Meine Oma hatte einen Bauernhof im Wendland, in einem winzigen Dorf, zwischen Wäldern mit kniehohen Heidelbeerpflanzen und summenden Wiesen. Die meisten Sommerferien habe ich als Kind auf diesem Bauernhof verbracht, habe mit den Dorfkindern Wohnungen im Schweinestall eingerichtet, Kartoffeln ausgebuddelt und im Maisfeld verstecken gespielt. Ich habe es geliebt; mein Bilderbuch “Schwups will nicht schlafen” spielt insgeheim dort. Nächstes Wochenende packen wir ein paar Freunde und einen Picknickkorb ein und fahren wieder mal hin…
Jedes Jahr von Himmelfahrt bis Pfingsten findet nämlich im Wendland, in diesem malerischen Landstrich zwischen Dannenberg und Lüchow, die Kulturelle Landpartie statt und dort hinzufahren, ist jedes Jahr mein liebstes Sommer-Begrüßungsritual. Jedes Jahr treffen wir uns mit Freunden auf einem Parkplatz kurz hinter Hamburg, so früh morgens wie möglich, und fahren ab da Kolonne.
Meist gibt es ein Frauen- und ein Männerauto, was super läuft für uns Mädels, meine Freundin hat nämlich auch drei Jungs. Wir drehen die Musik laut und die Scheiben herunter, atmen die würzige Luft ein, die so gut nur im Wendland duftet, lachen uns kringelig, wenn uns ein paar Wassertropfen der riesigen Feldsprenger durchs offene Autofenster erwischen, naschen ein paar Erdbeeren aus dem Picknickkorb und fühlen uns frühlingsfroh bis in die Zehenspitzen.
Unser erster Halt ist immer eine Antiquitätenscheune in Göhrde, die ist Pflicht. Jedes Jahr kauft meine Freundin dort irgendetwas, über das ich erst lache – und sie danach das ganze Jahr beneide. Dann fahren wir weiter, halten hier und dort – überall wo ein Kulturelle Landpartie-Schild hängt, gibt es was zu sehen. Manchmal große Kunst, manchmal pinkfarbene, selbstgetöpferte Gänse im klitzekleinen Wohnzimmer.
Zwischendurch bewundern wir all die zauberhaften kleinen Dörfer auf dem Weg, die alten Fachwerkhöfe, sagen einmal kurz “Hallo” beim Bauerhof meiner Oma, in dem leider längst bloß noch Mäuse und eine alte Eule wohnen, springen wenn möglich in einen See, trinken Kaffee aus Thermoskannen und essen Kuchen, wo immer es welchen gibt. Und es gibt zum Glück überall welchen.
Manchmal machen wir vorher anhand der Veranstaltungsliste einen genauen Plan, wo wir hinwollen, manchmal fahren wir einfach drauflos. Ein paar Stationen fahren wir allerdings besonders gern an:
– Im hübschen Rundlingsdorf Lübeln habe ich als Kind schon beim Brot backen zugesehen. Es ist einfach so schön dort und im kleinen Freilichtmuseum lernen Kinder nebenbei ganz viel über die Vergangenheit.
– Zum Pfingstmarkt in Satemin fahren wir Mädels super gern, weil es dort so viel hübsche Dinge gibt (Blumen, Gartendeko, Kerzen, Kunsthandwerk). Unsere Männer fahren dort nicht so gern hin. Eben weil es dort so viele hübsche Dinge gibt.
– Nach Weitsche wollen die Kinder jedes Mal, dort werden in einer Jurte Märchen gelesen und draußen Samenbomben gebastelt (altes Handtuch zum Saubermachen mitnehmen). In der Scheune gibt es wunderschöne Märchen-Filzbilder (ein tolles Geschenk für werdende Eltern, finde ich) und nebenan wunderschöne Tierfotografien.
– Gegen Abend fahren wir dann immer zur Mützingenta und lassen uns verzaubern vom lässigen Hippieflair dieses herrlich alternativen Rummels. Die Kinder fahren Schweinekarussel, üben sich im Bogen schießen und probieren das Holzspielzeug aus. Und wir? Sitzen auf Strohballen herum, trinken Brause, schauen den Kindern zu und freuen uns, dass endlich Sommer ist.
Gegen sieben treten auf der großen Wiese drei Künstler auf, ein Jongleur, ein Pantomime und ein Artist namens “Chaos-Variete”, und obwohl wir ihr Programm inzwischen auswendig kennen, macht mich allein die Anfangsmusik sehr glücklich. Jedes Jahr lassen wir den Abend hinterher in der Open-Air Pizzeria ausklingen und pünktlich zur Dunkelheit gibts dann noch – hurra – Live-Musik. Und die Kinder? Die spielen und spielen und spielen auf dem riesigen, autofreien Gelände, bis wir sie ziemlich spät auf dem Arm und im Bollerwagen ins Auto tragen und nach Hause fahren, mit Strohhalmen im Haar und dem köstlichen Duft von Frischluft und Lagerfeuer auf der Haut.
Vielleicht sehen wir uns dieses Jahr da?
