Unsere Nachbarn nennen unsere Katze liebevoll “Zombie-Mieze”. Wahlweise auch “das Kaninchen”. Warum? Weil sie anstatt eines Schwanzes nur einen Stummel hat. Wie ein Hasenpuschel. Warum? Das war nicht schön. Und doch will ich davon erzählen. Weil das Leben mit Tieren unglaublich bereichernd ist. Nicht ohne Grund boomt die Nachfrage seit Beginn der Pandemie: Mit einem Tier hat man immer Gesellschaft, immer jemanden zum Schmusen. Für sich selbst, für die Kinder. Aber wenn ein Tier zum Familienmitglied wird, bedeutet das auch viel Verantwortung… Ein bisschen wie mit unseren Kindern: Mit Tieren erlebt man die schönsten – und auch die traurigsten Momente…
“Mama, komm mal schnell, Smilla kann nicht mehr laufen!” Mein Großer war ganz aufgelöst. Und ich bald auch: Unsere Katze hatte sich von der Terrasse gerade noch auf den Wohnzimmerteppich geschleppt und war dort zusammengebrochen. Sehen konnte man nichts, glücklicherweise, aber sie hatte offensichtlich starke Schmerzen. Sie war noch nicht lange bei uns, kein Jahr, eine hübsche dreifarbige Glückskatze. Die gerade verdammt viel Pech gehabt hatte. Nur wobei?
Auch der Tierarzt war ratlos.
Gebrochen war nichts, vielleicht ein Schlag auf den Kopf, ein Sturz vom Baum. Wer weiß das schon bei Freigänger-Katzen? Die Tage verstrichen, Smilla ging’s nicht besser. Unserem Konto auch nicht: Bald zogen wir eine Tierklinik zurate, im Zweitagestakt fuhren Mann und Katze über mehrere Wochen drei Orte weiter. Dort fand man immerhin die wahre Ursache: Ein Katzenkampf, der ihr einen Biss in die Schwanzwurzel beschert hatte – und der war entzündet. So sehr, dass Teile des Schwanzes bereits abgestorben waren.
Eine Weile war es wirklich kritisch. Die Frage, ob wir Smilla aufgeben, stellte sich nie. Sie war doch noch so jung. Und die Kinder vergötterten sie, von Beginn an. Meine Tochter malte ihr täglich Genesungsbilder. Mein Großer saß ausdauernd neben der von Schmerzmitteln besemmelten Mieze und redete ihr gut zu. Als ihr der Schwaz amputiert wurde, streichelte er sie zum Trost fast besinnungslos. Und mein Herz floss über: Vor Sorge, aber auch vor Zuneigung. Dass so ein kleines Tier so viel Liebe hervorrufen kann! Wie glücklich es meine Kinder macht, mit Tieren aufzuwachsen, an ihnen zu wachsen. All das wog schwerer als die bittere Erkenntnis, dass unser komplettes Urlaubsgeld in die Rettung unserer Mieze floss.
Ein Haustier ist mehr als ein niedliches Fellknäuel.
Es ist ein Familienmitglied. Für manchen gar ein ein “Seelentier”, wie die Autorin Gabriela Herpell kürzlich im Süddeutsche Zeitung Magazin titelte. Dort schrieb sie herzzerreißend ehrlich über den Abschied ihres geliebten Hundes. Und dass die Trauer um ihn nicht weniger schmerzhaft war als die um einen menschlichen Freund. “In seinen letzten Wochen hörte ich ihn im Schlaf, wie eine Mutter ihr Baby”, schreibt sie, und beim Lesen schossen mir unwillkürlich Tränen in die Augen, weil ich so genau wusste, was sie fühlt.
Wer ein Tier in die Familie aufnimmt, bekommt nicht nur Gesellschaft, sondern ein ganzes Leben im Schnelldurchlauf gleich mit: knuffige Babyzeit, Erziehung von Halbstarken (ok, bei Katzen vergeblich), später gemeinsame Gefährtenschaft und am Ende der schwere Abschied von einem geliebten Wesen. Als unser erster Familienhund nach 16 Jahren eingeschläfert werden musste, rief mich mein Vater vorher an. Ich war schon ausgezogen, frisch im Job und gerade in in einem Kundenmeeting. Ich musste so sehr weinen, dass der PR-Chef das Meeting abbrach. Und mich anschließend fest in den Arm nahm, wo ich Rotz und Wasser um Tootsie heulte, den geliebten Cocker Spaniel meiner Kindheit.
