Kürzlich bin ich auf dem Dachboden über die gesammelten Seelen-Werke meiner Teenjahre gestolpert: Eine große IKEA-Box randvoll mit Tagebüchern, Reiseberichten, Kalendern und Briefkladden an vergangene große Lieben. Und gleich da oben, eingequetscht zwischen Zeltausrüstung und altem Spielzeug, fing ich zu lesen an…
Es war eine nostalgische Zeitreise zurück in ein anderes Sein. Zurück zu Erlebnissen, Gedanken und Gefühlen, die ich lange vergessen hatte – und die mir plötzlich wieder so lebendig vor Augen standen wie damals. So viele Flashbacks, so viel geballtes Leben, Leiden, Lieben. So viel ICH auf diesen unzähligen Seiten. Es war mir ein Fest der vergangenen Probleme, Peinlichkeiten, Pubertät.
Und es war ein Blick ganz tief in meine Seele.
Wer das liest, weiß, wer ich im Kern bin. Wie ich ticke. Und weil das bislang niemand außer mir zu Gesicht bekommen hat, ist es ein Erinnerungsanker für mich selbst, wer und wie ich mal war. Als ich Band um Band in die Hände nahm, wurde mir klar, dass ich mich vermutlich nie besser gekannt, nie besser dokumentiert habe als in den Jahren zwischen elf und 18. Dass ich mich seziert habe mit einer Detailverliebtheit, für die man vermutlich auch nur als Teen Zeit und Lust hat.
Aber ich war auch ein wenig traurig, dass mir das in meinem späteren Leben verloren gegangen ist. Dass ich mir – außer in den großen Krisen meiner erwachsenen Jahre – kaum mehr die Zeit genommen habe für das, was mich bewegt. Es aufzuschreiben, es dabei zu betrachten, zu drehen und zu wenden, bis ich den richtigen Griff dran hatte.
Denn Tagebuch schreiben heißt verarbeiten. Heißt sortieren, sich klar werden, heißt sich zu sehen und zu verstehen.
Tagebuch schreiben bedeutet, sich nackt zu machen vor sich selbst. Ich war selten so radikal ehrlich zu mir wie auf den Seiten meiner drölfzig Tagebücher. Und wie gut das getan hat! Selbst wenn es natürlich auch dauernd darum ging, dass Nicki nicht geguckt und Dani die tolleren Beine hatte, wie es bei Simon im Partykeller war oder beim Wettkampf in Malente: Auf und zwischen all diesen Zeilen bin ich zu dem Menschen geworden, der ich heute bin.
Und die besten Texte sind schon damals nicht aus den Alltagsbeobachtungen entstanden, sondern aus der Not heraus. Wenn die Liebe nicht so wollte wie ich, wenn eine Freundschaft wankte oder das Standing in der Clique – dann bin ich auf den Seiten meines Tagebuchs zu Hochform aufgelaufen. Stilistisch und seelisch. Und so ist es bis heute.
Wenn ich heute hadere, leide, zweifle – dann greife ich mittlerweile wieder zu Stift und Tagebuch.
Denn in der Lebensmitte nehmen die Irrungen und Wirrungen des Lebens wieder deutlich an Fahrt auf – ähnlich wie in der Pubertät. Vieles, was mir lange vertraut schien, ist jetzt wieder ganz anders und neu, widerstreitende Gefühle legen mich lahm – da hilft es mir gerade sehr, das auf dem Papier zu entwirren. Oder in instabilen Zeiten wie diesen einfach festzuhalten, was mich froh macht. Als Anker in einer Welt, die mich häufig struggeln lässt. Auch ein Glücksbuch. Je nach Laune und Bedarf.
Ich genieße den Dialog mit mir. Weil ich aus Erfahrung weiß, dass es mir hilft, mich selbst, meine Gefühle und Handlungen zu reflektieren. Jetzt ist offenbar wieder diese Zeit im Leben.
Und ihr: Habt ihr Tagebuch geschrieben, schreibt ihr noch oder wieder…?
Foto: Shutterstock
Alles Liebe,
Guten Morgen liebe Katia!
Oh, bei mir stehen die Bücher tatsächlich im Arbeitszimmer zuhause unten im Bücherregal. Das erste mit Kätzchenprint von 1994…ich habe einmal ein Jahr und einmal ein halbes Jahr nichts geschrieben und – wie ich finde sehr merkwürdig – so gut wie gar nichts in der Schwangerschaft, aber ich denke ich kann wirklich sagen: ich schreibe seit 1994.
