Meine Kinder sind auf einmal so groß. Nicht groß groß im Sinne von bald ziehen sie aus. Aber groß im Sinne von selbständiger. Groß im Sinne von sie gehen eigene Wege – auf denen ich sie nicht mehr dauernd begleiten muss. Klar kam das nicht von heute auf morgen. Aber irgendwie trifft mich die Erkenntnis immer ganz plötzlich. Dass es jetzt anders ist. Dass ich anders sein kann, weil sie sich verändert haben. Dass ich freier bin und sie selbständiger…
Natürlich versorgt sich mein Sechsjähriger noch nicht selbst. Natürlich braucht er mich immer noch. Aber eben deutlich weniger als früher. Manchmal fällt mir am Ende der Woche auf, dass er sich fünf Nachmittage in Folge bei anderen Kindern zum Spielen verabredet hat – und ich ihn nur morgens vor der Schule und dann erst wieder ab dem Abendbrot zu Gesicht bekommen habe.
Plötzlich verbringe ich ganze Nachmittage ohne irgendein Kind; ohne, dass an mir gezerrt, nach mir geplärrt wird.
Da sitze ich dann, ganz überrumpelt von all der freien Zeit, die sich da auftut, in der mich erstmal besinnen muss, was ich anstellen will mit mir und zwei Stunden nur für mich. In denen ich nicht im Akkord Essen anreichen, Hausaufgaben betreuen, Geschwisterzwist schlichten muss. Sondern ganz bei mir sein kann. Was für ein Luxus!
Bislang sind diese Nachmittage noch die Ausnahme, nicht die Regel. Aber sie sind ein Vorgeschmack auf das, was näherkommt. Dass meine Kinder nicht mehr untrennbar mit mir verbunden sind, sich immer ein kleines Bisschen weiter entfernen von mir und meiner Fürsorge. Dass ich nicht mehr alles weiß, was sie tun, was sie umtreibt, wo genau sie überhaupt sind. Und dass es gut so ist.
Manchmal denke ich, dass ich eine bessere Großkindmama als Kleinkindmutter bin.
Dass mir dieses Mutter-Ding viel leichter fällt, seitdem ich nicht mehr für jeden ihrer Schritte die Verantwortung trage. Dass es für mich einfacher ist, die ganze leidige Erziehungs-Chose der Kleinkindjahre an den Haken zu hängen – und mich stattdessen nur auf die Beziehung zu meinen Kindern zu konzentrieren. Die ich vorher natürlich auch schon hatte. Aber gerade mag ich so sehr, wie sie sich verändert.
Nicht zu einer auf Augenhöhe, dafür sind sie mit zwölf, acht und sechs Jahren doch einfach noch zu klein. Aber wir haben plötzlich neue Themen, neue Lacher, neue Möglichkeiten miteinander. Ich unterhalte mich lieber, als Autos auf dem Teppich hin- und herzuschieben, gehe lieber mit den Kids schwimmen als ins pieschwarme Baby-Plantschbecken. Ich lese lieber “Tintenherz” als “Bobo Siebenschläfer” vor und freu mich, dass die Kinder plötzlich Ironie verstehen.
Vielleicht ist es gerade die entspannteste Familienzeit, die wir bisher hatten.
Wir sind durch die Trotzphasen durch und noch nicht ganz in den Fängen der Pubertät. Schule ist zwar kein Klacks, aber läuft auch ohne uns. Wir Eltern haben gerade mehr Lunte, das Familienleben zu rocken – und es auch mit all seinen schönen Seiten zu sehen. Vermutlich ist es nur eine Momentaufnahme, nur eine Phase, wie alles im Familienalltag – aber die mag ich gerade.
Wie ist es bei euch…?
PS: Wenn dir gefällt, was wir hier schreiben und du regelmäßig mitliest, freuen wir uns sehr, wenn du uns mit einem freiwilligen Abo unterstützt. Alle Infos dazu findest du hier.