Die ersten Bilder meines Sohnes zeigen ihn mit Katze.
Er schlummert eingekuschelt im Stillkissen – und obenauf hält unsere erste Mieze Wache. Es ist ein friedliches, ein immer wieder beglückendes Bild. So nah, so vertraut kann die Bindung zwischen Mensch und Tier sein. Bevor er seine Geschwister bekam, hatte mein Großer schon Bruder und Schwester mit Fell. Sie waren immer dabei, auf dem Wickeltisch, im Babybett, bei der ersten Breischlacht. Ich wollte es genau so, diese nicht erklärbare Komplizenschaft von Anfang an.
Zugegeben, es waren besondere Katzen. Wir hatten sie von Hand aufgezogen – ihre Teen-Mom konnte sie nicht richtig versorgen. Von einem Tag auf den anderen hatten wir zwei hilflose Kitten, die wir alle drei Stunden mit Fläschchen füttern, putzen, umsorgen mussten. Ja, auch nachts. Was ungewohnt ist, wenn man noch keine Erfahrung als Eltern hat. Wir waren damals kinderlos, steckten in zeitaufwendigen Fulltime-Jobs – was also tun? Mein Mann – der eigentlich nie Tiere wollte – nahm sie mit zur Arbeit, jeden Tag. Es gibt Fotos, über die ich heute noch Tränen lache, aus Rührung und Vergnügen: Business-Typen in der Teeküche, die eine Handvoll Mieze halten und mit Fertigmilch in Puppenflaschen hantieren.
Tiere sorgen für gute Gefühle.
Und sie nehmen Anteil, in jeder Lebenslage. Wenn mein Ältester abends ins Bett krabbelt, kommt Smilla meistens mit. Manchmal höre ich durch die geschlossene Zimmertür, wie er ihr von seinem Tag erzählt, ganz leise. Wie man das mit Geschwistern eben macht, wenn man eigentlich schon schlafen sollte. Und mein Jüngster kuschelt sich gern unter dem Sofa mit unserem Kater zusammen, wenn er seine Ruhe haben will.
Kinder machen noch weniger Unterschied zwischen menschlichen und tierischen Weggefährten, sie öffnen ihnen ihr Herz, vorbehaltlos, sie lieben, respektieren, vermissen sie. Als wir kürzlich für ein paar Tage bei Oma und Opa waren, fragte meine Tochter irgendwann: “Mama, wann fahren wir wieder nach Hause? Ich will zurück zu Smilla und Mikosch!”
Manchmal fürchte ich mich vor dem Moment, in dem den Katzen etwas Schlimmeres passiert. Wir haben in unserem Familienleben schon zwei Katzen verloren, ich weiß, wie hart das ist. Unser erster Kater kam einfach irgendwann nicht von seinen Streifzügen zurück. “Er ist auf Weltreise”, sagen wir jetzt immer, wenn wir an ihn denken. Die Katze, das Seelentier meines Großen, habe ich irgendwann an der Straße gefunden. Wir haben sie im Garten begraben. Ich habe selten so geschluchzt. Und mein Sohn wollte sie abends wieder ausbuddeln. Es war furchtbar.
Ich habe danach lange überlegt, ob wir neue Katzen in unser Herz schließen können.
Auch auf die Gefahr hin, sie irgendwann wieder gehen zu sehen. Aber ist es nicht immer so mit der Liebe: Dass es ein Abenteuer ist, von dem wir nicht wissen wie es ausgeht? Ob es uns das Herz füllt oder zerreißt? Ganz gleich, ob bei Mensch oder Tier? Wobei ich mittlerweile weiß: Die guten Zeiten überwiegen – und sind Eindrücke fürs ganze Leben.
