Unser Familienleben ist ziemlich krass auf Kante genäht. Eine kleine Unwucht langt, das komplexe Gebilde aus zwei berufstätigen Eltern, drei Kindern in Kita und Schule mit Hobbys, Hausaufgaben und dem ganzen Arzttermine-Kindergeburtstage-Infekt-Wahnsinn gefährlich ins Wanken zu bringen. Und wir haben gerade verdammt viele Unwuchten zu stemmen. Umso dankbarer bin ich derzeit wieder für unser weitverzweigtes Netz aus Freunden, Nachbarn und Bekannten, die uns ohne große Worte unter die Arme greifen, wenn das Leben gerade verrücktspielt. Und seit Tagen denke ich: Wie würden wir das alles ohne dieses Dorf bloß wuppen…?

Genau genommen ist es das Dorf im Dorf, denn da wohnen wir: Auf einem Dorf vor den Toren Hamburgs. Wo es wunderschön ist, weshalb ich mich damals auf den ersten Blick in Land und Lage verliebte. Und ohne zu zögern mit Sack und Pack und Säugling aus dem pulsierenden St. Pauli ins beschauliche Nirgendwo zog – ohne eine Menschenseele zu kennen. Wie sehr das in die Hose hätte gehen können, ist mir erst im Nachhinein klar geworden.

Wer Kinder hat, braucht Unterstützung – und zwar nicht zu knapp.

Wie blauäugig ich damals da ran gegangen bin: Als ich den Mietvertrag unterschrieb, hatte ich nicht mal gecheckt, ob es in der Nähe eine Kita gab. Kann ich nur mit den Erstkind-Hormonen erklären, die mich damals gefühlt unbesiegbar machten. Aber das Glück ist ja oft mit den Naiven – und alles fügte sich.

Dass ich Claudi, die ich noch aus unserem gemeinsamen Volontariat kannte, beim örtlichen Kinderturnen über den Weg lief, war natürlich ein irrer Zufall. Und ein glücklicher obendrein, denn ich wurde augenblicklich von ihrer wahnsinnig netten Müttergruppe aufgenommen. Nicht nur, dass mich diese gute Gemeinschaft durch diverse Kleinkind-Krisen brachte (Zaubermittel gegen Zahnen, die Geheimnummer der Kinderärztin und seeehr viel Koffein und Kuchen, um den kollektiven Schlafmangel zu kompensieren) – unser Mütter-Kollektiv besteht tatsächlich bis heute. Und wir stehen uns weiterhin in allen Krisen zur Seite.

Dass ich nach der ersten Elternzeit (und lange vor Homeoffice-Selbstverständnis) überhaupt wieder arbeiten konnte, habe ich unter anderem auch Claudi zu verdanken.

Die mir, ohne zu zögern anbot, meinen Sohn, damals drei, einmal wöchentlich mit ihren eigenen Kindern aus der Kita mit zu sich zu nehmen (puh, im Dorf gab es wirklich eine…) – damit ich wenigstens bis 16 Uhr in der City-Redaktion arbeiten konnte.

Auch mein Vater hat uns jahrelang mit mindestens einem Opa-Tag in der Woche unterstützt, mittags die wachsende Kinderschar eingesammelt und bei sich bespaßt, bis wir Eltern abgehetzt aus dem Büro nach Hause kamen. Keine Ahnung, wie wir es anders geschafft hätten – die Kita-Gebühren waren damals noch so horrend, dass eine 8-Stunden-Betreuung finanziell gar nicht drin gewesen wäre.

Aber auch jetzt, wo wir beide zuhause arbeiten, kommen wir kaum einen Tag ohne unser notwendiges Netzwerk aus.

Sei es, dass mein Papa uns Essen vorbeibringt, weil ich es mittags mal wieder nicht schaffe, zu kochen. Oder dass wir den Vierjährigen auslagern müssen, damit die großen Geschwister in Ruhe Hausaufgaben machen können – und der Nachbar spontan seine Tochter und unseren Jüngsten auf den Spielplatz lotst. Wir brauchen unser Dorf, um Halloween-Kostüm-Dramen abzuwenden, um überraschend schulfreie Tage aufzufangen, um die Kinderschar aufzuteilen, um uns mit Grippe einen Nachmittag ins Bett legen zu können und um uns als Eltern Freiraum zu verschaffen.

Es tut so gut zu wissen, dass man sich gegenseitig aufeinander verlassen kann. Weil man sich als Familie eben hilft, weil man sich unter Gleichgesinnten unterstützt. Denn das Dorf funktioniert nicht nur in eine Richtung: Wie häufig habe ich zwei bis drei Kinder mehr unter meinem Dach, am Abendbrottisch oder abends in den Kinder-Betten. Weil deren Eltern eine Auszeit, ein Yoga-Retreat, Zeit zum Einkaufen brauchen. Am Ende profitieren immer alle im rotierenden Prinzip.

Unser Dorf ist mittlerweile wie eine ziemlich verzweigte Familie, in der sich nicht alle Mitglieder nah sein müssen, um selbstverständlich füreinander da zu sein.

Und das ist nicht nur für uns als Eltern ein Geschenk. Auch die Kinder sind glücklich, weil nicht nur Mama und Papa sich um sie und ihre Bespaßung kümmern – sondern diverse Nachbarn und Freunde gleich mit. Sie wissen, dass es nebenan immer Eis im Tiefkühler gibt, dass der nette alte Herr von gegenüber sie immer Äpfel stibitzen lässt, dass die Bekannten drei Häuser weiter stets großzügiger mit der Medienzeit sind. Sie wissen, wer die leckerste Pizza backt, wer im Sommer seinen Pool für sie öffnet, wer Lust auf ein Lagerfeuer und wer die coolsten Spielgeräte im Garten hat.

Meine Familie hat in unserem Dorf nicht nur eine Heimat, sondern ein Zuhause an vielen Orten gefunden. Und dafür bin ich gerade jeden Tag unendlich dankbar.

Habt ihr auch ein Dorf, das sich um euch und eure Kinder kümmert?

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Alles Liebe,

Katia