Der Reflex, den viele von uns als Eltern haben, wenn uns Dinge Sorge bereiten oder nicht gefallen: «einfach» verbieten. Kein You-Tube, kein Tablet, kein Smartphone. Basta! Klingt ja auch stark und entschlossen. Doch, surprise: Das wird wenig nachhaltig und langfristig kaum effektiv sein…
Denn Verbote machen Dinge nur noch interessanter. Das wissen wir doch alle aus unserer eigenen Kindheit. Bei uns zu Hause waren es Süßigkeiten, deren Verzehr stark reglementiert wurde. Bei FreundInnen, wo das nicht der Fall war, habe ich dann oft so viele Süßigkeiten genascht, dass mir
schlecht wurde. Genauso funktioniert es mit digitalen Geräten. Denn eins musst du dir klarmachen: Ein Smartphone-Verbot zu Hause bedeutet nicht, dass dein Kind keinen Zugang zu diesen Geräten hat. Spätestens in der Grundschule sind die Chancen groß, dass deine Drittklässlerin bei einer Freundin ein Tablet oder ein Smartphone sieht und damit spielt.
Und so schauen die lieben Kleinen dann eben doch TikToks an, verfolgen auf YouTube gebannt «Follow me around»-Videos oder spielen die ersten Spiele.
Es kann also gut sein, dass dein Kind dabei auch verstörende Inhalte sieht oder negative Erfahrungen macht. Das Problem, wenn dann bei euch zu Hause ein striktes Verbot herrscht? Dein Kind wird sich dir vermutlich nicht anvertrauen, weil es Angst vor deiner Reaktion hat. Dieses Verstummen, das Sich-Zurückziehen sind jedoch das Gegenteil von dem, was wir Mütter und Väter wollen. Wir wünschen uns eine Beziehung, in der unsere Kinder wissen: Ich kann immer zu meinen Eltern kommen, egal, ob ich in der echten oder digitalen Welt ein Problem habe.
In vielen Gesprächen der vergangenen Jahre habe ich beobachtet, dass es beim Thema «Smartphone und Kinder» unterschiedliche Gruppen gibt: Es gibt Eltern, die den Zeitpunkt, an dem ihr Kind ein eigenes Smartphone bekommt, so weit wie möglich hinauszögern wollen. Sie haben regelrecht Angst davor, ihren drängelnden und quengelnden Kindern den Zugang zur digitalen Welt zu gewähren. Andere machen sich scheinbar gar keine Gedanken über diese Frage: Irgendwann hat das Kind halt ein Handy – was danach passiert, ist ihnen entweder egal, sie fühlen sich schlichtweg überfordert von der Auseinandersetzung mit der digitalen Welt des Nachwuchses oder sie haben keine Ressourcen, sich damit wirklich auseinanderzusetzen.
Wiederum andere geben ihrem Kind schon früh ein Handy, weil sie einfach genug von dem Dauernörgelsatz haben: »Aber alle haben ein Smartphone, nur ich nicht!»
Sie wollen nicht, dass ihr Kind zum Außenseiter wird. Manche Eltern begründen es mit ihrer Sorge um Sicherheit oder weil es so praktisch ist: «Damit ich es erreichen kann, wenn was ist.» Doch in vielen Fällen bleibt es nicht bei einem «Handy für Notfälle». Einige Kinder haben schon im Grundschulalter Zugriff auf Social-Media-Apps, erstellen eigene Profile, folgen InfluencerInnen oder schauen Schminktutorials. Manche posten erste Videos auf YouTube oder TikTok, und oft landen sie in WhatsApp-Gruppen, in denen Pausenhofstreitigkeiten am Nachmittag fortgeführt werden – häufig in einem Ton, der schockiert.
Beleidigungen, Mobbing und Drohungen sind hier Alltag. Und wie du im Laufe dieses Kapitels realisieren wirst: Das sind noch vergleichsweise harmlose Fälle. Wann immer ich Eltern auf dieses Thema anspreche, winken viele schnell ab: “Mein Kind kennt sich mit dieser ganzen Technik und dem Internet viel besser aus als ich.” Oder: «Ich verstehe davon eh nichts …diese ganzen Apps und Spiele – dafür bin ich zu alt. Da bin ich raus.” All das kann ich so gut nachvollziehen.
Man hat ja schon als Erwachsener das Gefühl, in der sich rasant wandelnden digitalen Welt kaum hinterherzukommen.
Ständig gibt es neue Entwicklungen und Funktionen, an die man sich gewöhnen muss. Wie soll man jetzt auch noch verstehen, wie Snapchat, TikTok und Co funktionieren? Allerdings muss uns eines bewusst sein: Zwar mag sich dein Kind technisch viel schneller zurechtfinden, als du es tust. Das bedeutet aber nicht, dass es potenzielle Gefahren instinktiv erkennt.
