Bücher sind formidable Fluchthelfer. Und dieser Sommer war mitunter wirklich zum Weglaufen: Regen aller Orten und Kinder, die sich permanent in der Wolle hatten. Das Erholungskonto war dementsprechend leer – wie gut, dass wenigstens mein Bücherkoffer prall gefüllt war. Kompliziertes habe ich dieses Mal konsequent aussortiert – und mich stattdessen Hals über Kopf in Feelgood-Romane mit viel Liebe, Sex und Schmerzlichkeit gestürzt. Halleluja, hat das gutgetan! Hier kommen meine drei Herzens-Empfehlungen zum Wegschmökern…

Kann ein Buch was taugen, das es bei Famila im Supermarkt zu kaufen gibt…? Es kann, zumindest dieses! Ich fürchte, dass ich beim Lesen immer mal wieder ziemlich rote Ohren hatte und dauernd dieses Kribbelgefühl im Bauch, weil ich mich plötzlich auch so verknallt fühlte wie Teenager Percy. Und bevor ich dem Buch jetzt den Stempel “Frauenroman” aufdrücken kann – mein Vater hat es übrigen auch weggesuchtet.

Sehnsuchts-Schmöker mit Sex-Appeal: Carley Fortunes “Fünf Sommer mit dir”

Nach zwei Dritteln des Romans war ich so aufgewühlt, dass ich die beiden Protagonisten Percy und Sam am liebsten durchgeschüttelt hätte: Jetzt TUT es doch endlich, verdammt!! Denn wie die beiden Teens umeinander herumschleichen, wie ihre enge Freundschaft sie blind macht für das, was sie wirklich füreinander empfinden – boah, das hat mich kirre gemacht! Auf eine gute Art kirre, denn ich musste den Pageturner innerhalb von zwei Tagen durchbingen.

Und darum geht’s: Fünf Sommer lang verbringt Percy die Ferien im idyllisch-kanadischen Barry’s Bay am See – und freundet sich mit dem Nachbarsjungen Sam und dessem smarten Bruder Charlie an. Der Roman beschreibt eine Jugend, nach der sich jeder sehnt: Endlose Sommertage am Wasser mit Wettschwimmen, Eisessen, Sterne schauen – und sich verlieben, selbst wenn man es sich nicht eingesteht.

Das einzig Dumme an diesem perfekten Sommer-Roman ist nur, dass er irgendwann zu Ende ist.

Und dass man anschließend dringend noch einmal 14, 15 16 sein will, sich verlieben, alles zum ersten Mal erleben möchte – das Wirrwarr der Gefühle, den ersten Kuss, ja, sogar den ersten Schmerz. Weil alles so bedeutsam ist, so groß, so prägend – und gleichzeitig so unschuldig.

Ich wäre am liebsten selbst mit Haut und Haar in die Geschichte eingetaucht, um zu erleben, was Sam und Percy erleben, zu fühlen, zu lieben, zu leiden wie sie. