Quasi pausenlos streiten sich zwei Parteien in meinem Kopf. Die eine ist die Pro-Urlaubsfraktion. Die schwingt beschwingte Reden darüber, wie schön es überall auf der Welt mit Kindern ist: mit Babys im babyblauen, babybadewannenwarmen Wasser. Zeigt Plakate mit Weltreise-Familien, die bloß einmal mit dem Finger schnipsen und schon stehen sie – schwups – entspannt lächelnd vor einer buntbemalten Wand in Uruguay. Die andere ist die UMKIBAW-Partei (Urlaub-mit-Kindern-ist-bloß-Alltag-woanders), die arbeitet, wie viele Parteien, mit Angst…
Reisen mit Kindern stressig, Tipps gegen Stress beim Reisen mit Kindern
Die ersten Urlaubstage hatte ich richtig Angst. Angst vorm Weiterreisen, Angst vorm Ausrasten, Angst vorm weiter Urlaub haben. Es fühlte sich an, als hätte mich das Leben von einer Almhütte auf den Times Square katapultiert. Klar wars zuhause auch nicht leise – aber gegen die Lautstärke, Enge und das Flimmern unterwegs kam es mir beinahe so vor.

Ich hatte Ruhe gesucht, endlich Entspannung nach anstrengenden Wochen. Aber es war alles noch viel unentspannter. Ich musste ein paar Sachen für das Kochbuch erledigen – und ärgerte mich, dass ich nicht fertig geworden war. Sobald ich drin war, fielen mir plötzlich ein Dutzend Dinge ein, die ich umändern wollte, um es noch besser zu machen. Ich hatte Lust – und hatte wieder keine Lust, sobald es schwierig wurde. Dann wollte ich bloß meine Ruhe am Pool.

Um in Ruhe zu arbeiten, schickte ich André mit den Jungs an den Pool – wenn ich sie dann jauchzen hörte, wollte ich bloß dabei sein. Ich dachte: „Gleich, bloß ein bisschen noch…“, machte weiter – und bekam einen Schreck, weil es schon wieder vier war. Und ich mich immer noch nicht erholt fühlte. Aber einfach schnell zum Pool und drei, zwei, eins entspannt sein? Pustekuchen.

War ich am Pool, sehnte ich mich eins, zwei, drei manchmal nach meinem Laptop, auf dem ich den Ton leiser drehen oder blöde Sätze einfach löschen konnte. Ich war wütend, wenn sie um den einen heilen Keks in der Tüte mit den fünfzehn zerbrochenen stritten. Oder darum, wer die Pooldusche ausmachen musste. Ich war sauer, dass es an so schönen Orten immer noch Gemaule geben musste. Dann fiel mir ein, dass mich der Pool ja auch nicht automatisch entspannte.

Und es wurde besser. Nicht, weil es aufhörte laut, eng und flimmerig zu sein, sondern weil ich endlich aufhörte, alles perfekt zu wollen. Ich wählte meine Erwartungen ab. Und schrieb stattdessen mein eigenes Parteiprogramm.

Was schreibt Steffi Luxat in ihrem Urlaubsrückblick? „Es gibt keine Vorschriften für Urlaube.“ Heißt für mich: Ich arbeite jeden Tag ein bisschen, mal weil ich muss, mal weil ich will und plötzlich eine gute Textidee habe. Und: Ich darf mich unentspannt fühlen. Es gibt am Urlaubsende schließlich keine Entspannungsurkunde. Ich habe vier kleine Kinder, es ist okay, wenn mal alles blöd ist. Dafür ist alles ab und zu auch besser, als es je in meinem Leben war!

Das hier würde er sein, mein Sommer 2019, laut, bunt und ein bisschen unentspannt. Aber oft happy. Ähnlich übrigens dem Sommer 18, der fast genauso war, bloß hatte ich das Unentspannte schon beinahe vergessen.