Alles Liebe,
Liebe Katia,
ich fühle deinen Text zu 100%! Unsere Kinder sind grad 10, knapp 8 und 6 Jahre alt und ich würde die Zeit gerade so gerne anhalten. Groß genug, um selbstständiger zu sein, aber noch nicht ganz so groß, dass man gar nichts mehr mitbekommen würde. So schön! Ich hoffe einfach, dass diese Momentaufnahme noch ein Weilchen hält und wir die gute Beziehung weiter aufrechthalten können. Und versuche, meine neue freie Zeit zu genießen 🙂
Liebe Grüße
Hej liebe Lotte, ja, es ist eine besondere Zeit gerade. Ich bin auch mitunter noch fast ein wenig überfordert von der freien Zeit, die sich da so auftut. Aber ich kann es auch genießen, wenn ich darauf eingestellt bin. Schön, dich hier dabei zu haben. Alles Liebe, Katia
Hi Katja, und wieder einmal kann ich jeden einzelnen deiner Sätze unterschreiben!
Erst gestern sind mein Mann und ich bei einer Flasche Wein zusammen gesessen, haben an die Kleinkinderphase zurückgedacht und festgestellt wie unglaublich cool die Zeit mit unseren Kindern (10&12) JETZT gerade ist. Wir reden mit unseren Kindern über Politik, Ethik, gemeinsam Erlebtes, … hören auf Autofahrten Podcasts die tatsächlich alle 4 begeistern und diskutieren beim gemeinsamen ESC-gucken über Geschlechteridentitäten, lachen über schwarzen Humor…
Es rockt so richtig und das sagen wir unseren Kindern auch immer wieder mal ganz deutlich! <3
(Mein Mann und ich haben dann bei unserer Flasche Wein übrigens auch wieder mal auf den Urologen angestoßen, der mit der Vasektomie dazu beigetragen hat, dass unsere wunderbare familiäre Situation gerne so bleiben darf… 😉
Alles Liebe, Julia
Hej liebe Lotte, musste gerade sehr über den Urologen lachen – ein Hoch auf die moderne Medizin 😉 Und wie schön, dass du es auch so empfindest gerade – als eine sehr besondere Zeit. Ich hatte schon immer das Gefühl, dass ich besser mit großen als mit kleinen Kindern zurechtkomme – und das bewahrheitet sich gerade. Von mir aus dürfte es so auch noch einen Moment weitergehen, aber ich fürchte, die Pubertät steht geradewegs vor der Tür – und dann wird’s ein wenig ungemütlicher… Alles Liebe, auf bald wieder, Katia
Ich finde, die Pubertät wird völlig unnötig als vermeintlich schlimme Zeit hochgepusht. Meine Kinder sind schon 19, 16 und 11 und von der schrecklichen Pubertät habe ich nicht viel gemerkt. Ich glaube, dieses Bild stammt noch aus der guten, alten, autoritären Zeit, als Eltern Ansagen machten und Kinder zu gehorchen hatten. Und Kinder nicht zu diskutieren hatten. Klar fliegt einem dann spätestens in der Pubertät alles um die Ohren, wenn die Kinder sich das halt nicht mehr bieten lassen. Aber in welcher Familie ist das heute noch so?! Zum Glück nicht mehr in vielen, denke ich. Also bitte, keine Angst vor der Pubertät und auch keine unreflektierten Horrorbilder davon. Das ist auch einfach nur eine Zeit, in der die Beziehung auf eine neue Ebene gehoben wird. Nämlich die, in der die Eltern komisch werden😁.
Hej liebe Franzi, das klingt machbar, wie du es beschreibst. Allerdings haben wir hier mindestens ein Kind, das die (sehr frühe!) Vorpubertät schon so ausagiert, dass mir vor der echten doch ein wenig graut. Ist vielleicht auch eine Frage der Persönlichkeit. 😉 Aber gemeinhin denke ich, dass wir das auch rocken werden. Und vielleicht wird’s ja auch total easy, wer weiß das schon. Gerade genieße ich es gerade noch sehr, wie es ist. 🧡Alles Liebe, danke fürs Mutmachen, Katia