn, -Ende, von der Kita abholen, Abendessen und Zeit um ins Bett zu gehen, um danach eventuell noch ein, zwei Stunden zu korrigieren oder Unterricht vorzubereiten. Von daher LIEBE ich einen komplett freien, unverplanten Sonntag!! Es ist in der Regel mein einziger Wochentag, an dem ICH bestimmen kann, wann wir was machen (in einem bestimmten Rahmen natürlich). Mein Mann brauchte etwas, um das zu verstehen. Er, der zeitlich sehr flexibel arbeiten kann, hat gerne ein Event am Sonntag. Mich stresst es unheimlich. Zum Glück haben wir uns arrangiert. Und zum Glück schläft bei uns die gesamte Familie sehr gerne sehr lang. So ist schon mal der freie Vormittag überbrückt. 😅 Liebe Grüße
Hej liebe Juliane, das mit dem lang schlafen ist in unserer Familie ja ein heikles Thema: würde ich gern, werd nicht gelassen… Damit geht der Sonntag schon mal anders los, als ich ihn – zumindest gelegentlich – gern hätte. Ich kann dich aber gut verstehen, wobei unser Familienleben ähnlich wild durchgetaktet ist, leider oft auch an den Wochenenden mit Fußball-Turnieren & Co. Von daher bin ich am liebsten unterwegs bei einem Ausflug, dem ich auch etwas abgewinnen kann (Spoiler: dazu gehört nicht unbedingt, stundenlang am Spielfeldrand zu stehen 😉 Vermutlich ändert sich das mit zunehmendem Alter der Kinder aber alles noch einmal. Bis dahin: Augen zu und durch! Alles Liebe, schönen Sonntag, Katia
Ich mag auch keine Sonntage! Mochte ich noch nie… für mich ist das eine Zwangspause. Man kann nicht einkaufen, nicht shoppen, man darf den Rasen nicht mähen, oder die Hecke schneiden. (Nicht das ich das alles immer sonntags machen wollen würde). 🤣 Aber die Tatsache es nicht zu können/ dürfen stört mich irgendwie dabei. 😅
Hej liebe Lena, stimmt, man wird so ausgebremst. Wobei: Nicht einkaufen können ist nicht mein dringlichstes Problem 😉 Ich struggle häufig eher mit den kleinen und größeren Reibereien, die dieser Tag naturgemäß so mit sich bringt. Alles Liebe, genieß zumindest den Samstag, Katia
Ich liebe Sonntag sehr, eigentlich das ganze Wochenende. Ist nur leider immer viel zu kurz und wirklich nie haben wir mal gar nix vor. Samstag räumen wir auf und putzen, dazu kommen wir ja vorher die ganze Woche nicht. Und kaufen Lebensmittel ein. Manchmal haben wir auch (Übernachtungs-) Besuch. Eigentlich fast immer stehen Fußballspiele von 1-3 Familienmitgliedern Samstags und/oder Sonntags an. Sonntag unternehmen wir was, haben oft Besuch und dann muss ich an den Schreibtisch, Unterricht vorbereiten. Und dann ist es schon wieder vorbei, freie Sonntage wären toll, gibts aber leider fast nie🙃
Hej Franzi, nee, so richtig frei sind Sonntage bei uns auch nie (das mit den Fußball-Turnieren kommt mir sehr bekannt vor…;-). Gegen freie Sonntage für mich mit all den Dingen, auf die nur ich Lust habe hätte ich auch absolut nichts einzuwenden. Aber diesen Tag um fünf Menschen, Meinungen, Neigungen rumzubasteln, um verschiedene Temperamente und Tempi – puh. Das geht mir meistens auf den Keks… Alles Liebe – und dennoch schönes Wochenende, Katia
Liebe Katia.
Schon wieder so ein toller Text, der mich sowas von abholt. Danke!
Am schlimmsten finde ich den Sonntag Abend. Die Kinder kommen nicht zur Ruh. Die Erwachsenen wollen Tatort gucken und danach kann ich meist ewig nicht einschlafen, weil mir die Woche bevorsteht…. Und bin dann heilfroh, wenn endlich Montag ist! 🙂
Hej liebe Rike, danke, das freut mich sehr! Sonntagabend ist der Engegner: alle Kinder in die Wanne, vergessene Hausaufgaben, verwüstete Kinderzimmer – und keiner will ins Bett (außer mir). Da lob ich mir doch jeden Mittwoch 😉 Alles Liebe, Katia
Liebe Katia, mittlerweile hasse ich Sonntage und Samstage auch, leider aus einem anderem Grund… Mein Mann arbeitet in der Gastronomie, sprich am Wochenende und an Feiertagen ist er nicht zu Hause. In der Regel bekommt er unter der Woche frei. Wenn man jung ist und keine Familie hat, kann man damit leben. Mit Kindern wird es schwierig. Wann macht man gemeinsame Ausflüge? Wann trifft man sich mit Freunden, mit anderen Familien? Unter der Woche? Wohl kaum….
