Ich hatte für dieses Jahr nur einen Vorsatz: Wieder mehr Freunde zu treffen. Und dann? Lief alles anders als geplant. Wie es sich anfühlt, wenn die Vorsätze bereits im Februar kippen. Und einem bewusst wird, dass man durch die vergangenen zwei Jahre scheinbar tatsächlich ein anderer Mensch geworden ist…

Aber von Anfang. Die Einsicht kam langsam, aber stetig. Ich merkte, dass ich von vielen Dingen, die Freundinnen so machten, nichts mehr wusste. Erfuhr nur durch Zufall, dass eine einen neuen Job hat oder eine andere vierzehn Tage Corona. Während ich eine gefühlte Ewigkeit gezwungen war, mich monatelang nur um meine kleine Familie und mich zu drehen, kam ich aus dieser Pirouette jetzt scheinbar nicht mehr raus. Ich drehte einfach weiter. Cave Syndrom nennt man das heute wohl.

Richtig hellhörig wurde ich, als André vorschlug, nicht bloß Samstag, sondern auch noch Freitag Freunde zu treffen. So wie wir es bis vor zwei Jahren jedes Wochenende gemacht hatten. Ich hörte mich stöhnen: „Och ne, ich bin so müde. Und brauche echt mal meine Ruhe.“ Ich war erschüttert. Ich hatte Tag für Tag nur mit mir. Und wann hatte ich eigentlich aufgehört, Entspannung und Leichtigkeit aus Treffen mit Freunden zu schöpfen? Ich war, wie ich nie sein wollte.

Ich wollte da raus und fühlte mich darin völlig aus der Puste.

Verabredungen ausmachen ist anstrengend geworden. Und telefonieren auch keine Alternative, denn das hasse ich. Außerdem weiß ich nie, wann ich das machen soll. Morgens, wenn ich wie verrückt versuche, meinen Vollzeitjob in ein paar Vormittagsstunden zu quetschen? Mittags, wenn ich erst Kommentatorin beim wilden Hausaufgabenmatch bin und dann mein Kids zu ihren Hobbys coache? In den seltenen Momenten am Nachmittag, wenn ich mal kurz einen Kaffee trinke und durchatme? Oder wenn ich nachmittags doch arbeite, weil ich es morgens nicht geschafft habe. Oder abends, wenn um neun endlich alle im Bett sind, aber meine Zunge als einzige wirklich müde ist?

Ich schaute mich um. Ich registrierte, dass Freundinnen es sehr wohl schafften, sich ständig zu treffen. Ich schaute in meinen Kalender und sah nichts. Das war der Moment, in dem ich meinen Vorsatz fasste. Ich verwarf den Neid und ließ mich inspirieren. Und ich machte für das neue Jahr jede Menge Treffen aus. Fancy Restaurantbesuch in der City mit den Mädels aus dem Ort, ein langes Wochenende mit alten Freundinnen im Hotel in Hamburg. Ein Malabend mit meinen Kunstfreundinnen. Ein Kaffeeklatsch mit der Nachbarin. Ich hatte so Bock, auf dieses neue, frische Jahr und auf mein neues, altes, geselliges Ich.

Dann kam die Oberzicke Corona zu uns nach Hause.

Drei Wochen lang gaben wir uns nacheinander die Virenklinke in die Hand. Waren völlig isoliert. Ich strich nach und nach alle geplanten Treffen. Versuchte gleich neue abzumachen, aber viele Freundinnen schrieben: „Es tut mir leid, aber jetzt ist mein Kalender erstmal dicht.“ Verabredungen machen ist schwer geworden. Vor allem wenn alle woanders wohnen und allein die unterschiedlichen Ferien jede Menge Termine röten. Ich bekam Fotos von Meetings ohne mich – und fühlte mich trotz Großfamilie einsam. Ich war lebensbeleidigt, obwohl ich doch wusste, wie viel Glück wir mit unseren milden Verläufen hatten.

Zwischendurch fragte ich mich, wofür das Ganze gut sein könnte. Irgendwie ist das so ein Ding von mir – und spricht dafür, dass es in meinem Keller wohl doch noch nicht ganz dunkel ist (siehe Cave-Syndrom). Erst ärgere ich mich, dann schaue ich, was mir das Ganze sagen will. Ich habe im tiefsten Quarantäne-Loch ein neues Buch angefangen. Falls das ein Erfolg wird, dann hat es tatsächlich etwas Gutes. Wahrscheinlich aber wird es das nicht. Es ist vermutlich einfach wie es ist.

Thats life. Leben ist kein Pauschalurlaub.

All in ist nicht. Ich muss was tun, wenn ich was will. Und klar versuche ich trotzdem, einen Gedanken-Deal mit mir selbst zu machen. So nach dem Motto: Wenn der Februar fad war, wird der Frühling fancy. Oder so.

Ob er das wirklich wird? Ich habe keine Ahnung. Was ich gelernt habe: Es gibt keine Garantie auf Geselligkeit. Die ist ein zartes, empfindliches Pflänzchen. Ich muss mich dauerhaft um sie kümmern. Mich wegen ein paar hängender Blätter nicht hängen lassen. Und sie um so mehr genießen, wenn sie da ist.

Ich denke, ich hole genau jetzt meinen Kalender heraus und versuche es wieder. In der Hoffnung, dass sich das Verabredungsding irgendwann mal wieder so leicht anfühlen wird, wie früher.

Schön, wieder hier zu sein!

Wie ist es dir ergangen?

PS. Ich habe diesen Text geschrieben, bevor Putin den Krieg anfing. Natürlich hat mich das noch demütiger gemacht. Und die Sache mit der Freundschaft noch wichtiger.

Alles Liebe,

Claudi