Es gibt so Gesetzmäßigkeiten in Familien, die vermutlich jeder kennt: Wenn gerade gegessen wird, geht mindestens ein Kind sofort aufs Klo. Jede Medien-/Kuschel-/Süßigkeiten-Zuteilung finden alle Geschwister unisono “ungerecht!”. Und bevor man zu einem vermeintlich schönen Familienausflug loskommt, muss man emotional durch die Hölle…
Obwohl ich es eigentlich weiß, überrumpelt es mich doch jedes Mal wieder von Neuem – und macht mich schier fertig. Ich meine: Ich denke vorher eigentlich immer, ich tue doch allen etwas Gutes, wenn ich Tierpark/Schwimmbad/Mitmach-Museum auf die Wochenend-Agenda setze.
Ich melde ja niemanden zum Foltercamp an. Aber genau so benimmt sich dann immer mindestens ein Kind, wenn es Richtung Aufbruch geht.
Im Zweifel habe ich den Ausflug lange und sensibel manipulativ vorbereitet. Die Idee platziert, Begehrlichkeiten geweckt (“Da gibt’s das beste Eis der Gegend, hab ich gehört…”), Tickets besorgt, für einen Gourmet-Picknickkorb mein Wochen-Budget überzogen. Am Abend vorher noch mal vorsichtig an das bevorstehende Ereignis erinnert – damit sich auch ja niemand beschweren kann, davon überhaupt nichts gewusst zu haben.
Und wenn nach langer Vorbereitungszeit – bereitet ihr auch so absurd überbordende Picknickkörbe vor, die meist vor Ankunft schon leergefuttert sind…? – wenn dann also bereits die ersten Familienmitglieder erwartungsvoll im Auto sitzen und lautstark “losfahren, losfahren!” skandieren – hockt ein Kind plötzlich bockig auf der Treppe/sperrt sich im Klo ein/versteckt sich im Gartenschuppen, weil: Irgendwas ist immer. Ein falsches Wort, ein falsches Kleidungsstück, das falsche Brot als Sandwich-Picknick. Oder auch gern: Schwimmbad plötzlich zu nass/Tierpark zu öde/Museum zu weit. Ist auch völlig egal, denn ein Drama kann man einfach aus allem inszenieren. Und kreativ sind meine Kinder, das muss ich ihnen lassen!
Meist denke ich in solchen Momenten allerdings weniger freundlich von meinen Kindern und ihren Versuchen, unsere Familienzeit zu torpedieren.
Wenn man unsere Fotobücher durchblättert, sieht man dort viele schöne Ausflüge: Wir fünf am Meer, am Badesee, im Tropenaquarium, im Mittelgebirge. Was man nicht sieht: Wie mein Mann Kind eins über der Schulter ins Auto verfrachtet hat, weil es sich brüllend weigerte, den Treppenabsatz zu verlassen. Wie Kind zwei nach Ankunft am Zielort eine geschlagene Stunde im Kofferraum hockte und nicht im Traum daran dachte, auszusteigen. Wie alle drei sich schon vor Motorstart so sehr in der Wolle hatten, dass mein Mann wieder ausstieg und zurück ins Haus ging.
Was man auch nicht sieht: Wie meine Laune zwischendurch mit Lichtgeschwindigkeit in den Keller rauscht. Wie ich zwischen zusammengebissenen Zähnen mindestens ein Kind verwünsche, unsere Familie und unseren Alltag ganz generell in Frage stelle. Mir Gedanken wie “zur Adoption freigeben”, “Taschengeld streichen”, “wer wollte noch mal Kinder..?!” durch den hämmernden Kopf schießen.
Und wie ich dann mit großer Wahrscheinlichkeit einmal die rhetorische Frage in den Raum blöke, ob wir vielleicht direkt alles wieder abblasen wollen.
Was ich eigentlich unter gar keinen Umständen will. Weil ich Ausflüge liebe. Und meine Kinder auch. Eigentlich. Sie müssen meist nur erstmal vor Ort sein. An diesen Gedanken klammere ich mich – und meist ist es dann auch genau so: Wenn alle Übersprungshandlungen ausgestanden sind, die ersten Brote und Schokoriegel vertilgt, irgendein sedierendes Hörspiel alle erhitzen Gemüter gekühlt hat, wird’s meist besser. Man muss es eben bloß bis dahin aushalten.
Glücklicherweise verhält es sich mit Ausflügen so ähnlich wie mit Geburten: Man vergisst/verdrängt sehr schnell, wie scheiße es zwischendurch ist. Das Gehirn ist gnädig. Weswegen ich in schöner Regelmäßigkeit immer wieder in die gleiche Falle tappe. Immerhin kann ich ehrlich behaupten, dass eigentlich jeder Ausflug den vorherigen Stress am Ende wert war. Auf den Punk verzichten würde ich dennoch liebend gern.