Ich erlaubte mir den Gedanken, dass ich die Jungs manchmal am liebsten ins Sonnenblumenfeld gejagt hätte. Und genoss es im nächsten Moment, nicht genug davon bekommen zu können, in ihrem strohblonden Haar zu schnuppern, wenn sie auf meinem Schoß saßen. Auch im Urlaub ist mit Kindern vieles Lichtgrau – und eben nicht Reinweiß. Aber eben auch nicht Schwarz. Oft hab ich erst abends gemerkt, dass ich mich zwischendurch doch so richtig entspannt gefühlt habe.

Könnte man auch alles zuhause haben? Jepp. Warum wir trotzdem so gern in den Ferien wegfahren? Weil zuhause immer ein Mandant anruft oder sogar vor der Tür steht, weil der Nachbar Hilfe beim Schuppendach braucht, ein Kooperationspartner etwas möchte – oder ich doch schnell mein Arbeitszimmer aufräume, statt mit den Kindern Siedler zu spielen. Weil Urlaub uns wie mit einem Kofferband eng aneinander bindet.

Reisen mit Kindern, Urlaub mit Kindern ist stressig, Tipps für einen harmonischen Familienurlaub
Weil miteinander Reisen die Gefühle verstärkt, die schlechten, aber auch die guten. Und weil wir immer ein bisschen verrückt werden nach ein paar Tagen, nachts Höhlen bauen um halb eins im Jugendherbergenbett zum Beispiel. Oder ewig nach dem Strand auf dem Bett nebeneinander liegen, wie eine Badezeug-Patchworkdecke, und über die schlimmsten Wörter der Welt nachdenken. Überhaupt gemeinsam über die Welt nachdenken, während wir sie gemeinsam entdecken. Große Koalition eben.

Was uns gegen Frust hilft:
  • Versuchen, sich nicht über das zu ärgern, was nicht perfekt ist: die Figur ist noch nicht bikinifit? Dann eben nächstes Jahr (und dieses eine Poncho anziehen). Dran denken, dass eine Top-Figur nicht automatisch einen guten Urlaub macht. Genau wie ein Pool nicht automatisch entspannt macht. Arbeiten müssen? Dann schnell abhaken – und ab an den Pool. Weil es dort immerhin schöner unentspannt ist. Sich erlauben, müde sein zu dürfen, frustriert und genervt. Weinen und schreien dürfen – es ist schließlich unser Urlaub – keine Rama-Werbung
  • Dem Kopf Futter geben: Die Kinder beobachten – und hinterher von jedem Kind zwei Lieblingssätze aufschreiben. Die eigene Geburtstagsparty schon mal gedankenplanen. Alle Namen der Liebsten rückwärts aufsagen (Luk heißt kul!) Aufs Meer gucken, ein und ausatmen und bis 50 zählen. Wer atmet und zählt grübelt nicht.
  • Das lässige Lotterleben zelebrieren. So stressig es sein mag, spüren wie gut es tut, sich ohne Terminkalender bewegen zu können. Verrückt sein dürfen: Um halb zwölf in München mit den Kindern den McDonalds zu stürmen zum Beispiel. Eisflecken einfach ignorieren.
  • Ja sagen. Das entspannt mich vielleicht mit am meisten: Ja zum zweiten Eis, ja zur Bonbonpackung an der Kasse, ja zur zweiten Gute-Nacht-Geschichte (bei allen Vieren), ja zur Schlammschlacht oder zu einer abendlichen Runde Karussell.
  • Klare Ansagen machen: für sich, für den Partner, die Kinder. Also: „Ich arbeite jetzt zwei Stunden, dann komme ich zum Pool.“ Und sich dann auch dran halten. Verabredungen treffen: Jetzt darfst du eine Stunde lesen – dann ich.
  • Frust, Geschrei, Wutanfälle nicht so ernst nehmen. Die Vorstellung vom babyblauen Insta-TV-Film im Kopf löschen. Das Leben als Underground-Film sehen. Ist echt lustig.
  • Banale Dinge neu überdenken: Sitzplätze im Auto tauschen zum Beispiel. Hat unsere Fahrten viel viel entspannter gemacht. Krümelerlaubnis im Auto geben – und es hinterher zu Hause eben einfach aussaugen. Merken, dass man immer weniger Dinge braucht (und sie beim nächsten Road-Tripp-Stop tatsächlich gar nicht mehr auspacken.
  • Etwas Neues ausprobieren, am besten jeden Tag. Das kann eine Wanderung über den Gipfel sein, oder ein neues Rezept. Ein Buch, eine neue Sandburg oder – wie bei mir – ein Angel-Kurs. Hauptsache es hält den Kopf davon ab, sich krampfhaft entspannt fühlen zu wollen. Und dann ist man es plötzlich doch.

