Rund ein Jahr Arbeit für eine RomCom, die man bestenfalls in zwei Tagen weglesen kann. Allein das ist irgendwie verrückt. Aber was mache ich ? Tauche so richtig, richtig an den fünf Tagen vor Abgabe in sie ein. Ob ich eventuell den Druck brauche? Einen riesengroßes Dankeschön an dieser Stelle an meine fünf Männer. Sie haben mich in den letzten Tagen komplett in Ruhe gelassen, sogar vor Hobbyterminen und Hungerattacken. Nur ab und zu…
…kam einer ins Schlafzimmer, in das ich mich für das finale Lektorat zurückgezogen hatte (Kissen im Rücken, Wasserglas auf dem Nachttisch) und wollte mir etwas erzählen. Je nach Gemütslage, wedelte ich entweder hektisch mit einer Hand, während die andere weitertippte, “psst, psst, gleich, ja? bitte, bin grad so schön drin” flehend. Oder ich hörte kurz zu – und war raus.
Flow ist etwas Berauschendes, und etwas sehr Kostbares.
Und es ist wirklich verdammt schwer, ihn zu erreichen, für mich auf jeden Fall. Bevor ich mit dem Bücherschreiben anfing, hatte ich keine Ahnung, welches Maß an Konzentration dafür notwendig ist. Ich bin Journalistin, ich habe schon Artikel über alles mögliche an wirklich wilden Orten geschrieben. Aber nichts hat mich je so an meine Grenzen gebracht, wie die Konzentration für einen Buch-Plot macht. Sich immer wieder selbst in eine andere Parallelwelt zu denken ist eine wahnsinnige Herausforderung, vor allem, wenn man Familie hat.
Ich musste in den letzten Tagen wieder ständig daran denken, wie Stuckrad-Barre Bücher schreibt, Zitat aus seinem SPIEGEL-Interview vom 19.4.23: „Sie haben sich zum Schreiben auf die Seychellen zurückgezogen.“ Antwort Stuckrad-Barre: „Ja, wenn es um Berlin geht, schreibt man besser am Strand.“
Ich muss meinen Flow mit Händen und Füßen verteidigen (im wahrsten Sinne!) und zahle einen hohen Preis dafür.
In den letzten Tagen war ich als Mutter quasi nicht anwesend. Körperlich nicht und mental schon gar nicht. Ich war nicht mit zum Klassenfest, nicht mit zum Vereinsmatch, ich war nicht joggen, nur kurz auf der Geburtstagsparty von Freunden. Ich war abwesend beim Familienfrühstück und beim traditionellen Pizzabacken am Abend. Ich hab unseren Familienfilm nicht mitgeguckt, nicht mit ihnen gelacht und hinterher ihre Insiderwitze nicht verstanden.
Ich habe mich siebenhundertdreiundneunzigmal entschuldigt und feuchte Augen gehabt, wenn ich mein knuddelbedürftiges Kind nur kurz mit einem Arm gedrückt habe, dabei mit der anderen Hand schon wieder hektisch gewedelt habe, weil da dieser eine gute Gedanke war, den ich festhalten wollte. Und dann war ich doch raus. Weil ich hörte, wie traurig mein Kind davonstapfte, “blödes Buch” brummend.
Es braucht eine Familie, die das mitmacht. Und eine Mama, die das aushält.
Ich hoffe, dass sie mir das nicht irgendwann übel nehmen. Und ich hoffe, dass ich es mir nicht übel nehme. Warum ich das erzähle? Um Druck rauszunehmen. Um zu zeigen, dass auch hinter Traumerfüllungen und Romcoms harte Arbeit steckt. Und großer Verzicht. Jede Mama, die viel arbeitet, wird es genau so kennen und natürlich kommt einem manchmal der Gedanke, ob es das wert ist.