Was mich dabei auch immer wieder erstaunt: Wie fix Kinder nicht nur ihre Meinung, sondern auch ihre Laune ändern können.
Als wir nach dem Kofferraum-Drama einen langen Ausflugs-Tag hinter uns hatten, meinte das entsprechende Kind strahlend “Das war ja herrlich, Mama.” Wusste ich’s doch. Wird uns das nächste Mal trotzdem nicht viel nutzen. Ist eben ungeschriebenes Familiengesetz, vor Ausflügen großes Theater zu machen.
Kennt ihr das auch…?
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Alles Liebe (und gutes Durchhaltevermögen!),
Liebe Katia,
bereits ab der ersten Zeile deines Artikels musste ich grinsen und bei “sedierendes Hörspiel” musste ich dann laut lachen. So oder so ähnlich ist das:-)
Ein perfekter Artikel zum Wochenende!
Liebe Grüße aus Süddeutschland und ein wunderbares, erholsames Wochenende !
Susanne
Hej liebe Susanne, o, wie mich das freut! Hab du auch ein herrliches, auf bald, Katia
Genau so! Wobei es mit 13 jährigem mit der Weile so ist, dass er zwar sonntags 08:00 Uhr fertig auf dem Fußballplatz steht für das wichtige Liga- Spiel aber ein Ausflug vor 11:00 Uhr Folter ist, er müsste ja schlafen! Und dann scheint er Kaugummi an den Füßen zu haben oder wir ein klebriges Moor im Flur, so langsam, wie er sich fort bewegt… einmal los gekommen ist dann alles gut, aber bis wir alle vier mal im Auto sitzen, da könnte ich glatt noch den Frühjahrsputz schaffen! Mein Mann geht dann immer schon vor und fährt den Wagen vor… Tochter und ich eilen hk geehrt und der Teenie kommt mit Grabesmiene angeschlurft und wehe ich muss dann lachen, weil ja alles wie immer ist!
Hej liebe Kathrin, für Pubertiere ist eben alles eine Frage der Prioritäten 😉 Oh ja, ich kann bei uns selbst immer nicht so richtig glauben, wie viel Zeit verstreicht, bis wir im Auto sitzen (für mein Empfinden wären wir immer schon halb am Zielort, wenn sich alle ein wenig sputen würden). Aber so ist das wohl, ziemlich universell und doch immer wieder erstaunlich. habt ein schönes Wochenende – ob mit oder ohne Ausflug, alles liebe, Katia
Hey Katia,
Musste herzlich lachen. Das behind the scenes bei Familien Fotos ahnt oft niemand :).
Tipp: Besucherkind mitnehmen. Dann benehmen sich alle plötzlich besser :).
Brote schmieren und aufwändige Picknicks spare ich mir, auch bei Urlaubs-Autofahrten. Wir haben ein camping-Teller und Messer set vom ADAC, da ist alles (sehr kompakt) drin-auch Messer und Brettchen. Ich packe dann Aufschnitt und Butter/Aufstrich , Obst und Tomaten ein. Wir holen Brötchen auf dem Weg-meistens testen wir ne tolle und unbekannte Bäckerei (wird vorher gegoogelt). Jeder schmiert sich dann sein Brötchen selber und auch Obst wird direkt am Picknick Platz geschnitten. Geht im Sommer natürlich am besten. Bei Urlaubsfahrten machen wir das mittlerweile immer so.
Lg, Mathilda
Hej liebe Mathilda, Szenen des Grauens – bei denen niemand auf den Auslöser drückt… Stimmt, Gastkind ist oft ein guter Tipp – es sei denn, es ist so vertraut mit der Familie, dass es auch von den Geschwistern eher als Mitglied des inner circle wahrgenommen wird – und sie dennoch Streit vom Zaun brechen oderoderoder 😉 Deinen Tipp in sachen Picknick-versorgung beherzige ich für den nächsten Trip auf jeden fall – dauert nämlich immer ewig, bis zu Hause der Picknickkorb bereitet ist. Ich nehme bald einen neuen familienausflug-Anlauf, mal sehen, wie’s läuft! Alles Liebe, schönes Wochenende, Katia
Haha genau so! Herrlich! Und wohltuend.
Hej liebe Caro, immerhin sind wir mit dem Nerv nicht allein… 😉 Schönes Wochenende, alles Liebe, Katia
Wir wurden beobachtet! Genau so ist es immer!