Alles Liebe,

Claudi
2019-07-31T14:57:09+02:00

8 Kommentare

  1. Sandra 31. Juli 2019 um 21:29 Uhr - Antworten

    ich weiß genau, was du meinst… verreisen mit Kindern ist stressig, aber irgendwie gibt es einem noch mehr zurück als reisen ohne Kinder. Auf unsren Reisen mit den Kindern (3 und 4 Jahre) fühlen wir uns jedes mal richtig als Team, viel mehr als im Alltag. So nach dem Motto: wir 4 gegen den Rest der Welt! 😉 mir hilft dieser Gedanke auch oft zu entspannen.
    Danke für deine wunderschönen Beiträge und die wunderbare Wort-Akrobatie!

  2. Friederike 31. Juli 2019 um 21:50 Uhr - Antworten

    …ja, so ist es, das Reisen mit Kindern. Wir sind gerade aus Stockholm mit unseren 3 Mädels zurück und streckenweise war es tatsächlich anstrengender als zuhause (kein Kind im U-Bahn-Gewimmel verlieren, literweise sauteure Getränke für unsere durstigen Damen kaufen, unsere Jüngste zum Weiterlaufen animieren…), aber trotzdem würde ich das Verreisen nie missen wollen! All die neuen Eindrücke, die auch für die Kinder so wichtig sind! Unsere Vierjährige ist besonders kontaktfreudig und hat sich einfach mit Händen und Füßen mit schwedischen Kindern verständigt, unsere Älteste kann jetzt auf Englisch im Restaurant bestellen und Busfahrpläne lesen… was ich mir allerdings nicht vorstellen kann, ist, im Urlaub zu arbeiten. Ich könnte dann einfach nicht wirklich abschalten und hätte immer im Hinterkopf ,,ich muss heute noch…” Ausserdem brauche ich im Urlaub für meine Erholung einfach auch mal Zeit für mich allein. Mein Mann weiss das und deshalb hat er mich auch in diesem Städteurlaub zweimal alleine losgeschickt und ich bin ganz ohne schlechtes Gewissen durch die Stockholmer Altstadt gebummelt und habe mich ein bisschen wieder so wie zu Studentenzeiten gefühlt…herrlich!..später schickte mein Mann ein Bild von meinen Mädels, wie sie hochzufrieden angelnd am Hotelsee saßen und dann bin ich sofort voller Sehnsucht und bin in die nächste U-Bahn gehüpft, um wieder bei ihnen zu sein. So ein bisschen Hin-und Hergerissenheit scheint zum Mamasein einfach dazuzugehören und im Urlaub wird es dann besonders deutlich…

  3. Susanne 1. August 2019 um 10:03 Uhr - Antworten

    Danke für diesen Beitrag. Ich war von unserem Urlaub total frustriert. Unsere drei Kinder 14,8 und 2 alle nur genervt. Vor allen Dingen die Großen nur am Streiten. Es war genau wie du gesagt hast, so schöne Orte TROTZDEM Gemaule. In diesem Jahr war es so schlimm, dass ich alles angezweifelt habe, vor allen Dingen meine Fähigkeiten als Mutter. Eigentlich hatte ich auch gar keine Zeit zum Urlaub achten, da ich selbstständig bin und mich vorher abgerackert hatte, um freinehmen zu können. Dann dieser Fehler mit den Erwartungen, dass das wertgeschätzt werden müsste. Am Ende des Urlaubs hatte ich dann so ähnliche Gedanken wie Du. Ein tolles Erlebnis, ein kleiner Moment des Tages sollte reichen um glücklich zu sein. Danke für diese Zeilen, es ist beruhigend dass es woanders genauso läuft und wir uns Mütter durch Beiträge wie Deine auch immer wieder mal reseaten, es mit der neuen Taktik probieren, damit wir täglich das leisten und abliefern können, was wir wollen. Wir selbst und die anderen von uns.
    Lieben Gruß sendet Susanne