Dieser Text stammt aus dem Buch “Aber alle haben ein Smartphone” von Elisabeth Koblitz, jetzt neu erschienen bei Rowohlt. Elisabeth Koblitz ist Journalistin, Gründerin und Newsfluencerin. Seit 2016 berichtet sie auf ihrem Instagram-Kanal @elisabeth.koblitz über gesellschaftliche und politische Themen und verbindet Familienthemen und Politik. Für das Buch hat Elisabeth mit PsychologInnen, CyberkriminologInnen, MedienpädagogInnen und mit denen gesprochen, um die es geht: die Kinder selbst. Sie wirft einen Blick auf die Herausforderungen, vor denen Familien in einer digitalen Welt stehen, und vermittelt lebensnahe Ansätze und fundierte Strategien für den bewussten Umgang mit digitalen Medien.
Nach dem Lesen des Buches sind wir gewappnet für all die wichtigen Entscheidungen unserer Zeit: Ab wann soll mein Kind ein Smartphone bekommen? Wie viel Medienzeit ist angemessen? Welche Apps soll ich erlauben? Welchen Gefahren ist mein Kind im Netz ausgesetzt?
Foto: Mareike Klindworth
Wie gehst du mit dem Thema Smartphone und Kinder um?







Hallo Zusammen. Mein ältester Sohn hat mit 13 Jahren sein erstes Handy bekommen und jetzt mit 14 Jahren WhattsApp dazu. Er ist aber in keiner Klassengruppe, da dort eigentlich nur unnötiges gepostet wird. Er geht sehr vorsichtig und auch vernünftig mit dem ganzen um. Die Gefahren, die das Internet mit sich bringt, haben wir ihm ausführlich erklärt. Meine Tochter will nun mit 12 Jahren ihr erstes Handy bekommen. Sie ist das einzigste Mädchen in der Klasse, die kein Handy besitzt. Da es bei den Mädels schon einige Lästereien über WhattsApp gab und gibt und es meiner Erfahrung nach auch etwas extremer ist als bei den Jungs (?), möchte ich dies auch genauso handhaben wie bei meinem ältesten Kind. Hat hier vielleicht auch jemand Erfahrungen mit Lästereien von Mädchen in der Klasse? Über gute Tipps wäre ich dankbar :-)) Liebe Grüße, Dani
Bei uns gibt es auch erst zur 7. Klasse ein Handy – und alle Kinder waren damit mit Abstand die letzten im gesamten Jahrgang.
Bei Whats App ging es bei uns bisher überall überraschend harmlos zu (Jungs), es werden vor allem Einwort-Nachrichten wie “Jo”, “Bro” ausgetauscht – Zeitverschwendung, aber was weiß ich schon. Mit macht Snapchat mehr Sorgen, und der Suchtfaktor, das löst bei uns Whats App in Sachen Nachrichten bei den Jugendlichen ab und ich versuche da noch durchzusteigen.
Alles Gute dir.
Claudi
Danke für den Bericht. Es tut einfach gut zu lesen, dass es anderen auch so geht.
Meine Tochter hat mit dem Übergang zur 5. ein Smartphone bekommen, erst mal mit dem Gedanken, dass wir uns gegenseitig erreichen können, wenn sie dann mit dem Bus unterwegs ist.
Ich hatte dann auch einen guten Online-Elternkurs zur Thematik gemacht (einiges gelernt!) und danach mit ihr zusammen alles eingestellt nach dem Motto “erst mal ganz streng (= strenge Einstellungen, wenige Apps, App-Käufe müssen genehmigt werden usw.), und wenn dir was fehlt, dann sprechen wir darüber”. (Dabei ist mir übrigens auch aufgegangen: Mit 9 oder 10 stimmt ein Kind hier vielleicht noch zu. Je älter ein Kind wird, desto mehr Apps und Einstellungen können es werden, über die man gleichzeitig verhandeln muss.)
Klappt. Ich muss allerdings dazusagen, dass das Ganze mit meinem Sohn trotzdem schwierig ist, aber immerhin ist er dran gewöhnt, dass es bei mir wegen neuer Spiele nachfragen muss. Mal sag ich Ja, mal Nein, je nach Spiel.
Ach ja, und die anderen Themen (Gefahren und Verhalten) habe ich auch von Anfang an mit beiden besprochen, immer wieder mal.
Spannend und danke für den Austausch. Unsere Kinder bekommen ganz bewusst erst zur 7. Klasse ein Handy. Ich finde es großartig, dass sie zwei Jahre spüren, wie seltsam es ist, wenn schon im Bus alle auf ihr Handy gucken. Ja, es fühlte sich erst seltsam an, sie allein in die weitere Welt gehen zu lassen, aber irgendwie auch richtig und gut. Für uns.
