Im Endspurt auf die Sommerferien hin mutieren wir verlässlich zu Familie Flodder. Nicht nur, dass sich die Haufen in allen Ecken sprunghaft vermehren und parallel zu den To-Do-Listen ein Eigenleben entwickeln. Auch Familienrituale, Abmachungen und Erziehungsversuche kapitulieren vor der Last der noch zu erledigenden Dinge. Und kurz vor Urlaubsbeginn sind wir meist endgültig im Trash-Modus angelangt: Sweets-around-the-clock, täglich TV zum Kinder-ruhig-stellen und immer hat jemand ein Handy in der Hand. Deswegen sind Ferien bei uns nicht nur zur allgemeinen Erholung essenziell – sondern auch, um uns als Familie wieder neu zu sortieren…
Ich brauche immer mindestens eine Woche, bis ich wirklich im Urlaubsmodus angekommen bin. Bis ich den Alltag hinter mir gelassen habe. Bis ich wieder bei mir bin, im Körper und im Kopf. Bis ich genug Abstand habe, um mit ein wenig Distanz auf uns und unser Alltagsleben zu schauen: Wie wir waren, wer und wie wir in Zukunft sein wollen. Was gut gewesen ist, was weniger – und was wir noch besser machen wollen, sollen, können. Eine Art Makeover für alle familiären Lebenslagen.
“Müssen wir wirklich im Urlaub über Erziehung reden?”, maulte mein Mann müde vor den Ferien. “Ich will einfach mal gar nichts müssen!”
Geht mir ähnlich, keine Frage. Eigentlich sollte der Alltag für ein paar Tage und Wochen im Jahr mal keine Rollen spielen. Und doch: Besser als in den Ferien habe ich diesen unverstellten Blick auf uns sonst nie. Habe nie so viel Kraft und Kapazitäten übrig, um uns einmal auseinanderzunehmen – und gedanklich neu zusammenzusetzen. Und die Veränderung direkt mit frischem Urlaubsschwung auch anzugehen.
Denn tatsächlich brauche ich dafür nicht nur ein paar Tage zuhause frei, sondern wirklich eine andere Umgebung. Damit ich mich nicht wieder in drölfzig liegen gebliebenen Projekt-Haufen verheddere, sondern mich ohne alltägliche Ablenkung auf unsere familiären Kernthemen konzentrieren kann. So, wie die Nordsee-Gezeiten das Watt freilegen, so tritt auch erst im Urlaub zutage, was bei uns unter der Oberfläche genau los ist.
Dieses Jahr haben mich vor allem drei große Themen beschäftigt: Unser Medienzeit-Management, die Mithilfe im Haushalt – und gemeinsame Familienzeit im Alltag.
Seit ich kürzlich Claudis superspannendem Text zu ihrem Umgang mit Tablet & Co. gelesen habe (hier ihre Gedanken) wünsche ich mir eine Veränderung in unserer Haltung dazu. Besonders nachdenklich hat mich ihr Hinweis gestimmt, dass die Kinder immer so auf diesen TV-Termin geiern, wenn man ihn wochentags irgendwann abends zwischen 17 und 18 Uhr setzt. Das kenne ich so gut aus unserem Familienleben – und mich macht die tägliche Frage nach “Wann dürfen wir was gucken…?” ehrlich gesagt mittlerweile wahnsinnig.
Insofern will ich der Schaumann’schen Wochenendregelung nach den Ferien unbedingt eine Chance einräumen. Auch wenn ich davon noch meinem Mann überzeugen muss, der gern an unserer bisherigen wir-erkaufen-uns-täglich-eine-halbe-Stunde-ohne-Geschrei-Regelung festhalten will.
Denn natürlich entscheide ich neue Regeln oder Anstöße für unser Miteinander nicht komplett allein.
Von daher ist Urlaub auch für uns Eltern immer eine gute Gelegenheit, um abzugleichen, ob wir noch in den wichtigen Familien-Fragen an einem Strang ziehen – oder ebenfalls neu justieren müssen. Denn je wilder unser Alltag uns am Funktionswickel hat, desto weniger haben wir meist Muße oder Lust, uns über unsere grundlegende Marschrichtung auszutauschen. Und das geht am Strand mit weitem Horizont vor der Nase einfach besser.