Als unser Jüngster geboren wurde, fehlten zum ganzen Glück nur die Fell-Geschwister. Bald darauf zogen Smilla und ihr Bruder bei uns ein. Und ich habe es nie bereut, nicht mal nach dem Keinschwanzkatzen-Intermezzo: Die Katzen sind ein Teil unserer Familie, wenn auch nur auf Zeit. Aber die möchte ich nicht missen, keinen Moment. Nicht den Spaß, wenn Smilla aus lauter Frühlingsübermut die Bäume rauf- und runterflitzt (auch ohne Schwanz). Nicht die Rührung, wenn die Kinder den Katzen eine riesige Höhle zum Spielen bauen. Und vor allem nicht den Moment, wenn mir Smilla abends auf den Schoß springt und ihre Schnurr-Meditation anstimmt. Für mein kleines Glück braucht es oft nicht mehr.
Wie ist es bei euch: Habt ihr auch ein Seelentier?
Ihr seid mehr für Kleintiere zu haben? Hier schreibt Claudi über ihr großes Hühner-Abenteuer.
PS: Solltet ihr tatsächlich gerade überlegen, euch ein Haustier zuzulegen, fragt doch mal im Tierheim nach. Obwohl sich die Nachfrage nach Hunden und Katzen im letzten Jahr locker verdoppelt hat, werden die Tierheime kaum leerer.
Zu unserer ungewöhnlichen WG aus Vater und studierender Tochter gehört auch Katze Leni. Ich hatte sie 2017 auf einer Tierschutz-Seite gesehen und mich prompt in sie verliebt. Mein Vater wollte nie eine Katze, schon gar nicht im Haus aber Leni hat ihn einfach um ihre sanften Pfoten gewickelt. Sie darf bei ihm ins Bett, ihn nachts wecken wenn der Hunger Riesen groß ist, lässt den alten Mann auf die Knie gehen um sich bürsten zu lassen und den Türsteher mimen. Weil Katze zwar in den Garten will aber kalte Pfoten gar nicht gehen. Ich liebe es morgens runter zu kommen wenn die beiden in synchroner Liegeposition auf dem Sofa noch ein Nickerchen halten. Wenn er zur Arbeit ist, liegt Leni in ihrem Körbchen unter meinem Schreibtisch und leistet mir Gesellschaft. Es wird hart, wenn sie irgendwann nicht mehr bei uns sein kann.
Hej Nadine, das klingt herzerweichend – wie schön! 🥰 Ja, so ein Tier ist eine Bereicherung. Alles Liebe für euch 3
Wir haben uns im letzten Jahr von unserer lieben Hündin trennen müssen. Der Schmerz war so groß dass wir seit nun mehr 3 Wochen einen neuen kleinen frechen Welpen haben. Ohne geht einfach nicht
Hej Sabrina, oje, das macht einem das Herz so schwer! Aber mit ein wenig Zeit und Abstand verdreht einem so ein kleiner Welpe dann auch wieder komplett den Kopf…❤️
Das ist wirklich ein wunderbarer Text- unsere Familie bereichern 4 Pferde, 2 Hunde, Hühner und seit kurzem 2 Flaschenlämmer. Alle werden so unsagbar geliebt, um fast alle würden schon bittere Tränen der Sorge vergossen und alle machen uns und unsere 3 Kinder so glücklich und komplett.