Ich für mich kann sagen, dass ich einfach nicht anders kann. Da sind diese Geschichten im Kopf, die wollen raus und grad jetzt habe ich das unglaubliche Glück, dass jemand sie drucken und viele Leute sie hoffentlich lesen wollen. Ich kann jetzt nicht sagen, ich verschiebe das, auf die Zeit, wenn sie groß sind. Ihre Kindheit sind auch meine 40er. Meine Chance. Also versuche ich beidem gerecht zu werden. Was nicht geht.
Die andere Seite ist der Rausch.
Wie auf Droge bin ich die letzten Tage herumgelaufen. Flow macht süchtig und das Gefühl, eine Parallelwelt zu erschaffen, auch. Was für eine Erregung, wenn einem plötzlich etwas einfällt, das den Text auf eine zweite Ebene hebt, über die simple Handlung hinaus. Oder wenn eine Formulierung auf dem Papier tatsächlich genauso gut klingt, wie man sich das im Kopf ausgemalt hat. Das macht mich wirklich so richtig glücklich und ich hoffe sehr, dass dieses Glück wiederum auch meiner Familie gut tut.
Gestern nach der Schule war ich wieder da. Und ich habe sie extra gedrückt (wenn sie es denn wollten) und wieder ihren Geschichten gelauscht, statt meiner. Bevor ich nächste Woche anfange, Roman 3 zu plotten und der Wahnsinn aufs Neue beginnt. Der Flow hoffentlich auch.
Ich freue mich riesig, wenn du mein Buch für den Sommer schon jetzt vorbestellst. Zum Beispiel hier.
Oh Claudi, das ist wirklich ein schöner Text. Danke, dass du so offen so viele Einblicke und Gefühle und Gedanken teilst. Die Ambivalenz kann ich sehr sehr gut nachvollziehen und noch mehr das Gefühl, die eigene Arbeitszeit mit Händen und Füßen verteidigen zu wollen… bei uns tut sich v.a. mein Mann schwer damit, dass ich aktuell oft (wenn ich ehrlich bin) lieber Zeit mit der Vorbereitung meiner Onlinekurse verbringe als mit ihm… 🫣
Das muss doch mal jemand aussprechen, was für ein Wahnsinn da ist… Ich wünsche dir viel Muße und Kraft für dein Projekt. Und den Mut zum „Ja“ zu dir und „Nein“ zu anderen.
Liebste Grüße
Liebe Claudi,
ganz lieben Dank für den spannenden Einblick hinter die Kulissen. Ich freue mich schon sehr auf deinen nächsten Roman, der mir den Sommer versüßen wird.
Übrigens: Meine Mutter (84 Jahre) fragte mich letztens, ob ich ein schönes Buch für sie hätte und ich drückte ihr “Sommer ist meine Lieblingsfarbe” in die Hand – mit dem Hinweis, dass ich nicht genau wüsste, ob sie sich mit der Thematik identifizieren könnte. Und rate mal: Sie hatte das Buch in Rekordzeit ausgelesen und war begeistert. 🙂
Herzliche Grüße!
Ute
Liebe Ute, das freut mich aber sehr!
Ganz liebe Grüße an deine Mama und danke für dein Feedback!
Claudi
Liebe Claudi,
gaaanz spannender Einblick! Danke für deine Offenheit – sowohl der Zerrissenheit zwischen “Traumjob” und allem anderen.
ABER auch für den Einblick, dass so ein Roman viel Zeit und Engagement braucht – ich habe das Gefühl, dass vielen gar nicht mehr bewusst ist, wie viel Einsatz (und Entbehrungen) man zeigen muss (egal, bei was!).
Dankesgrüße,
Emily
Liebe Emily, danke für deine Worte. Gerade beim Unterhaltungsroman ist es ja die große Kunst, dass er sich leicht und mühelos liest. Klar, dass man dann oft vergisst, dass es ganz schön schwer ist, leicht zu schreiben.
Je leichter es sich liest, desto schwerer war es womöglich.
Alles Liebe!
Claudi