Spannend ist der Übergang zwischen Grundschule und Pupertät & da das so lange her ist, ist die Peinlichkeit komplett weg – herrjeh, ich bin bald mitte 40! 😉
Noch spannender und beinahe schmerzhaft sind die Mittzwanziger: rückblickend muss da so einiges im Argen gewesen sein.
Krass ist es, wenn ich Namen und Menschen beschreibe, an die ich mich ohne das schriftliche Dokument nicht mehr erinnere! (Fairerweise habe ich in meinem Leben auch viele Menschen kennengelernt, da ja sehr oft umgezogen).
Momentan konzentriere ich mich drauf – wenn keine Zeit ist – einfach 3 Dinge des Tages zu beschreiben die gut waren (geht so in die Dankbarkeitsschiene); es bringt nämlich total Laune druchzublättern und nur gutes zu lesen! Klappt aber auch nicht immer…
Liebe Grüße,
Astrid gen Ostsee
Hej liebe Astrid, was für ein Schatz, oder…? ich finde es auch als Zeitdokument so wahnsinnig spannend: Vorlieben, Prioritäten, Crushes – wie sich das über die Jahre alles veschoben hat… Die drei Dinge des tages finde ich eine gute Idee, weil man weiß, dass es überschaubar ist und nicht noch ein weiteres großes To-do auf der Liste. Ich schriebe heute auch wieder 🙂 Alles Liebe an die See, Katia
Ich kann voll mitgehen mit diesem Text!
In meiner Jugendzeit war mein Tagebuch, mein bester Freund… ich habe so unendlich viel geschrieben und in meinem Schrank sitzen auch jede Menge alte Tagebücher. Manche sind leider ziemlich vergilbt und nur noch schwer bis gar nicht leserlich. Sehr bedauerlich ist das.
Später wurde es deutlich weniger mit dem Schreiben; ich hatte vermutlich einfach keine Zeit mehr dafür.
Und es gibt Zeiten, wo ich gar nicht mehr geschrieben habe.
Parallel dazu kann irgendwann mein Blog… aber das war doch eher zensiertes Schreiben und nicht ganz so frei wie im Tagebuch,
Inzwischen schreibe ich wieder deutlich mehr ganz klassisch und altmodisch im Tagebuch.- und es tut mir sehr gut!
Hej liebe Doro, ach wie spannend! Bei mir lag es jahrelang auch total brach, vieles habe ich in den letzten Jahren auch hier über den Blog verarbeitet – persönlich, aber natürlich nicht so privat wie ein Tagebuch. Geholfen hat’s mir trotzdem immer, weil es mir immer guttut, Dinge schreibend zu reflektieren. Alles Liebe, katia
Ich habe es mal versucht, weil das alle in der Schule gemacht haben, und es kam mir so verkehrt und aufgesetzt vor, Tagebuch zu schreiben, so prätentiös. Vielleicht war ich damals schon recht gut mit mir im reinen, keine Ahnung. Ich habe es immer mal wieder versucht, fand es aber auch furchtbar, nach ein paar Jahren die Einträge zu lesen, so ein bisschen fremdschämen weil ich manches aus der Distanz so gar nicht mehr gefühlt habe. Für mich war und ist das so gar nichts, was mir hilft, ich würde auch niemals wollen, dass das jemand liest. Ich denke viel über mich und mein Leben nach, spreche ggf. mit mir nahestehenden Personen, aber die Dinge festhalten auf papier, das würde ich nicht wollen. Ich würde auch nciht wollen, dass zB meine Kinder die Bücher mal erben, ich würde ihnen mögliche Lasten, die sich aus den persönlichen Gedanken für sie ergeben könnten (man kann so viel falsch verstehen von dem, was geschrieben wird), nicht aufbürden wollen. Gedanken und Gefühle folgen einer ganz eigenen Dynamik, was dort in der Wucht des Gefühls geschrieben wurde, ist tage Später schon wieder relativiert, aber die Info fehlt dann vielleicht…Nee, für mich war das so gar nichts 🙂
Hej liebe Silvie, ich glaube, Tagebuch schreiben muss aus einem inneren Drang her kommen – sonst passt es nicht. Menschen sind so verschieden – ich konnte mich immer schon gut auf dem Papier sortieren, vielleicht auch, weil Schreiben mir mein Leben lang schon so nah ist. Hauptsache, jeder findet einen guten Weg, sich mit dem Leben und all seinen Stolperfallen auseinanderzusetzen. Alles Liebe, Katia
da hast du völlig recht, jeder das Ihre! Ich finde es – auch wenn wir beim Tagebuch nicht auf einer Wellenlänge sind – trotzdem immer schön, deine Gedanken hier zu lesen! Liebe Grüße und schöne Weihnachten!
Silvie
Ich danke dir 🙂 Das wünsche ich dir auch!