Mir ging in den vergangenen Wochen verstärkt auf den Zeiger, wie wenig die Kinder bei uns im Haushalt mit anpacken. Das kann ich ihnen nicht anlasten, von allein kommt vermutlich kein Kind darauf, seinen Teller in die Spülmaschine zu stellen oder – voll verrückt! – die saubere Maschine auszuräumen. Aber bislang hatte ich einfach keinen Kopf, dafür allgemeinverbindliche Regeln aufzustellen – aber das soll sich jetzt ändern.
Ab sofort soll jedes Kind im wöchentlichen Wechsel eine kleine Aufgabe bekommen, um die es sich verlässlich kümmern soll.
Ich störe mich beispielsweise seit Ewigkeiten daran, dass unser Tisch so lustlos gedeckt ist. Da ich aber nicht kochen, eindecken und gleichzeitig die Kinder davon abhalten kann, sich wie gierige kleine Raubtiere schon während der Abendbrot-Zubereitung auf Schüsseln und Schälchen zu stürzen, braucht es eine andere Regelung.
Tischdecken fällt daher jetzt in den Aufgabenbereich der Kinder. Vielleicht, weil ich insgeheim auch hoffe, dass ein liebevoll (oder immerhin ein kreativ) eingedeckter Tisch mein Trio dazu bewegt, sich am selbigen wie zivilisierte Menschen zu benehmen (hier ein Text darüber, warum ich zwischendurch mal erwogen habe, überhaupt nicht mehr ihnen zu essen).
Jeder soll zudem sein eigenes Geschirr im Anschluss wieder wegstellen, wer Tischdienst hat, räumt auch den Rest mit ab und in die Spülmaschine ein. Außerdem sollen die beiden Großen im Wechsel den Aufräumminister für alle drei Kinderzimmer und herumfliegendes Spielzeug machen. Der Kleine hat Katzendienst und Küchenhilfen werde ich auch noch engagieren – mal sehen, wie es läuft. Hier und hier findet ihr noch zwei Texte von Claudi mit Anregungen zum Thema Haushalt und Kindermithilfe.
Was mir im Urlaub außerdem aufgegangen ist: Im Alltag verbringen wir als Familie zu wenig Zeit miteinander.
Natürlich sind wir viel beisammen, um Hausaufgaben und Hobbys zu betreuen, Spielbesuch zu beaufsichtigen, Einkäufe zu erledigen. Aber wirkliche Familienzeit, in der wir fröhlich um Tischtennisplatten turnen, ein Frisbee-Turnier veranstalten oder ein Picknick am Strand so wie in den Ferien? Fehlanzeige. Weil wir Eltern dann eben doch immer eher arbeiten, statt einen kleinen Ausflug zu organisieren. Weil wir wieder Alltagsdingen den Vorrang geben, statt uns eine kleine Auszeit davon zu verschaffen, die uns allen immer so gut tut!
Ich habe gerade unseren einzigen hobbyfreien Wochennachmittag zum Familientag ausgerufen. Entscheiden dürfen die Kinder, die Eltern bringen gute Vorschläge ein, die nach Möglichkeit allen gefallen. Oft sind es übrigens keine wilden Sachen: Alle zusammen auf einen spannenden Spielplatz gehen, wo der eine kicken und die anderen klettern können. Eine spontane Mini-Radtour mit Keksen und Kirschen als Picknick für einen schönen Ort, an dem man dabei vorbeikommt. Eine Abenteuertour durchs Unterholz des nahen Wäldchens. Ein nostalgisches Spaghetti-Eis im Nachbardorf. Alles besser, als die Kinder dauernd wegzuschicken: “Ich muss nur noch kurz, gleich, warte mal…”
Jetzt also wieder Familie Formidabel statt Flodder.
Mal sehen, wann uns das Leben erneut dazwischenkommt. Ob sich unsere Ideen durchsetzen, ob alle mitziehen. Ob ich mag, wer und wie wir jetzt sind. Wir sprechen uns dann nächstes Jahr vor den Sommerfreien wieder…
Habt ihr im Urlaub auch neue Pläne geschmiedet? Was ist euch wichtig? Ich bin gespannt, kommt gut im Post-Urlaubs-Alltag an.
Alles Liebe,
Witzig, mich treiben gerade ähnliche Themen um! Vielleicht hängt das mit den gleichen Urlaubsort zusammen? Wir waren auch auf Föhr dieses Jahr und ich habe euch von weitem gesehen 🙂 du wirktest so sympathisch wie hier auch! Und ihr als Familie ganz harmonisch, während bei uns nur Geschrei war 😅 großes Kompliment an deine/eure Arbeit hier und vielen Dank für die guten Anregungen!