Wie das Leben so spielt, hatten wir recht viele “normale” gemeinsame Wochenenden als die Lockdowns kamen und mit ihnen die Gastronomie schließen musste. Da durfte mein Mann zu Hause bleiben und unsere Kinder und ich konnten auch an einem Sonntag Familie sein. Nur konnte man sich leider in dieser Zeit nicht mit anderen treffen… Jetzt ist die “Normalität” zurück und mit ihr leider unsere weniger normalen Sonntage…
Hej liebe Ksenia, o, das klingt vertrackt und tut mir sehr Leid für euch. Am Wochenende immer auf sich gestellt zu sein (und Ansprechpartner Nummer 1 für die Kinder), ist ja eh nicht das entspannteste auf der Welt. Vielleicht versucht ihr einen Familiennachmittag unter der Woche zu etablieren? Das haben wir jetzt auch gemacht. Klappt noch nicht immer, ist aber schön. Alles Liebe, Katia
Liebe Katia,
ich kann dich sooo gut verstehen. Bei uns ist es genauso. Ich bin diejenige, die am Sonntag voller Tatendrang ist, während der Rest der Familie im “Sonntagsmood” ist – wie du so schön schreibst. Ich habe über die Zeit echt versucht, mich darauf einzulassen. Aber irgendwann kommt immer der Punkt, an dem die Stimmung kippt und es doch irgendwie zu spät für einen sinnvollen Ausflug ist. Letztlich sind bei uns auch die Sonntage am schönsten, an denen wir etwas Vorhaben. I feel you.
Viele Grüße und einen hoffentlich angenehmen Sonntag 😉 Ani
Hej liebe Ani, ja, scheint ein typisches Familien-Phänomen zu sein – viele Menschen, viele Meinungen – viele Sontagsmoods 😉 Wir haben diesen Sonntag schon was vor – hurra! Alles Liebe, schönes Wochenende, Katia
… weil es mir immer immer immer ganz genauso ging habe ich vor einiger Zeit den Samstag gegen den Sonntag getauscht.
Ich schlafe Samstag aus, plane spontan in die Stadt zu fahren (hat dann ja auch alles auf 😉), auf den Waldspielplatz, Kuchen zu backen, oder all das eben nicht zu tun weil- isja Wochenende.
Sonntag ist hier inzwischen Arbeitstag. Es wird geputzt, organisiert, Schreibtischarbeit nachgeholt, Essenspläne geschrieben, die Kinder ohne schlechtes Gewissen alleine rausgeschickt zum Spielen…
Es ist mir selbst ein bisschen ein Rätsel warum, aber es funktioniert!
Hej, eigentlich eine ziemlich coole Idee – zumindest für mich selbst. Ob der Rest meiner Familie das auch so sehen würde, weiß ich nicht. 😉 Aber ich stell das mal zur Diskussion – danke für die Inspiration. 🙂 Alles Liebe, Katia
Liebe Katia,
ich lese in deinem Text eigentlich nur zwei Umstände, warum du den Sonntag – so wie er ist – nicht magst. Weil du schon frühmorgens wieder voll eingespannt bist – und, weil es keinen Plan gibt.
Meinst du der Sonntag könnte vielleicht sogar dein neuer Lieblingstag werden, wenn ihr spätestens am Freitag konkrete Pläne macht und dein Mann die Frühschichten planbar mit dir teilt?
Ich persönlich liebe Sonntage! Wir gehen morgens gemeinsam in den Gottesdienst und wenn eh schon alle munter und angezogen sind, dann hängen wir meist noch einen Ausflug, Brunch oder Besuch bei Freunden dran.
Auch, wenn du deinen Sonntag SO nicht magst – vielleicht gibst du ihm ja doch noch mal eine Chance!
Hej liebe Saskia, da könnte was dran sein… 😉 Dieses morgens fremdbestimmt direkt loslegen ist tatsächlich nie der beste Start in einen halbwegs entsapnnten Tag. Aber ich fürchte, die konkreten Absprachen scheitern daran, dass mein Mann gern am Wochenende nichts vorhat und spontan entscheidet, wonach ihm ist – das passt leider nicht so recht zusammen. Aber ich nehme mich zwischendurch dann halt einfach raus, gehe laufen, mal allein auf den Flohmarkt – oder mache einfach für alle ein Kaffeedate aus. So kommen wir längs. Und ich glaube, der Sonntag wird wieder mein besserer Freund, wenn ich ihn mehr selbstbestimmt gestalten kann. Alles Liebe, danke für deine Gedanken und Anteilnahme, Katia