Meine Tochter hat Style. Einen unkonventionellen, zugegeben, aber definitiv einen, der in Erinnerung bleibt. Sie kombiniert Schlafanzughosen mit Jeans-Hot-Pants, Sportshirt mit meiner ausrangierten 70er-Jahre-Vintage-Skijacke – im Hochsommer. Und Söckchen in Sandalen mit luftigem Jumpsuit und rotzgrünem Tennis-Sweater im tiefsten Winter. Meine Möglichkeiten, zu intervenieren sind gleich Null. Immer, wenn es mich doch juckt, ihr in der aktuellen Aufmachung den Weg aus dem Haus zu verwehren, denke ich: Keine modische Biografie ist komplett ohne Fehltritte – und ohne die eigene Mutter damit bis aufs Äußerste gereizt zu haben…
Meine Mama hatte mit mir sicher auch ihre modischen Themen: Siebziger-Jahre-Rüschenkleidchen, die höchstens eine Handbreit über dem Po endeten – vorausgesetzt, ich hielt mich kerzengerade. Als Schuluniform, wohlgemerkt. Als Teen hatte ich außerdem ein Faible für bauchfreie Tops und original bestickte Hüfthosen mit Schlag, wobei der Abstand zwischen Hosenbund und Saumkante gut und gern 30 Zentimeter betrug – eine ähnliche Dimension wie der Absatz meiner Plateausandalen. Zum Ausgehen in die Dorfdisco liebte ich Abendkleider mit Gaultier-artigen Spitzbrüsten nebst Opern-Handschuhen, die bis über den Oberarm reichten. Und der Lidstrich schlängelte sich bis zur Schläfe.
Das waren Glanzzeiten der Geschmacksverirrung!
Vielleicht hatte meine Mutter aber auch selbst schuld, dass ich ab 13 so einen Styling-Schub machte: Wenn ich Kinder-Bilder von mir anschaue, schießt mir noch 35 Jahre später die Schamesröte ins Gesicht: Zeltartige Fruit-of-the-Loom-Shirts kombiniert mit karottigen Stone-Washed-Witboy-Jeans und neonfarben gestreiften Polyester-Pullis. Getoppt nur von meiner Steffi-Graf-Gedächtnisfrisur.
Wie es mein französischer Freund S. kürzlich so mokant formulierte, als er ein Ferienbild von mir in ähnlicher Aufmachung betrachtete: “Kein Wunder, dass die Franzosen die deutschen Urlauber früher ausgelacht haben…” Aber vermutlich sollte ich darüber stehen, denn wie Silke Wichert kürzlich im SZ Magazin schrieb: “Man sollte geschmacklich ein paar Mal auf die schiefe Bahn geraten sein. (…) Wer immer nur modische Schonkost verabreicht bekommt, wird irgendwann das Gefühl haben, etwas Entscheidendes verpasst zu haben.”
Denke ich auch, wenn ich den beige-getrimmten Kinderreigen auf Instagram betrachte.
Wo sind die knallbunten Paw-Patrol-Sweater, wo die Einhörner als Wendepailletten? Wir sollten unseren Kindern besser stylishe Entgleisungen ermöglichen – sonst fangen sie nachher noch als Thirtysomethings an, Verpasstes nachzuholen. Und die Toleranz für Modesünden jenseits der 30 gilt vielleicht gerade noch für erklärte Paradiesvögel wie Harald Glööckler – alle anderen sind dann nur noch peinliche Style-Nerds. Oder sie bleiben mit Pech ihr Leben lang stromlinienförmige gedeckte-Farben-Träger, bei denen ein kobaltblaues Halstuch schon als schrill gilt.
Genauso wie heimlich zu rauchen und nachts im Schlosspark den falschen Kerl zu küssen, ist auch unsere modische Coming-of-Age-Geschichte mit all ihren Fauxpas’ ein prägender Teil unserer Biografie. Nein, ich würde heute keine glänzenden Lackleder-Stiefel tragen, die bis weit über das Knie reichen – aber ich bin froh, es getan zu haben, als die Zeit dafür war. Jeder sollte in seinem Leben Klamotten gekauft und getragen haben, die vielleicht nicht zu einem selbst, aber zu der Zeit gepasst haben. Die zu klein, zu hässlich, zu bitchy waren – und die unser Leben dennoch bereichert haben. Und sei es nur um eine Anekdote.
Jetzt bin ich plötzlich die Mutter, die die modischen Sturm-und-Drang-Phase ihrer eigenen Tochter erlebt.
In der die Wahl der falschen Strumpfhose über einen guten oder schlechten Tag entscheidet. In der morgens um fünf vor Acht sieben verschiedene Outfits probiert und wieder verworfen werden. In der Lagen-Look und Muster-Mix so verwoben werden, dass mir nur vom einmaligen Hinschauen ganz schwummrig wird.
Nur: Meine Tochter ist noch nicht mal sieben. Ich werde vermutlich noch viel Style-Freude mit ihr haben, während ihre Outfits parallel zu meiner Lunte kürzer werden. Und dennoch: “Interessanter ist, man war dabei, statt nur aus stilsicherer Entfernung zugeguckt zu haben”, sagt Silke Wichert in ihrem Text. Ich sollte mich vielleicht einfach von meiner Mittleren modisch neu inspirieren lassen.
Und wer weiß: Vielleicht hole ich mal wieder mein Bustier-Kleid aus den Tiefen meines Schrankes…? Denn natürlich habe ich die besten Modesünden meiner eigenen Jugend aufbewahrt. Damit ich nicht vergesse, woher ich stylish so komme – und warum ich immer noch lieber Colour Blocking statt Pastelluniform trage.
