Ich wär’s fast gewesen, die die musikalische Karriere meines Sohnes verhindert hätte. Aber der Reihe nach. Einer meiner Söhne war eine Zeit lang im Chor. Weil ich ihn manchmal ein paar Minuten zu spät abholte, saß er plötzlich mitten in einer Klavierstunde. Die startete nämlich genau danach. Ziemlich schnell meinte mein Sohn: “Mama, ich möchte auch Klavier spielen lernen…!”
Ich dachte sofort an meine traumatische Klaviererfahrung als Kind. Ich musste mal für ein Jahr spielen und habe jede einzelne Stunde verflucht. Ich dachte an unser zugestelltes Wohnzimmer, das keinen Platz für ein Klavier hat. Ich sagte: “Ja, mal sehen. Vielleicht in einem Jahr oder so…” Er fragte immer wieder – und ich vertröstete ihn. Er war damals in der Vorschule, also fünf Jahre alt.
Wenig später gab es bei uns in der Schule ein großes Schulfest. Ich unterhielt mich sehr nett mit der Lehrerin meines Sohnes und durch Zufall kamen wir auf das Thema Musik und ich erzählte ihr die Klaviergeschichte. Während ich noch lachte, schaute sich mich entsetzt an: “Aber Frau Schaumann, wenn ein Kind sagt, es möchte ein Instrument lernen, dann können Sie doch nicht sagen, vielleicht später…!”
Ich schluckte. In meinem Kopf haute jemand in diesem Moment ohrenbetäubend laut auf die Tasten. Wenn ich es von jemandem anders hörte, klang es wirklich komplett verrückt. Noch in derselben Woche meldete ich meinen Sohn beim Klavierunterricht an. Mit der Klavierlehrerin vereinbarte ich, dass er im ersten Jahr auf dem uralten Keyboard meines Mannes üben konnte. Danach würden wir weitersehen. Ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommt. Aber nach einem Jahr war die Klavierbegeisterung ungebrochen und es gab ein gebrauchtes, lakritzfarbenes Piano zum sechsten Geburtstag. Bis heute gab es nicht einen Tag, an dem mein Sohn nicht freiwillig geübt hat. Höchstens mal anstupsen muss ich ihn.
Hallen die schiefen Töne durch den Raum, wird mir ganz warm ums Herz
Inzwischen habe ich noch zwei weitere Söhne, die ein Instrument lernen. Ich habe auch gelernt und ganz schnell ja gesagt, als der Wunsch aufkam. Einer spielt ebenfalls Klavier, einer Gitarre. Es gibt wunderbare Abende, an denen alles wild und doof war und dann fängt einer an sein Instrument zu üben und ich stehe daneben und singe dazu, weil sie sich das wünschen. Dann hallen die kleinen Melodien und schiefen Töne durch den Raum, während auf dem Herd das Spaghettiwasser brodelt und mir wird ganz warm im Bauch. Und hinterher fallen wir uns in die Arme – vor allem, wenn mal wieder ein verflixt schwieriges Lied plötzlich doch ging.
Manchmal verfluche ich die ganze Instrumentensache. Dann ist eh alles zu viel und dann kommt die Überei auch noch dazu, und liegt schwer wie eine Fuhre Kies auf unserem ohnehin platt gedrückten Abendprogramm. Manchmal muss ich einen oder zwei Söhne mehrmals erinnern. “Denkst du ans Üben!”, sage ich und sie stöhnen: “Ja, gleich!” Und wir schieben die Fragerei und Erinnerei und Stöhnerei und Aufschieberei immer weiter vor uns her, bis ein riesiger Haufen Frustkies auf dem Wohnzimmerboden im Weg herumliegt. Drüber klettern und es doch noch machen verlangt viel Disziplin. Ein weiterer Berg, den wir gemeinsam nehmen müssen, neben dem Hausaufgabenhügel. Manchmal bringt er mich an die Grenze zum Tobsuchtsanfall.
Ohne Erinnern und immer wieder mal Motivieren geht es wohl in den allerwenigsten Fällen. Entscheidet sich also ein Kind dazu, ein Instrument zu lernen, muss mindestens ein Elternteil bereit sein, es dabei zu begleiten. Das kostet Zeit und Nerven. Günstig ist es natürlich auch nicht besonders.
Ein Instrument lernen macht schlau
Ich bin trotzdem froh. Inzwischen finde ich es sogar schade, dass ich damals keine Klavierlehrerin hatte, die sofort Lieder mit mir geübt hat. Vielleicht wäre ich ja drangeblieben. Wenn ich mir von meinem Achtjährigen die Noten erklären lasse, fällt mir allerdings schnell wieder ein, dass man eben nicht alles kann. Man könnte es aber zumindest versuchen: “Die Liebe zu einer Sportart und zu einem Instrument…!”, betont ein kluger Freund von uns immer wieder, “…das sind die zwei größten Geschenke, die man seinem Kind machen kann.” Er ist fest davon überzeugt, dass Kinder damit auch besser durch die Pubertät kommen. Ich könnte mir vorstellen, dass er Recht hat.