Hej liebe Nina, ach wie witzig! Hoffe, ihr hattet einen schönen Urlaub? Ich schreibe gerade über unseren. 😉 Du hättest auch sehr gern “Hallo” sagen dürfen, ich finde es immer total spannend, euch alle mal im echten Leben zu sehen. 🙂 Und allerliebsten Dank für dein tolles Kompliment, das freut mich und uns sehr. Jetzt geht’s auf dem Blog auch wieder richtig los, freuen uns, wenn du gern vorbeiliest! Auf bald am Strand, alles Liebe, Katia
Echt verrückt, dass gefühlt alle die gleichen Themen haben 🙈 sind wohl die Themen unserer Zeit.. wir haben auch schon alles mögliche durch an Regeln und Vereinbarungen. Jetzt lassen wir die Kids ähnlich wie Claudi am Wochenende daddeln. Nach der Schule/ Kita dürfen sie eine Folge TV gucken. Das klappt bislang ganz gut. Und Haushalt. Jaaa haben wir auch schon einiges probiert. Ich schreibe jetzt samstags und ab und zu wochentags meine TO Do Liste. Jeder sucht sich entweder eine große oder zwei kleine Aufgaben aus und erledigen sie. Klappt irgendwie besser, als feste Dienste. Und alle räumen Gemeinsam den Tisch ab nach dem Essen… bin gespannt auf deine Erfahrungen (falls du sie hier teilen möchtest)
Danke für deine Inspiration ❤️ Liebe Grüße! Mary
Hej liebe Mary, ist wohl so 😉 Dein Ansatz gefällt mir auch: Nicht ganz so strikt, nur ein grober Rahmen, in dem die Dinge laufen sollen. Tut uns auch immer ganz gut. Behalte ich als Plan B im Hinterkopf. Und ja, meine Erfahrungen teile ich gern, wenn sich alles hier wieder eingegroovt hat. Danke für deine nette Rückmeldung, schön, dasss du nach der Sommerpause wieder dabei bist. Alles Liebe, Katia
Super spannend.
Und super spannend beim Lesen ständig „hier auch!“ zu denken, und dann in den Kommentaren genau das selbe von Anderen zu sehen 😄
Mich beschäftigt aktuell der Punkt „Familienzeit“ auch so. Und ganz genau wie du bin ich am Ende vieler „offenes Haus genießen“ versus „klare Strukturen und feste Tage zum Verabreden haben“- Gedanken an den Punkt gekommen, einen Familientag in der Woche einrichten zu wollen.
Weil es uns allen so gut tut. Und weil ich auf der Suche nach eben einem solchen freien Tag in der Woche auf erschreckend viele geblockte Zeiten gestoßen bin.
Dann musste ich ein bisschen lachen, habe mich an deinen Artikel erinnert, in dem du von eurer Hobby-Flut geschrieben hast. Und ich dachte Neeee- DAS wär mir ja zu stressig. Ich bin doch so gern mal mit Nixtun zuhause.
Tja- siehe da: An wirklich jedem Wochentag hat hier irgendein Kind irgendwas.
Selbsterkenntnis… 😄
Lieben Dank an der Stelle auch dafür.
Und lieben Dank euch Beiden für eure wundervolle Arbeit, die auch mir so oft Gedankenanstöße, Inspirationen, schöne Me-time-Augenblicke schenkt.
Ein großartiges Geschenk.
Hej liebe M., das ist ja fast unheimlich, wie ähnlich unsere Wasfürmich-Community gerade tickt… 😉 Und unheimlich spannend, vor allem, dass wir zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen. Dieser Familientag ist mir auch gerade superwichtig, weil gemeinsame verbrachte schöne Zeit einfach so wichtig für eine gute Grundstimmung ist. Bin gespannt, ob wir es schaffen, wir sind leider nie die konsequenteste Familie… 😉 Ach, ich freu mich gerade so sehr über dein tolles Kompliment.Es ist wirklich immer wieder so schön zu lesen, dass meine und unsere Arbeit euch gefällt, euch etwas nutzt, euch zum Lachen, Nachdenken, auch zum Widerspruch anregt. Das ist mir ganz viel Wert! Alles Liebe, auf bald, Katia