Hej Anne, Dankeschön 😊Und: wow – das ist ja ein richtig kleiner Zoo! Und Flaschenlämmchen – da muss ich gleich an Pontus aus Bullerbü denken…🥰
Hallo Katia, bei uns lieben alle Tiere! Mein Mann ist da nicht ganz so verrückt wie ich, aber es war immer klar, dass auch in unserer Familie Haustiere einziehen werden. So wie wir beide es auch aus unserer Kindheit kennen. Mittlerweile gehören zu unserer Familie zwei Zwergkaninchen, ein Kater und ein Hund (Labrador). Unsere drei Kinder lieben alle heiß und innig und jedes Kind hat eine besondere Beziehung zu einem speziellen Haustier. Es ist einfach bereichernd, auch wenn man sehr genau wissen sollte, worauf man sich einlässt. Verromantisieren bringt meiner Meinung nach bei Tierhaltung nichts. Ein Tier bringt Haare, Dreck und Gerüche mit ins Haus. Es gehen Dinge kaputt und es entstehen (mitunter wirklich hohe) Kosten. Und trotzdem wird es hier bei uns immer wieder Tiere geben. Einfach weil das, was viele unserer Freunde (die übrigens keine Tiere haben) als Arbeit ansehen, für mich dazugehört und für mich der pure Ausgleich zum Alltag ist. Nichts bringt mich so schnell runter wie unseren Kater zu streicheln, das Kaninchengehege zu säubern oder aber mit dem Hund spazieren zu gehen. Für mich meine absolute Lieblingsbeschäftigung und auch bei schlechtem Wetter eigentlich auch eher Freude als Pflicht. Und, wie du schon geschrieben hast, es immer jemand da, der zuhört, ohne zu urteilen.
Ich könnte nur sehr schwer ohne Tiere leben…
Liebe Grüße
Juliane
Hej Juliane, Dreck und Dinge kaputt machen – da ähneln unsere Fellfreunde den Kindern ziemlich 😉Ich bin auch nicht fürs Verklären, ein Haustier braucht viel -Zeit, Geduld, Liebe und ja, auch Geld. Das muss man wollen. Aber: man bekommt so viel zurück (und das ist völlig ironiefrei gemeint😊). Alles Liebe für euch und Euren Haustier-Zoo!
Ach ist das schön geschrieben, da geht mir das Herz auf! Und ich kann zu 100% zustimmen. Mein Kater Tiger ist vor 10 Jahren gestorben. Er war 16 1/2 und seit dem 15. Lebensjahr an Krebs erkrankt. Zum Ende war es nicht mehr schön und der Abschied war sehr schmerzhaft. Aber die Zeit bis fast zum Schluss ging es ihm den Umständen entsprechend gut. Wir haben uns gesagt, er weiß selbst am besten wann es Zeit ist zu gehen und haben ihn mit ärztlicher Behandlung unterstützt. Er hat jeden Abend von uns eine Vitaminspritze oder ich weiß nicht genau was es war bekommen. Irgendwie hat es ihm sehr geholfen und ich habe auch viel Geld in der Tierklinik bezahlt, aber es war jeden Cent wert! Am Ende bin ich wie eine Bekloppte vom Büro zu meinen Eltern gefahren und kam gerade noch rechtzeitig. Er ist dann mit seinem Köpfchen in meiner Hand eingeschlafen. Die Tierärztin kam sogar nach Hause und hat ihn letztendlich erlöst, weil es sonst Stunden gedauert hätte und er sich nicht quälen sollte. Aber er hatte ein sehr sehr schönes Katzenleben als Freigänger mitten in der Natur. Seitdem hatten wir keine eigene Katze mehr. Dafür haben wir aber insgesamt 5 Nachbarskatzen, wovon auch zwei ab und zu bei uns schlafen. Und auch die wachsen einem so sehr ans Herz!!!! Es sind Familienmitglieder oder beste Freunde 🐱
Hej Claudia, vielen Dank. 😊 Auch dafür, dass du deine herzzerreißende Geschichte geteilt hast. Es ist schön und schwer, mit so einem Tier, bringt einen zum Lachen und zum Weinen. Es lohnt.
Alles Liebe
Wir mussten meinen Herzenshund vor 9 Wochen gehen lassen. Jeden Tag fließen noch die Tränen, wenn ich auf ihre leeren Liegeplätze schaue. Sie fehlt so sehr. 15,5 Jahre jeden Tag zusammen und jetzt diese Leere. 🙁 Irgendwann wird mein Herz wieder bereit sein und ein neuer Vierbeiner wird unser Leben bereichern. Ein Leben ohne Haustiere wäre für mich unvorstellbar.
Hej liebe Silke, das tut mir Leid! Es braucht auf jeden Fall Zeit, bis ein neuer Fellfreund das Herz erobern kann. Alles Liebe für dich!