Ich finde wirklich immer wieder, dass die 40er ein ganz besonderes Lebensjahrzehnt sind. Weil so viel passiert – auch in unserem Denken. Weil wir neu sortieren, justieren, unser bisheriges Leben sezieren. Was gut war. Was weniger. Was wir daraus für die nächsten Jahre lernen können. In der Mitte des Lebens denkt man auch häufiger darüber nach, ob man etwas bereut – nicht nur unbedingt das, was man getan hat. Sondern auch das was man eben NICHT getan hat. Hier kommen ein paar Dinge, die ich aus der Rückschau wirklich schade finde…

Meine Schwester, alte Freunde, gute Bekannte: Die meisten Menschen, mit denen ich zu tun habe, waren zu irgendeinem Zeitpunkt länger im Ausland. Während der Schulzeit, Work&Travel nach dem Abi, Auslandssemester zu Uni-Zeiten. Und bis heute leuchten ihre Augen, wenn sie davon berichten. Von den Erfahrungen, die ihr Leben geprägt, verändert haben. Und dann bin ich immer noch ein wenig neidisch, weil:

Ich war nie für längere Zeit im Ausland. Nicht als Schülerin, nicht als Studentin – und auch nicht einfach so.

Mein Erlebnis, das dem am nächsten kommt, ist wohl der Schüleraustausch, den ich in Klasse 12 mit einer Partner-Schule in Chile mitgemacht habe. Eine wirklich großartige Reise – aber leider nur für die Dauer unserer Hamburger Sommerferien, sprich: sechs Wochen lang. Besser als nichts, klar, aber bei weitem nicht genug, um mich in den “Mein Jahr im Ausland”-Reigen einreihen zu können.

Es lag gar nicht daran, dass es mir an Lust gefehlt hätte, an Mitteln. Ich fürchte, schlicht am Fokus. Und mitunter an den Umständen. Als ich während der Schulzeit für ein halbes Jahr nach Kanada wollte, hieß es, meine Mathenote sei zu schlecht dafür. Anstatt mich auf die Hinterbeine zu stellen und Nachhilfe zu nehmen, nahm ich die Entscheidung einfach hin.

Nachdem ich randvoll mit wundervollen Eindrücken, Begegnungen, Abenteuern aus Chile zurückkam, war ich überzeugt davon, nach dem Abi dort ein freiwilliges soziales Jahr zu machen. Erst recherchierte ich wie wild, dann irgendwann weniger – und am Ende ließ ich es aus purer Bequemlichkeit einfach sein. Meine Post-Abi-Reise brachte mich dann für einen Strandurlaub nach Südfrankreich. Auch nicht verkehrt – aber eben nicht das gleiche.

Zu Uni-Zeiten nahm ich einen neuen Auslands-Anlauf – und bekam ein Stipendium für ein Uni-Jahr in Bordeaux.

Aber das Leben smashte meine Pläne kurzfristig – und das war’s dann auch. Ins Ausland komme ich seitdem nur noch, wenn meine Familie bereit ist, mehr als drei Stunden Autofahrt auf sich zu nehmen. Aber ich verspüre immer noch diese leise Sehnsucht danach, eine Weile woanders zu sein, eine andere Sprache zu sprechen, eine andere Kultur zu erleben. Es ist immer noch eine Lücke in meinem Leben, die ich zu gern füllen würde.

Ich bereue es übrigens auch, mich nie für einen Karriere im Buchverlag entschieden zu haben.

Oder sagen wir: Ganz generell ein wenig fokussierter an meine Berufswahl herangegangen zu sein. Versteht mich nicht falsch: Ich liebe, was ich jetzt tue. Aber irgendwie stolpere ich immer wieder darüber, dass eine Lektorenstelle bei Carlsen, Oetinger oder beim Rowohlt Verlag auch ziemlich cool gewesen wäre. Allerdings hätte ich dafür vielleicht ein klein bisschen geplanter an das herangehen müssen, was man so Karriere nennt.

Ich hingegen habe mich meist einfach treiben lassen – von Praktikum zum spontanen Ausbildungsplatz, vom Beraterjob zum Studium, weiter zum Volontariat, zur Redakteurin. Stringenz? Naja. Zwar bin ich letztlich auch im Verlag gelandet, zumindest zwischenzeitlich – aber eben nicht beim Buch. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, wäre das wohl ein ziemlich gutes Job-Match gewesen. Im nächsten Leben vielleicht. Oder geht da doch noch was…?

Vielleicht geht es mit Mitte 40 darum, all diese verpassten Gelegenheiten noch einmal anzuschauen.

Sich zu überlegen, wie man sie ins Jetzt und Heute (oder Morgen) übersetzen könnte. Vielleicht wäre es ja eine Möglichkeit, den verpassten Auslands-Aufenhalt irgendwann in ein temporäres Digital-Nomad-Dasein umzumodeln. Nichts für jetzt mit drei kleinen Schulkindern, schon klar – aber doch eine Idee, die ich gern irgendwann noch einmal aufnehmen würde. Wenn wir nicht mehr in 24/7-Betreuung sind, sondern wieder ein paar mehr Ressourcen für uns haben – warum nicht mal ein halbes Jahr von unterwegs arbeiten…? Hätte definitiv nichts gegen diese Toskana-Spots, die ganze Dörfer für Digital Nomads geöffnet haben…

Mir jetzt als Quereinsteiger-Lektorin einen Namen zu machen, ist wohl auch eher unrealistisch. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin – will ich wirklich unbedingt Texte anderer hübsch machen? Oder ist es nicht eigentlich viel reizvoller, meine eigene Geschichte zu schreiben? Rhetorische Frage. Wer meine Texte schon eine wenig länger liest, weiß ja, dass ich mich schon seit einiger Zeit mit einer Roman-Idee befasse. Insofern ist die Buchbranche für mich noch immer ziemlich spannend – aber mittlerweile aus einer anderen Warte heraus. Auch Träume können mit der Zeit und ihren Veränderungen gehen.

Selbst wenn mich all diese verpassten Gelegenheiten mitunter schmerzen – all die anderen Gelegenheiten haben mich zu der Frau gemacht, die ich heute bin.

Wer weiß, wo mich mein Leben hingeführt hätte, wäre ich nach Chile, nach Frankreich gegangen? Hätte ich meinen heutigen Mann getroffen? Mit ihm unsere drei tollen Kinder bekommen? Würde ich heute hier für mich und euch schreiben, hätte ich mich mein Weg tatsächlich in einen Buchverlag geführt? Wohl eher nicht. Und weil ich mein Leben größtenteils so mag, wie es ist, will ich nicht in der Rückschau bereuen, was ich nicht getan habe – sondern lieber für die Zukunft planen, was ich keinesfalls verpassen will. Schließlich hat die zweite Lebenshälfte auch noch eine Menge zu bieten – so hoffe ich das jedenfalls.

Wie ist das bei euch: Gibt es Dinge von früher, die ihr gern getan hättet? Und plant ihr, sie nachzuholen (oder habt es vielleicht sogar schon getan?) Bin gespannt!

Alles Liebe,

Katia