Kinder: “Und was machen wir da?”, “Ich möchte auch mal was anderes machen!” (Auf die Frage was man machen möchte gibt es aber keine Antwort) Wahlweise vom 7 jährigen “Ich geh aber nicht mit!”
Reaktion Mama; “Wir können das alles auch lassen! Ich muss da nicht hin!”
Stimmung dahin. Kinderstreit im Auto, Mann motzt…warum kann bei uns nichts einfach mal funktionieren?
Kaum angekommen ist alles Sonnenschein, nur ich bin nachtragend und schalte nicht so schnell um.
Und trotzdem tun wirs immer wieder! Schon verrückt
Ist das nicht verrückt, wie ähnlich sich Familien dann doch immer sind…? Dass wir hier unsere Geschichten erzählen, die aber doch universell gültig sind? Sehr beruhigend zu wissen! Alles Liebe, schönes Wochenende und auf bald, Katia
Hahaha,
Ich musste sehr über den Beitrag lachen, traue mich aber kaum zu sagen: sowas hatten wir bisher tatsächlich noch nie. Ich weiß nicht, ob die Luft im Norden Hamburgs irgendwie anders ist als am Deich…bei uns gibt’s eher immer das Drama beim Zurückfahren. Mit Tränen und Trauer und Wut. Das man jetzt vorzugsweise doch vllt hier wohnen könnte (im Tierpark? Wo genau? Bei den Hängebauchschweinen? So genau konnte die Brut das noch nicht erklären. Halt Hauptsache nicht Zuhause)
Fröhliches Ausflügeln wünsche ich euch aber! Liebste Grüße aus HH nach HH!
Rike
Also hier im Süden von D haben wir sogar oft beides. Drama vor der Abfahrt, weil kein Bock und dann Drama vor der Rückfahrt, weil es doch so schön war und man nicht wieder nach Hause will – von ein und demselben Kind… 🙂
Haha, das ist ja die Höchststrafe! Chapeau, dass ihr es euch dennoch antut… 😉 Alles Liebe, schönes Wochenende, Katia
Hej liebe Rike, wie lustig! 😂 DAS wiederum kenn ich hier nicht…. So oder so: Es scheint kompliziert… 😉 Schönen Sonntag noch, alles Liebe, Katia
Genauso läuft es bei uns auch ab. Wie mich das unglücklich macht! Ich denke mir immer: das Leben muss doch aus mehr als Schule, Arbet, Kieferorthopädie, Logopädie und Hausaufgaben bestehen. Ich will was schönes erleben, schöne Erinnerungne schaffen. Ich habe angefangen, das deutlich runterzufahren. Eher immer das gleiche (gleiche Freibad, gleicher Spielplatz mit Cafe im Wald) und meine Abenteuerlust mit einer Freundin auszuleben. Als mitten om Lockdown seit Jahren endlich rodeln möglich war war es ein einziges Gejammer und Gemotze, dabei war es traumhaft! Ob es daran liegt, am Älterwerden, wir weniger machen bis auf einzelne Highlights: hier wirds besser. Ob wir zur langen Nacht der Wissenschaften gehen, kommt plötzlich von den Kindern und nicht von mir und bei Kinobesuchen ist sofort Begeisterung da. Es besteht also Hoffnung.
Hej liebe Sab, vermutlich kann man es mit dem Satz “Irgendwas ist immer” halten – trifft ja auf ungefähr alles im Familienleben zu – auch auf die vermeintlich schönen Dinge. Da müssen wir vermutlich alle durch und ich hoffe auch sehr, dass es sich mit zunehmendem Alter bessert. So lange versuche ich mich an deinem Tipp – wir waren beispielsweise die letzten drei Tage hintereinander im gleichen Freibad – und es hat super geklappt! Alles Liebe, danke für deinen Zuspruch, Katia
Ich hab gerade so laut gelacht! Bei uns ist es exakt dasselbe und ich dachte immer, das läuft nuuuur hier so!
Danke für das „Ich bin damit nicht alleine“-Gefühl ❤️
Liebe Lisa, ja, beim Lesen finde ich es dann auch immer ganz amüsant. Dabei meist weniger 😉 Aber das kennst du ja… Ganz lieben Dank für dein Feedback, alles Liebe, Katia
Ich liebe den Moment, indem man durchatmen kann, weil endlich alle (dank sedierendem Hörspiel – danke für den Ausdruck) zufrieden und bestenfalls schweigend auf der Rückbank hocken 😄 Schönes Wochenende und schöne Ausflugszeit
Hej liebe Anna-Laura, weiß genau, was du meinst . 😂 Danke für dein nettes Feedback, schön, dass du dabei bist! Alles Liebe, Katia