In der fünften Klasse gab es übrigens bei beiden jeweils noch ein (!) weiteres Kind ohne Handy im Jahrgang der vierzügigen Schule, in der sechsten waren sie die einzigen. Gemeckert wurde dennoch wenig, vermutlich, weil wir so absolut eindeutig sind.
Ich habe bei beiden auch strenge Zeitvorgaben eingestellt. Wir reden super viel drüber und ich gucke regelmäßig in den Feed meines Großen bei Tiktok, zum Glück hab ich echtes Interesse an den Trends dort ; ) Der 13jährige hat “nur” Whats App und Snapchat, letzteres lasse ich mir regelmäßig von ihm erklären, das ist auch spannend.
Zwei Jahre hatten beide den Klassenchat auf meinem Handy. An einigen Tagen gingen 300 Giphs ein, ansonsten viel “Hi”, “Jo”, “Bro” und ähnliches. Aber zum Glück harmlos.
Es ist ein Dauerthema, aber ich hoffe, mit Offenheit und viel Reden kommen wir gut durch.
Liebe Grüße,
Claudi
Hallo Claudi,
Hier sind mal wieder die Kommentare mindestens so spannend wie der Artikel.
Wie haben eure Kinder das aufgenommen mit dem späten eigenen Handy, was hatten sie bis dahin an Medienzugriff und wie haben sie Kontakt zu Freunden nach der Schule gehalten?
Mein Großer kommt jetzt 6. und hat noch kein Handy. Prinzipiell ist das kein Problem und er versteht glaube ich auch warum. Aber ich habe das Gefühl, dass es ihm dadurch schwer fällt, Verabredungen mit anderen zu treffen. Wenn alle ein Handy haben und direkt miteinander kommunizieren und nur er über die Eltern gehen muss, ist das irgendwie doof.
Zum Artikel an sich: Ich mag Buchvorstellungen wirklich gerne und lese sie auch gerne. Aber wenn ein Artikel mit einem spannenden Thema anfängt, ohne zu kommunizieren, dass er eine Buchvorstellung ist und endet mit “Wenn ihr mehr wissen wollt, müsst ihr mein Buch zu dem Thema lesen” Fühle ich mich etwas veralbert und habe dann keine Lust auf das Buch.
Viele Grüße und vielen Dank für deinen tollen Blog!
Liebe Hella, danke für dein Gedanken. Ich finde die Kommentare auch besonders spannend.
Zu deiner Anmerkung: Dies ist keine Buchvorstellung, sondern ein Ausschnitt aus einem Buch – und somit ein Artikel.
Ich freu mich total, dass Elisabeth den hier exklusiv teilt und ich denke, wir können alle eine wichtige Botschaft mitnehmen:
So wenig Smartphone wie möglich, aber ganz verbieten, ist auch keine gute Idee.
Das ist ein Fact von vielen, die das Buch liefert. Für alle die mehr wollen, ist das Buch ein super Tipp.
Ich hoffe, das erklärt ein bisschen, warum ich solche Ausschnitte aus Büchern hier großartig finde.
Beste Grüße und danke, dass du hier liest,
Claudi
Hallo, bei uns gab es für beide Kinder (Mädchen, Junge) zur 5. Klasse ein Smartphone. Anfangs ohne mobile Daten, nur zum Telefonieren und im WLAN zu Hause für die Apps. Mittlerweile haben beide mobile Daten, da sie viel mit der Bahn unterwegs sind.
App Käufe müssen immer angefragt werden, Zeitverlängerung auch. Abends werden die Handys zu einer bestimmten, voreingestellten Zeit abgestellt bis zu einer bestimmten Uhrzeit morgens (Ausnahme bei Übernachtungen, Fahrten mit dem Sportverein). Dieses Modell klappt aktuell gut für die Kinder und uns und sie wissen, dass wir da recht konsequent sind.
Danke für’s Teilen eures derzeitigen Wegs!
Liebe Grüße,
Claudi
Mich wundert, wie viele von Anfang an WhatsApp haben. Datenschutztechnisch Katastrophe und in der 5. Klasse auch noch nicht erlaubt eigentlich. Man kann ja SMS schreiben statt WhatsApp und in den Gruppen, das schreiben viele, ist eh oft entweder mobbing oder nur banales unterwegs. Ein Smartphone heißt ja nicht automatisch WhatsApp oder? Wir Eltern haben aber beide auch kein WhatsApp, daher wäre mir das nicht in den Sinn gekommen, dem Kind das zu erlauben…