Es hat noch so viel mehr Vorteile, wenn Kinder musizieren: Es soll die die Konzentrationsfähigkeit steigern, die Geduld und das Durchhaltevermögen trainieren und kreativ machen. So ein Instrument kann ein richtiger Freund sein – und ein Sprachrohr der Emotionen. Ich bemerke das auch bei uns: Der Wilde wird plötzlich ganz milde, der Schüchterne plötzlich laut. Das ist so spannend. Und zu guter Letzt: Musik machen ist ein Lebensgefühl, es verbindet, bringt die Kinder mit spannenden Menschen zusammen und erzeugt sofort ein Zusammengehörigkeitsgefühl.
André piekst mich manchmal in die Seite, wenn wir zusammen einem Kind und seinem Instrument zuhören. Manchmal allen dreien hintereinander. Ein richtiges kleines Konzert. “Und du hättest das beinahe verhindert!”, flüstert André dann und zwinkert mir zu. “Kein bisschen!”, flüstere ich zurück. “Nur weil ich hin und wieder zu spät komme, fing das alles doch überhaupt erst an.”
PS. Spielen eure Kinder ein Instrument?
Alles Liebe,
Meine Kinder sind seit ihrem ersten Lebensjahr im Musikgarten, in der musikalischen Früherziehung und meine Tochter mit 6 jetzt im ORFF Kreis – nun ja eigentlich, denn des kleinen Widerlings, der uns seit Anfang des Jahres in seinem Bann hat, sind fast alle Stunden ausgefallen oder online erteilt worden, was im ORFF Kreis, indem die Kinder möglichst alle Instrumente kennenlernen sollen, wirklich keinen Sinn macht.
Meine Tochter tendiert aktuell auch zu Klavier oder Gitarre, mein Sohn zu Trompete (ojeeeee) oder Schlagzeug (noch mehr ojeeeeeeeeeee).
Wir lassen die Kurse aber erstmal zu Ende laufen bis wir die Kinder endgültig über ein Instrument entscheiden lassen.
Was für ein toller Artikel! Danke schön! 😍
Ein toller Text.
Mein Sohn (9) spielt seitdem er 5 ist Schlagzeug. Ein lautes Instrument aber für ihn immer noch das richtige.
Der kleine (5) möchte unbedingt Gitarre spielen,hat auch schon eine zum Geburtstag bekommen. Nur beginnt hier bei uns der Unterricht leider überall erst ab 6 Jahren.
Mein Mann ist Musiker (Sänger und Gitarrist, kann aber auch noch Bass und Schlagzeug spielen) und spielt hobbymäßig in einer recht erfolgreichen Band. Wir haben einen gut ausgestatteten Proberaum zu Hause. Man sollte also meinen, die Liebe zur Musik ginge auf die Kinder über, zumal ich auch ganz passabel singe (aber nur heimlich) und gern mal durch die Küche tanze. Aber bisher hält sich das in Grenzen. Der 5jährige tendiert zu Schlagzeug, aber nicht wirklich mit Nachdruck. Beim Großen ist es sehr merkwürdig: Trotz starkem Hang zu den schönen Künsten ist er derart perfektionistisch und faul gleichermaßen, dass er zwar gern Gitarre und Klavier (und Trompete) spielen würde, sogar Talent zum Gitarrespielen hat, ABER für ihn muss es SOFORT PERFEKT klappen. Geht natürlich nicht. Ich hoffe so sehr, dass die Musik bei uns stärker einzieht, aber musiziert mein Mann auch nur für sich und nicht für alle zum Mitsingen. Das könnten wir mal einführen 🙂 Und was die Verwandlung vom Wilden ins Milde betrifft: Meine Lieblingsfotos meines Mannes sind die, auf denen er ganz für sich Gitarre spielt. Er kriegt dann “diesen Blick” und dann weiß ich nicht, ob er grad mehr verliebt in das Instrument oder in mich ist 😀
So ist es bei uns auch… Instrumente sind in Mengen hier… aber die Ungeduld unseres musikalischen Sohnes zu groß 🙈☺️
Hoffe bei der Kleinen klappt es besser…
Mein Sohn ist 9 und spielt jetzt das 2.Jahr Geige. Manchmal zweifle ich, ob es das Richtige ist. Das Üben ist mühsam und oft ein Kampf (will auch immer gleich alles auf Anhieb können, geht natürlich nicht) zur Geigenstunde geht er manchmal nur unter Protest, weil er das Spielen daheim unterbrechen muss. Dann geht er furchtbar grantig in den Raum und kommt nach 40 Min gut gelaunt und glücklich wieder raus. 🙂
Unsere Söhne spielen Klavier, Schlagzeug und Blockflöte der eine und der andere Geige. Mein Mann spielt Klavier, Geige und Schlagzeug und ich habe als Kind Gitarre und Blockflöte gelernt und habe mit 43 – vor 3 Jahren – angefangen Geigenunterricht zu nehmen und mittlerweile spiele ich in einem kleinen LaienOrchester und war vor Jahren für 8 Tage in Irland und habe jeden Tag an FiddleWorkshops teilgenommen….Ich finde, alle Kinder sollten die Möglichkeit haben ein Instrument zu lernen ….