Alles Liebe,
Viel Spaß!
Waren grad da, meine Jungs haben am Donnerstag um punkt 11 die Stroh-Hüpfburg in der Kulturbrauerei in Kussebode eingeweiht 🙂
Auf der Mützingenta waren wir auch, und die Kindheitssommer im Wendland habe ich auch in wunderschöner Erinnerung.
Liebe Grüße Ellie
Die Stroh-Hüpfburg ist grad mit auf unsere Liste gehüpft… ; )
DANKE!
Wie schade dass das viel zu weit von uns weg ist… hört sich toll an!
Ich hab mich gerade sehr über das Keramik-Bild gefreut, denn die Sachen stammen aus Marburg, wo ich schönste Studiumszeiten verbracht habe und dort trotz knapper Studentinnenkasse einen grünen Kerzenständer in der herzallerliebsten Chocolaterie Anouk erstanden habe. Der Kerzenständer steht jetzt, zehn Jahre später und 500 km weiter nördlich, auf meinen Klavier – sicher vor Kinderhänden ;).
LG Linnea
Oh wirklich wahr. Das klingt so schön!
Liebe Grüße,
Claudi
Das klingt einfach zauberschön!
Habt ganz viel Freude!
Das ist es. Leider soll das Wetter schlechter werden… Auuuu….
Ja, auch ich liebe die kulturelle Landpartie sehr. Seit mehreren Jahren leben wir nicht mehr bei Hamburg sondern in Potsdam. Nicht so weit aber doch zu weit für einen Tagesausflug. Aber dieses Jahr klappt es endlich. Wir fahren das ganze Pfingstwochende und übernachten im Heu! Ich freue mich schon unglaublich. Satemin, Salderatzen, Waddeweitz und alle anderen Dörfer: wir kommen!
Das klingt herrlich (und ich checke gleich mal deine Dorf-Empfehlungen ; )
Liebe Grüße!
Ich muss hier ein paar Gedanken zum Nachdenken loswerden.
Die KLP ist ja eigentlich als Protest gegen Gorleben entstanden. Meiner Meinung nach ist von dieser Idee aber nur noch wenig übrig, da das Fest derart “kommerziell” ausgeschlachtet wird und die politische Idee dahinter mehr und mehr in den Hintergrund rückt, was ich ehrlich gesagt wirklich bedauernswert finde. Satemin und Lübeln sind die besten Beispiele dafür! Die politischen Ideen und der Umweltschutz stehen in wenigen, vereinzelt kleineren Wunderpunkten noch im Vordergrund, die natürlich aufgrund der fehlenden Vergnügungsinfrastruktur doch weniger besucht werden. Das sollte uns in unserer heutigen Konsumgesellschaft doch mal zum Nachdenken anregen! Klein Witzeetze, Güstritz und Meuchefitz seien hier mal als interessante Wunderpunkte genannt.
Lieben Dank für deine Anmerkung. Da ich bereits als Kind viel Zeit im Wendland verbracht habe, habe ich den Protest hautnah miterlebt. Dass sich rund um die Protest-Punkte mit den Jahren ein buntes Kulturfest entwickelt hat, finde ich dennoch nicht schlimm und überhaupt nicht verwerflich. Übrigens nennt sich das Fest in Satemin eigentlich Pfingstmarkt – ich habe es jetzt einfach mal zur KLP hinzugefügt. Die KLP bietet so viel: Kultur, Musik, Theater, Literatur, Kunsthandwerk, Protest oder auch einfach ein leckeres Picknick – jeder wie er mag. Ich finde es gerade schön, dass die KLP so vielfältig ist. Und gegen unsere Großveranstaltungen hier im Raum Hamburg ist die KLP übrigens immer noch herrlich unkommerziell.
Herzliche Grüße,
Claudi
Die Villa Wendland bei Schreyahn ist immer ganz nett und danach dann ein Abstecher nach Luckau! Auf dem Weg dahin haben wir immer an den Bächen angehalten und als Kinder versucht, Aale mit den Händen fürs Abendbrot zu fangen. Hat nie geklappt, weil zu glitschig. 20 Jahre später darf ich mir dann anhören, dass es wohl eher Forellen waren als Aale, aber in meiner Erinnerung sind es eindeutig Aale 😉 Viel Spaß!
Hallo Claudia,
Vielen Dank für diesen Artikel! Schon beim Lesen habe ich Lust bekommen, loszufahren! Samstag hatte es nicht geklappt. Dafür gestern! Und es war so ein schöner Tag, den wir ohne dich nicht so gehabt hätten!
Ich hatte gar nicht ins Programmbuch geguckt 😉
Wir waren in Weitsche, Satemin und der Mützingenta. Die Highlights für den Großen (fast 4): die Ferkel und Küken in Weitsche und die Hängematten auf der Mützingenta!
Liebe Grüße aus Lüneburg,
Julia
P.s.: Freuen uns über weitere Tipps jeglicher Art 🙂
Oh herrlich, das klingt doch super!!! Da hätten wir uns ja fast getroffen.
Alles Liebe,
Claudi