Ich bin seit zehn Jahren Bonus-Mama eines mittlerweile erwachsenen jungen Mannes. Und ich kann euch sagen, leicht war das nicht. Aber: Ich glaube, ich habe trotz mancher Nervenzusammenbrüche einiges richtig gemacht in diesem verflixt schweren Patchwork-Ding.

Alles begann  mit einem blöden Fehler. Wir – also der damals zwölfjährige Sohn meines Mannes und ich – lernten uns
an einem lauen Spätsommerabend im September kennen, beäugten uns erst schüchtern und bewarfen uns am Ende des Abends mit Weintrauben. Ich fand das gar nicht lustig, denn mit Lebensmitteln hatte ich vorher noch nie in meinem Leben gespielt.

Aber an diesem ersten Abend spielte ich mit, weil ich unbedingt locker sein wollte und witzig. Und dann blieb ich in dieser Nacht auch noch ich bei meinem Mann, der damals mein neuer Freund war. Das mit der Übernachtung war eigentlich anders geplant, aber wir hatten unsere Pläne im Laufe des Abends aus Bequemlichkeit und in unserer Turteltäubchen-Verliebtheit über den Haufen geworfen.

Später haben wir erfahren, dass das viel zu schnell für den damals Zwölfjährigen war. Blöd gelaufen. Unser Fehler. Da gibt es nichts schön zu reden. Hier hätte unsere Geschichte schon vorbei sein können, bevor sie richtig begonnen hat.

Ich hatte ja doch keine Ahnung von Kindern

Ich hatte vor über zehn Jahren ja noch keine Kinder. Mein Mann aber hatte seinen Sohn aus erster Ehe. Ich lebte (zumindest in den ersten Monaten) noch in einer anderen Stadt (aber nah dran) und die Mutter des Bonusjungen wohnte im gleichen Ort wie mein Mann. Der Sohn meines Mannes wechselte seinen Aufenthaltsort, wie er gerade Lust hatte.

Das nervte mich manchmal. Weil es unser Zusammensein sehr unplanbar machte und wir uns eigentlich immer nur bei meinem jetzigen Mann treffen konnten. Konnte ja sein, dass sein Sohn abends angeradelt kam, um spontan bei uns zu übernachten. Gleichzeitig ahnte ich, wie wichtig diese Spontaneität für den Jungen war. Wie schön eigentlich, dass er zwei feste Anlaufstellen hatte. Dass immer jemand für ihn da war.

Das Eis wollte lange nicht schmelzen

Nach der ersten Albernheit verlief unsere Annäherung verhalten. Wir waren beide nett zueinander. Aber da war keine Nähe. Es war quadratisch, praktisch, höflich. Nach Familie fühlte sich das nicht an. Mein Mann hat das damals oft betrauert, dass ich nicht offensiver versucht habe, das Herz seines schüchternen Jungen zu gewinnen. Aber ich war damals bloß so, wie ich bis heute neuen Menschen in meinem Leben gegenüber bin. Eher zurückhaltend. Und warte lieber erstmal ab.

In der Rückschau glaube ich, dass genau das unser Geheimnis war. Und ich bekomme Gänsehaut, wenn ich darüber schreibe. Denn wir verstehen uns heute, zehn Jahre später, blendend. Können gute Gespräche führen, haben oft einen ähnlichen Humor und machen uns zusammen über meinen Mann lustig. Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Mein Bonussohn (es gibt glaube ich kein schönes Wort für diese Verbindung, oder?) vertraut mir. Vielleicht, weil ich anfangs so zurückhaltend war. Weil ich ihn erstmal in Ruhe gelassen habe.

Bremen brachte uns ins Beziehung

Zum ersten Mal näher gekommen sind wir uns, als mein Mann und ich spontan eine kleine Challenge ins Leben riefen. Der Sohn meines Mannes ist Werder-Bremen-Fan, das Fußballherz meines Mannes schlägt für Schalke. Doch welcher Fan sollte ich nun werden? Sie gaben mir ein paar Wochen Bedenkzeit, bis zum geplanten gemeinsamen Besuch eines Werder-Spiels musste ich mich entscheiden.

Klar, wofür ich mich entschied, oder? Die Szene werden mein Mann und ich nie vergessen. Wie dieser zwölfjährige Junge mitten an der Bratwurstbude in Bremen in die Luft sprang und jubelte, als ich meine Vereins-Entscheidung feierlich verkündete. Wir schauten uns an – und plötzlich gab es da ein Wir.

Leicht war es auch danach nicht.

Zwischenzeitlich litt ich unter Kontrollverlust – unter anderem in meiner Küche. Der Sohn meines Mannes hatte – sagen wir mal – Phasen. Eine davon war die Eiweißphase. Wenn man nicht aufpasste und sich rechtzeitig die Nase zuhielt, moderten tagelang Kidneybohnen im Kochtopf. An Reis, der im Frühsommer mehrere Tage unberührt und selbstvergessen auf dem Herd stand, möchte ich nie wieder riechen. In aller Seelenruhe wurde zu allen Tages- und Nachtzeiten Fleisch angebraten. Weil man danach ganz dringend weg musste, stapelten sich Töpfe und Pfannen mit
verkrustetem Pubertier-Essen neben der Spüle.

Ich bin ein toleranter Mensch. Wirklich. Und es hat lange gedauert, bis ich es übers Herz brachte, eine freundliche Bitte zum Aufräumen zu senden. Bei meinen Kindern wäre es anders gewesen. Aber ich wollte ja unser Band nicht zerstören. Also hielt ich mich in all den Jahren eher zurück. War da. Hörte zu. Fragte nach. Bot meine Hilfe an. Und kochte leckeres Essen (ohne Kidneybohnen!). Trotzdem fühle ich mich heute  sehr vertraut mit diesem jungen Mann, der mittlerweile längst ausgezogen ist.

Tipps für Patchwork? Puh, das ist schwer!

Jede Familie tickt anders und jede Familie hat andere Konstellationen. Im Nachhinein denke ich, dass es einfacher war, weil ich noch keine Kinder hatte und mein Mann und ich in den ersten Jahren auch keine gemeinsamen. Es war also ein sehr kleiner Kreis, oder besser ein Dreieck, in dem wir uns bewegten und aneinander gewöhnen konnten. Als später gemeinsame Kinder hinzukamen, war mein Bonussohn fast erwachsen und sowieso schon flügge.

Rückblickend denke ich, dass es gerade meine (und seine) Zurückhaltung, Höflichkeit und Toleranz war, die unsere vertrauensvolle Verbindung hat entstehen lassen. Meine Hochachtung und Respekt gilt all auch Bonusmamas, Bonuspapas und Bonuskindern, die Patchwork in viel schwierigeren Konstellationen und Distanzen leben. Tschakka, was ihr leistet ist der Wahnsinn.

PS. Habe übrigens vor Jahren zufällig gehört, wie der Sohn meines Mannes mich seinen Freunden gegenüber Stiefmutter nannte. War aber nett gemeint, glaube ich…

Lebt Ihr auch in einer Patchworkfamilie? Was sind Eure Erfahrungen?

Foto: Erik McLean/Unsplash

Alles Liebe,

Maren