Hallo, eine schöne Geschichte. Als mein Sohn 5 war, ging ich mit ihm zum Tag der offenen Tür der örtlichen Musikschule. Da sah er einen ca. 10-12 Jährigen am Klavier und war hin und weg. Ein halbes Jahr später begann er Klavierunterricht zu nehmen, ich kaufte ein Digitalpiano und nun, nach 7 Jahren Unterricht hat er in die 8. Klasse des Landesmusikgymnasiums in Montabaur gewechselt. Dabei muss ich aber unbedingt anmerken, dass mein Sohn auch eine Playstation und ein Handy bekam als er älter wurde und ihm dies fast die Freude an der Musik genommen hätte. Seine Schulniten wurden schlechter und er wollte nicht mehr Klavier üben. Da hab ich ihm gleich nach dem Elternsprechtag alles Digitale ausgesteckt und auch fast 9 Monate nicht wieder eingesteckt. Es hat keine 3 Tage gedauert, da saß er wieder am Klavier und das oft stundenlang. Was ich jedem Elternteil sehr ans Herz lege, ist daher Folgendes: Lassen Sie nicht zu, dass die Zockerei das Tallent ihres Kindes zunichte macht. Seien Sid mutig und probieren sie auch mal eind Radikalkur.
Übrigens: mein Sohn macht im Januar das erste mal bei Jugend musiziert mit und begleitet einen Sechtklässler, der Trompete spielt. Ich bin sehr stolz auf ihn, aber noch viel mehr freut es mich, dass er diese Liebe zur Musik gefunden hat.
Ich hatte den Moment “Schaun wir mal…” auch. Meine damals fast 4-jährige darf beim – Tag der Offnen Tür – im Konzerthaus eine Geige ausprobieren und ist hin und weg. Ich höre innerlich nur ein Quietschen, dass einem die Zehennägel hoch rollen lässt.
Mit 5 darf sie in der Vorschule anfangen zu lernen und bekommt ihre erste klitzekleine Geige (geborgt). Seit dem (sie ist inzwischen 7) wird fast jeden Tag geübt. Und es klingt so schön!!!
Oh, dieser Artikel hat mich gerade in meine Kindheit/Jugend zurückversetzt und für einen spontanen Höhenflug auf Glücksgefühlen gesorgt – DANKE! Jahrelang habe ich Klavier gespielt und nach einem Urlaub ging es immer durch die Haustür und schnurstracks zum Klavier! Und die Pubertätstheorie würde ich definitiv unterstützen, mir hat Musik – selbst am Klavier, aber auch von anderen – in der Zeit viel gegeben. Das wünsche ich mir auch später mal für meine eigenen Kinder, die zwei, die hier aktuell durchs Haus tanzen, sind allerdings erst 1 und 3. Für die 3jährige sollte es eigentlich mit musikalischer Früherziehung losgehen, allerdings werden wir diese Idee aus aktuellem Anlass wohl leider erstmal Richtung Frühjahr schieben…
Ich habe auch schon bei Instagram kommentiert, meine Mädels “mussten” erstmal ein Jahr Flöte lernen, für den schnellen Erfolg. Danach konnten sie auch die Noten und durften sich aussuchen, was sie für ein Instrument spielen wollen. Die Kleine (7 Jahre) ist bei Flöte geblieben, die Mittlere (10 Jahre) spielt seit vier Jahren Gitarre. Die Große (12 Jahre) spielt schon 4 Jahre Klavier und seit Anfang des Jahres hat sie Geigenunterricht, beides alle 2 Wochen im Wechsel.
Die Gitarrenlehrerin meiner Mittleren hatte am Anfang einen Stundenplan, wo ich immer unterschreiben musste, wie oft sie geübt hat. Das fand ich ziemlich blöd und habe es irgendwann nicht mehr gemacht. AB und zu erinnere ich die Mädels daran (vor allem die Kleinste), aber sie müssen eigentlich von sich aus daran denken.