Was waren Eure größten Modesünden?
Alles Liebe,
Alles wahr….. leider! Ich liebte meine stonewashed Jeans mit weissem Streifen an der Seite- dazu eine ballonseidene Trainingsjacke in glänzend blau-grün. Zum Glück hab ich kein Foto von damals, doch vor meinem inneren Auge sehe ich mich . 🙄Und mein jetziges Ich windet sich vor Scham.
Doch was soll es.. damals fühlte ich mich super!
Und mein Sohn würde mir HEUTE die Jacke aus dem Schrank stibitzen, weil es nun wieder cool ist ….😀
Hej liebe Silvia, absolut – Blousonjacken würde ich mit ein wenig Abstand betrachtet vielleicht heute auch wieder anziehen! Hui – die Jeans mit weißen Streifen an der Seite war die sportliche Variante – klingt gefährlich dab´neben 🙂 Bauchtaschen waren auch gräßlich und eine Weile habe ich mir die Fingernägle in strahlen weiß lackiert – sah auch mehr als seltsam aus… Alles Liebe, Katia
Yeah, ich bin auch Team Bauchfrei! Und dazu so längere Strähnen links und rechts, wie diese Girlband mit 3 Buchstaben.. und Polyesterhosen. Iih, würde jetzt nicht mehr tragen. Aber bei uns gibt’s tatsächlich die Einhorn-Wendeteile! Ich finde, die gelten auch schon als Entgleisung.. Liebe Grüße!
Hej Mirjam, sehr gut, gebt den Kindern geschmacklose Klamotten an die Hand, auf dass sie ihren Style finden! ;-). Glücklicherweise laufen ja die wenigsten Erwachsenen mit Pailetten-Wendeteilen herum, insofern ist das wohl ein Privileg der Jugend. Viel Spaß euch noch, in der Pubertät kommen vermutlich erst die richtigen Modesünden 🙂 Alles Liebe, Katia
Modische Entgleisungen? Ich war dabei!
Zur Zeit des Konfirmandenunterrichts, also in etwa mit 13, kaufte ich mir einen schwarzen, langen Mantel. Sackförmig und qualitativ grenzwertig, aber damals genau mein Stil. 🤷
Dann folgte eine breite, blondierte Strähne im Haar. Stand mir genauso wenig wie schwarze Klamotten.
Zum Abi dann tomatenrote Haare, die auch nicht gerade meinem Teint schmeichelten.
Darauf folgten Camel -Boots und Karohemden, die obligatorische 501.
Alles nicht meins, aber ich kann von mir sagen, dass ich modisch nichts verpasst habe.
Und nun? Was soll ich sagen: Mein Sohn ist 13 und in der schwarzen Phase angekommen. Ich bin gespannt, wo es ihn noch hinführt!
Hej Nicole, ach wie herrlich! Schwarz fand ich als 14-/15-Jährige auch sehr cool, vor allem die nachträglich gefärbten Second-Hand-Jeans – und nicht zu vergessen, der schwarz-weiße Palifeudel. Hach, daran hab ich ewig nicht gedacht – wie lustig! 😉 Nein, geschmeichelt haben mir auch die nicht die abgerockten Pyjama-Hosen (!!), die ich im Doppelpack übereinander trug, weil sie meinem Freund gehörten, in den ich so unsterblich verknallt war. Ach, das wird noch lustig mit unseren Kindern. Lassen wir sie ihre eigenen Modesünden begehen…. Alles Liebe, Katia
Ich trug zur Abifeier ein Trachtenkleid aus Leinen, dicke grob gestrickte Wollsocken und Haferlschuhe – und wohlgemerkt- ich lebte nicht in Bayern, sondern in der Eifel. Bissel daneben gegriffen. Das Kleid hab ich nach 27 Jahren natürlich noch!
Hej Therese, das ist wirklich schwer zu toppen! 😉 Obwohl: ich hatte mal eine Phase, wo ich Skaterhosen zu Plateausandalen und dicken Wollsocken kombiniert habe – haarscharf daneben… Und ich hab all meine Abendkleider, halb durchsichtig, eng wie eine Schlangenhaut oder mit so Madonna-mäßigen Spitzbrüsten noch alle im Schrank. Dazu stehe ich! 🙂 Alles Liebe, Katia
Modische Entgleisungen..gab es sicher einige..ich hatte eine grasgrüne Cordschlaghose am liebsten kombiniert mit bauchfreien Tops,die farblich nicht unbedingt zur Hose gepasst haben.Oder Skaterhosen..oder Miss Sixtie-Jeans,die sehr tief saßen-Aber eigentlich hab ich es geliebt und finde es auch immer noch nicht so schlimm.. Wirklich peinlich ist mir nur die sehr kurze Zeit Anfang des Studiums mit Poloshirt und Perlenohrringen-furchtbar spießig und ganz schnell wieder verschwunden.
Hej liebe Lotta, jaaa – die Miss-Sixty-Hosen-Phase hatte ich auch, möglichst unterm Hüftknochen sitzend 😉 Cordschlaghosen hatte ich ebenfalls, allerdings in dunkelblau und vermutlich würde ich sie heute noch anziehen. Ich steh immer noch auf diesen Hippie-Boho-Style, den ich als 16-Jährige schon gern kultiviert habe. Zu der Perlen-Paula-Fraktion hab ich mich glücklicherweise nie hingezogen gefühlt – dafür hatte ich diesen seltsamen Berlin-Chic mit Neonfarben und Cowboyhut – schlimm! 🙂 Aber ab und an sollte man sich mal wieder einen modischen Fauxpas gönnen – hebt die Laune! Alles Liebe, Katia