“Nach meinem Architekturstudium warteten zwei Möglichkeiten auf mich”, erzählt mir die dreißigjährige Lena Roof. “Ein ziemlich unkreativer Job bei einem kleinen Architekten – oder ein echt kreativer Job in einem großen Architekturbüro, dann aber quasi ohne Freizeit. Ich habe mich für Möglichkeit drei entschieden. Für meine Leidenschaft…!”

Lena Roof war mutig, hat ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht und Möbelentfalter gegründet. Sie rettet Möbel, bereitet sie auf und verkauft sie weiter. Ihre Augen leuchten, wenn sie von ihren hölzernen Babys erzählt. Von all den Findelvitrinen, die sie zu neuem Leben erweckt. Ganz so, als würde sie von einer Freundin erzählen. Oder eben von einem Baby…

Leicht ist es nicht. Natürlich nicht. Lena hatte schon diverse Werkstätten, zuletzt eine in einem Hinterhof in der Hamburger Schanze. Vor einer Weile ist sie nach Wilhelmsburg gezogen, ein Viertel, dass für viele Hamburger auf der “falschen” Seite der Elbe liegt. Lena liebt es hier. “Es ist ruhig und grün und es machen immer mehr kleine Läden auf. Überall sind Kanäle und es entsteht ein ganz neues Quartier.

Wilhelmsburg wirkt auf den ersten Blick rau – aber auf den zweiten entdeckt man überall echte Inspiration. Und nicht die gentrifizierte Daunenjackenkreativität, wie man sie häufig in der Schanze sieht.

“Wilhelmsburg” kommt und wird immer noch ein bisschen cooler”, findet Lena. “Und ich bin total froh, dass hier in den Straßen nicht so viel los ist, wie vorher im Schanzenviertel. Noch sind die Fenster ihres neuen Ladengeschäfts mit Tapete zugeklebt, noch ist Lena dabei, den Laden und jede Menge Möbel zu neuem Leben zu erwecken. Gleich hinter dem Laden ist ihre kleine Werkstatt – und auf der anderen Seite wohnt sie mit ihrem Freund. Total praktisch. Und nicht so teuer.

Möbel renoviert hat Lena schon immer gern. “Ich liebe einfach Farben und Formen, das war schon immer so!” Nach Ende des Studiums hat sie sich dann gefragt, “was mit Möbeln gehen könnte” und ganz viel ausprobiert. Die erste Idee war, etwas mit Makramee zu machen. Dann hat sie experimentiert, in Möbel zu weben. Im ersten Lockdown war schließlich die Idee da, Möbel zu retten und zu neuem Leben zu erwecken. Lena hat es mit einem Crowdfunding probiert, weil sie am liebsten gleich ein wenig größer angefangen hätte. “Aber leider war die Aktion nicht so erfolgreich, wie ich gehofft hatte.”

Scheitern gehört zum Schaffen dazu. Immer und immer wieder.

Lena lächelt. Derzeit reicht ihr Laden noch nicht zum Leben. Ab und zu zeichnet sie daher noch als Freelancerin in einem Architekturbüro. Sie hat jetzt lange an einer Webseite gebastelt, kam daher kaum dazu, Möbel zu bearbeiten.  “Aber ich bin guter Dinge, dass das mit diesem Laden klappt. Eröffnung ist ganz bald, am 13, Mai. Dann gibt es kreative Möbel zu kaufen, die sonst niemand hat, Drinks und mehr.” Lena hat viele Ideen, könnte sich eine kleine Bar im Laden vorstellen und auch Workshops. “Ich möchte dann auch gern Mitarbeiter einstellen und nicht mehr alles allein machen.”

Beigebracht hat sie sich ihr Handwerk selbst. Bei diversen Praktika bei Tischlern, in Workshops und mit YouTube-Videos. “Natürlich bist du keine Fachfrau, wenn du einmal in einem Workshop lernst, wie man polstert. Aber du weißt dann, wie es theoretisch geht. Danach lernst du polstern durch polstern, polstern, polstern.” Einfach machen, ist ihr Motto. Auf ihrem Instagramaccount zeigt sie in unterhaltsamen Reels, wie sie Möbel hübsch macht. Zum Nachmachen geeignet!

Trotzdem kann sie leider nicht jedes Möbelstück retten.

“Ich bin keine Schreinerin. Ich kann aufhübschen, kleine Schönheitsreparaturen machen und das Beste rausholen. Wenn etwas total kaputt oder verholzwurmt ist, kann ich nicht helfen. Das würde sich für mein Geschäftsmodell auch gar nicht lohnen.” Am Anfang hat sie bei Ebay Kleinanzeigen geguckt und hat Haushaltsauflösungen durchkramt. Heute wird sie meist angerufen oder angeschrieben, wenn jemand etwas abzugeben hat. Lena muss das hölzerne Pflegebaby dann nur noch abholen. Ihre allererste Investition daher: ein Transporter.  

Zwei staubig schöne Schützlinge, die sie nie vergessen wird? “Eine Barockkommode mit Marmorplatte und Messingbeschlägen auf einer Haushaltsauflösung in Hamm. Das war wirklich ein super außergewöhnliches Stück!” Und was noch? “Ein Sekretär in der Scheune eines alten Bauernhofs. Das war so ein total gepflegter Hof, mit knirschender Kieseinfahrt und kreisrunden Beeten. Aber der Sekretär stand hinter Kram ganz hinten in einer Spinnwebenecke.”

Keiner wollte ihn. Nur ich. Und wie.

Jedes Möbelstück erzählt eine Geschichte. “Bei einigen klappt meine Herz auf!”, sagt Lena lächelnd. “Diese Möbel berühren meine Seele. Ich sehe nicht nur sie und meine Idee, wie sie später aussehen können. Ich sehe auch die Zeit, die ich mit ihnen verbringen darf. Das hat etwas Meditatives für mich. Ich bin mir dann ganz sicher, dass ich genau das machen will.”

Lenas  Tipps zum Möbel pimpen:

  1. Stelle dir ein Moodboard zusammen, bevor du loslegst. Sammele Ideen und Farben, die dir gefallen.
  2. Nimm dir Zeit. Arbeite nicht auf die Schnelle und kurz mal zwischendurch an einem Möbelstück.
  3. Investiere in gutes Werkszeug. Auch in teurere Farben und Tapeten. Man merkt (leider!) einen sehr deutlichen Unterschied.

Lenas Laden findet du in Wilhelmsburg, im Vogelhüttendeich 96. Und ihren Onlineshop hier.

Claudi