  4. Becker Corinna 1. August 2019 um 14:55 Uhr - Antworten

    Liebe Claudi,

    Danke??für diesen Artikel, für die Echtheit- die Ungeschminktheit. Unser Urlaub war auch viel Streiterei und Gemaule.Aber auch viele tolle und wunderschöne gemeinsame Momente. Irgendwann dachte ich: das mit Kindern und dem Glücklichsein und Entspanntsein ist ein bischen wie das Segeln und der Wind. Ich hab versucht die Kinder und ihre Befindlichkeiten einfach zu nehmen wie den Wind, den ich nicht ändern kann. Mal bläst er in genau die richtige Richtung und mein Glücksboot gleitet in der Sonne dahin.Herrlich. Dann wiederum zieht ein Sturm auf und es wird ruppig auf dem Boot. Ich stelle meine Segel darauf ein und halte trotz stürmischer See meinen Kurs ohne ärgerlich zu sein auf den Wind.Ich stelle mir vor, wie sich das anfühlt glücklich und entspannt zu sein. Und akkzeptiere den Sturm und die Wellen. Oft war es so, dass die Kinder sich schneller berappelt haben als sonst. Weil ich in einem guten Gefühl bleiben konnte, hat sich der Streit schneller aufgelöst..hat nicht immer funktioniert..aber schon ganz schön oft..lichtgrau halt? Liebe Grüße, Corinna

  5. Julia 1. August 2019 um 19:48 Uhr - Antworten

    Danke für Deine Einblicke! Arbeiten im Urlaub ist aber echt doooof! Ich habe schon ohne Arbeit viel zu wenig Zeit im Urlaub mit Kindern. Und Entspannung ist doch auch langweilig! Das hast Du noch als Rentnerin genug ? Abenteuer und Chaos sind doch viel lebendiger!

  6. Simone 2. August 2019 um 11:16 Uhr - Antworten

    Liebe Claudi, vielen, vielen Dank für diesen tollen Artikel, den ich komplett nachvollziehen kann und den ich mir für unseren nächsten Urlaub vorsorglich schonmal abspeichere. Besonders toll finde ich, dass ich nicht allein damit bin, dass mich (ein bißchen) Arbeit im Urlaub tatsächlich entspannt. Aber wenn ich ein wenig was am Rechner getan habe, bin ich eine sehr viel nettere Mutter und dann kann daran wohl auch nicht viel falsch sein… Euch noch eine schöne Reise und viele Grüße,
    Simone

  7. Leni 2. August 2019 um 22:38 Uhr - Antworten

    Danke für deine ehrlichen Worte. Endlich mal nicht nur diese rosa instaWelt. Ich bin oft so froh, wenn ich Geschichten von Familien lese, die genau so chaotisch, laut und anstrengend sind, wie meine. Und bei denen es auch ständig Streit und Gemaule gibt. Das tut wirklich gut zu merken, dass es so vielleicht doch normal ist und eben nicht wie in der scheinbar perfekten Instawelt. Danke für deinen erlichen und unperfekten Urlaubsbericht.
    Leni

  8. Judith 3. August 2019 um 01:54 Uhr - Antworten

    Yeaaaah yeah yeaaaah! Underground-Film ist ein super-Gedanke!so wird es bei uns auch wieder sein…und ich liebe es schon jetz?!
    Danke für.deine ehrlichen Worte! !
    Mal wieder! !

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