Dieses Prickeln, wenn mein Fuß vorsichtig die Wasseroberfläche teilt und kleine, verheißungsvolle Schauer meine Wade hochjagen. Das Gefühl, wenn ich dann ganz eintauche in all dieses Blau, wenn das Erschauern von Kälte und Vorfreude gleichermaßen wie eine Welle über mich rollt. Wie ich dann schwerelos werde und in diesem Schweben einen Rhythmus finde, Arme, Beine, Bewegung, Atem. Wie mein Kopf leer wird und mein Herz ganz voll mit Freude über die simple Tatsche: Ich schwimme…

Dass ich mal eine Art Liebeserklärung ans Schwimmen schreiben würde, hätte ich noch vor zwei, drei Jahren nicht gedacht. Da war meine Abneigung gegen Freizeitbäder jeglicher Art in etwa so groß wie jetzt meine Zuneigung. Freibad-Saison? Ohne mich!

Einzig für Naturgewässer habe ich immer gern eine Ausnahme gemacht: Im Badesee meiner Kindheit oder im Meer. Aber mit Chlor und vielen halbnackten Menschen im Freibadgetümmel oder im feuchtwarmen Hallenbad konnte man mich jagen – selbst die obligatorischen Pommes haben es nicht gerissen

Vermutlich war ich zuletzt als Kind ein wirklicher Schwimmfan.

Da konnte ich stundenlang und ausdauernd mit schrumpeligen Froschfingern vom Einer und Dreier hüpfen, Köpper, Paketsprung, Arschbombe – das volle Programm. Mochte Bahn um Bahn schwimmen, tauchen, toben – um am Ende eines ausgedehnten Schwimmbad-Nachmittags müde und glücklich auf der Rückbank unseres Familien-Passats einzupennen.

Aber schon als Teen war ich meist mehr AM statt IM Wasser, vornehmlich auf dem Badesteg meines Lieblings-Sees. Das Wasser war zweitrangig und diente letztlich nur der Versammlung, um weitaus wichtigere Dinge als Schwimmen zu perfektionieren: Flirten, Freundschaften und – pardon – Fummeln.

Als dann die Kinder kamen, nahm meine Lust auf Schwimmbäder so rapide ab, wie die ihre wuchs. Woran auch immer es lag: am höllenmäßigen Lärmpegel, dem Stress, die freidrehenden Kinder nicht abgluckern zu lassen oder die schnöde Tatsache, dass ich mich im Badeanzug nicht mehr so zuhause fühlte wie noch in meinem Prä-Mutter-Körper – Bäder aller Art wurden lange Zeit zu meiner persönlichen Art No-Go-Area. Bis zu diesem ersten Post-Corona-Sommer. Da hatte ich die Schnauze so voll von No-Go-Areas, ich wollte raus, mich und das Leben und die wiedergefundene Freiheit spüren.

Und irgendwie zog es mich plötzlich ins Wasser.

Vielleicht, weil man sich nirgendwo sonst von Jetzt auf Gleich so schwerelos, so frei, so leicht fühlt. So getragen und so durchlässig für all die glücklichen (Sommer-)Gefühle. Ich fing an zu schwimmen, obwohl ich eigentlich gar nicht schwimmen kann. Also nicht schwimmen im Sinne von: Ich habe weder eine erkennbare Technik noch guten Stil. Ich kann nicht kraulen, keinen Schmetterling, nicht mal Rückenschwimmen. Man kann es wohl Brustschwimmen nennen, mit dem Kopf hoch über Wasser, immer an der Grenze zur Nackenstarre – und dennoch ganz wunderbar.

Wenn ich es gleich morgens ins nahe Freibad schaffe und mich zwischen die Senioren ins Wasser gleiten lasse, die ruhig und stetig ihre Bahnen ziehen, wenn ich mich anstecken lasse von dieser wunderbaren Gleichförmigkeit von Bewegung und Atem und Sein – dann hat Schwimmen sogar etwas Meditatives.

Es ist dieser Zustand, den ich auch vom Laufen oder vom Yoga kenne, dieser Dazwischen von äußerer und meiner inneren Welt, das Ruhe und Fokus und ganz viel neue Energie bringt. Allerdings schwimme ich wirklich nur gern morgens, bevor sich das Bad mit schreienden Kindern und hormongepeitschten Teenies füllt. Und bislang bin ich noch nicht so weit, dass ich auch im Winter ins Wasser gehen würde – auch nicht in beheizte Hallenbäder. Schwimmen ist für mich einfach Sommersache.

Mit meiner späten Schwimm-Liebe bin ich offenbar nicht allein – schwimmen liegt im Trend!

Wer mal einen Blick auf die aktuellen Roman-Cover dieser Saison geworfen hat, sieht überall Frauen in Badeanzügen. So viele, dass es bereits die Kollegen von SZ und FAZ zu launigen Kommentaren provoziert hat – hier und hier. Aber es funktioniert: Ich zumindest bin ein dankbares Titelbild-Opfer, schließlich ist das schönste Sommersymbol immer noch und immer wieder glitzerndes Wasser und Menschen, die sich darin erfrischen.

Ich bin jedenfalls schon schwach geworden bei Caroline Wahls Romandebüt “22 Bahnen”, das auf meinen Sommer-Must-Read-Stapel kommt und Kristine Bilkau hat ihrer Schwimm-Leidenschaft gleich ein ganzes Buch gewidmet: “Wasserzeiten – Über das Schwimmen”. Und hier habe ich selbst schon mal darüber geschrieben, wie ich mich wieder in den Badeanzug getraut habe – mit entsprechendem Aufmacher-Bild. War dem Trend also voraus…

Und ihr? Geht ihr auch gern schwimmen? Bin gespannt!

Foto: Shutterstock

Alles Liebe,

Katia