Ich habe hier im Urlaub ganz viel Freude mit meinen Schmökern, aber als ich überlegte, sie im Blogartikel vorzustellen, hatte ich beinahe das Bedürfnis, mich vorab dafür zu entschuldigen. Denn: ups, fast alles Unterhaltungsromane. Dabei schreibe ich die doch selbst. Und liebe es. Was ist da also bitte los…?

Tatsächlich unterscheidet man gerade in Deutschland vermeintlich streng in Hohe Literatur und Unterhaltungsliteratur. Wikipedia erklärt es so: „Unter Hochliteratur versteht man die anerkannte, in Schule und Wissenschaft als hochstehend angesehene Literatur. Darunter fallen unter anderem die Klassiker. Der Begriff wird als Gegensatz zur reinen Unterhaltungsliteratur verwendet.“

Mmmh, okay. Und was ist mit all den neuen Büchern?

Wieder Wiki: „Ein Unterhaltungsroman besitzt im Gegensatz zu den Romanen der Hochliteratur keinen Anspruch auf sprachliche und kompositorische Innovation. Anders als der Trivialroman zeichnet sich der Unterhaltungsroman aber durch eine routinierte Schreibkunst aus.“ Oha, Trivialliteratur gibt‘s also auch noch.

Die Einordnung ist nicht leicht. Und selbst Verlage handhaben das unterschiedlich, jeder Entscheider hat eigene Kriterien. Manche Unterhaltungsromane werden auch schlicht „hochgecovert“, wie meine Agentin es mal liebevoll genannt hat. Aber woher weiß ich nun, ob ein Buch auf die Longlist des Deutschen Buchpreises gehört oder in den Urlaubskoffer als Poollektüre? Und schließt das eine überhaupt das andere aus?

Für mich ist gute Literatur innovativ, lotet die Wirklichkeit mit bekannter Sprache neu aus. Ich kann mich mit ihr identifizieren, sie macht Spaß, hat einen Sog, sie berührt mich. Und sie ist in irgendeiner Weise überraschend.

Auf welche Literatur das zutrifft? Für mich auf die guten Titel beider Gattungen.

Gute Unterhaltungsliteratur ist bestenfalls nicht seicht, sondern leicht. Gut lesbar zu schreiben, ist eine hohe Kunst. Gute Schreibe findet sich für mich sowohl in höherer Literatur, als auch in guter Unterhaltungsliteratur. Und ein Weglassen von Anführungszeichen oder möglichst kurze Sätze macht für mich noch lange keine gute (hohe) Literatur aus. Upsi.

Vermutlich macht Sprache und Struktur den Unterschied, genau wie der Umgang mit der jeweiligen Thematik. Wird dieser Mix vielschichtiger, oft verworrener, experimenteller komponiert, ist die Lektüre oftmals nicht so leicht verständlich und weniger weglesbarer, daher vermeintlich anspruchsvoller. Gute höhere Literatur bietet mehr als „nur“ Unterhaltung. Sie bietet Raum für eigene Interpretationen, ist weniger auserzählt. Die Personen sind oft vielschichtiger, die Handlung schreitet langsamer voran. Die Inhalte sind oft ernster, düsterer. Es gibt also Unterschiede, allerdings sind die fließend.

Stereotype Unterhaltungsromane nerven mich, genau wie experimentelle Autoren, die seitenlang mit schönen Worten spielen, hinter denen ich keinen Plot erkenne. Was in Romanen der „hohen Literatur“ für mich manchmal zu kurz kommt, ist der Plot. Vielleicht ist es das: Priorität hat die Sprache, der Rhythmus. Alltag wird innovativ erzählt. Allerdings bin ich grad im Urlaub süchtig nach Plot – weil er mich rauszieht aus dem Plot meines eigenen Lebens.

Auch in einem guten Unterhaltungsroman schwingt für mich mehr mit. Auch er weckt bestenfalls Assoziationen, Identifikationen, neue Gedanken, Gefühle und Erkenntnisse über mich. Und überrascht. Es gibt für mich definitiv gute und schlechte höhere Literatur und gute und schlechte Unterhaltungsliteratur. Und ein Roman muss zum Moment und zur Stimmung passen.

Der eigene Genuss ist entscheidend – was für eine Rolle spielt es da, was andere über meinen Lesestoff denken?

Klischees nerven, allerdings kann es sehr unterhaltend sein, wenn jemand mit Klischees zu spielen beginnt. Stereotype will ich – vor allem in Liebesgeschichten – nicht lesen. Ich will Geschichten, die sich von anderen abheben. Ich denke, das Geheimnis sind Details, die das Buch besonders machen. Der Sog. Und den finde ich in guter H- und in U-Literatur.

PS. Mein Hardcover-Lieblingsbuch, also „Hohe Literatur“, in diesem Urlaub: „Als Großmutter im Regen tanzte“, tolle Sprache und ein Plot!!! Und was für einer. Mein Softcover-Lieblingsbuch, also Unterhaltungstitel: „Bad Summer People“. Sexy, sophisticated, überraschend.

PPS. Was liest du am liebsten?

Claudi