Liebe Grüße
Sharon
P.S. Wir sind generell eine musikalische Familie, haben noch viel mehr Instrumente, als gespielt werden. Mein Mann spielt Klavier und Akkordeon, ich spiele Trompete.
Wow,
ich musste in der Grundschule Blockflöte spielen (und hab’s nicht besonders gemocht).
Irgendwann habe ich ein Keyboard bekommen und dieses auch eine Zeit lang gespielt.
Auch mir ging es nicht schnell genug auf dem (von mir selbst) erwarteten Niveau. Heute besitze ich keine der Instrumente mehr.
In der Oberstufe des Gymnasiums habe ich mich für den Chor entschieden und dort, mit nur einer weiteren Mitschülerin, den Mezzosopran gegenüber 25 Sopranistinnen behauptet.
Ich habe das sehr genossen und später noch einmal mit meiner Tante in einem Chor versucht, jedoch aufgrund der Ausbildung und Arbeitszeiten nicht “durchgehalten”.
Gitarre hätte mich ebenfalls gereizt – das “Lagerfeuer-Image” & so…
Ich habe noch keine Kinder.
Vllt. ergibt sich ja die Möglichkeit mit dem Kind/den Kindern noch mal neu anzufangen.
Gerade habe ich deinen wunderschönen Bericht gelesen und er trieb mir die Tränen in die Augen.
Vieles erinnerte mich an meinen großen Sohn. Er hat zunächst mit 6 in der Chorschule angefangen und sich dann mit 8 dazu entschlossen Querflöte zusätzlich zu spielen. Seitdem ist er mit Feuer und Flamme dabei. Bei ihm hieß es nie: Ich muss üben, sondern immer: Ich mache Musik. Mit 10 kam dann noch Klavier dazu. Inzwischen beherrscht er, soweit man das sagen kann, 3 Instrumente; Gesang, Querflöte und Klavier. Er ist jetzt 14 und nach einer nicht immer einfachen Kindheit, der zuverlässigste, selbständigste und ausgeglichenste Jugendliche, den ich kenne. Seit diesem Schuljahr geht er auf ein Musikinternat und fühlt sich pudelwohl. Zusätzlich lernt er jetzt dort noch Kirchenorgel.
Ich kann nur bestätigen: Musik hilft ihm, gleicht ihn aus und die Gemeinschaft gerade im Chor tut gut. Vor allem in der Pubertät!
Weder ich noch mein Mann haben je ein Instrument vernünftig gelernt, aber wir haben allen Kindern schon im Kindergarten Alter Angebote gemacht, einer hat die Musik für sich entdeckt und zwei den Sport!
Liebe Grüße
Hallo Claudia, was für ein schöner Artikel!
Bei mir ist es so, dass das Kind unterwegs ist und ich mir w<nsche, dass es auch ein Instrument erlernt, so wie ich. Als 7jährige habe ich für 2 Jahre Keyboard Unterricht gehabt. Vorher habe ich Blockflöte und somit die Noten gelernt, später habe ich kurz Gitarre und 1,5 Jahre Schlagzeug gespielt. Leider alles nur sehr kurz, da auch mich der perfektionsteufel gepackt hatte. Vor 4 Jahren habe ich beschlossen es noch einmal mit Gitarre zu probieren und durch meinen tollen Gitarren Lehrer (Carsten Weigandt:=)) der eine Engelsgeduld und ganz viel Wertschätzung an den Tag legt, bin ich drangeblieben. Egal ob nun ein Instrument, eine Sportart oder andere Fertigkeiten., für mein Kind wünsche ich mir dann auch so einen tollen Lehrer oder eine Lehrerin und ich kann es hoffentlich gut begleiten, verstehen und unterstützen!
Lieben Gruß und Danke für diesen Artikel!
Uns geht es so, wie manch anderen….
Papa ist solistisch als klassischer Bariton unterwegs, Klavier und Musikalität sind im Haushalt vorhanden.
Als unser Sohn 3 war, wollte er in den Chor. Es gab allerdings nur musikalische Früherziehung, eine vorbereitend auf den Chor. Da probierte er 2 verschiedene aus, bis Corona kam.
Mit 5 stellten wir ihm die Frage, was er nachmittags machen möchte…
Magst du Musik (Instrument oder Chor) oder willst du lieber Sport machen…. Ich hätte mir sehr gern “Klavier” als Antwort gewünscht…
“Sport.” Kam als Antwort. Ja, Klasse… “Und was da?” “Tanzen!” Erleichterung meinerseits, dass es nicht Fußball ist. Also meldeten wir ihn in einer Musikschule an und er geht regelmäßig dorthin….
Vielleicht kommt irgendwann noch der musische Wunsch dazu…. Außer Blockflöte morgens 6 Uhr am Wochenende….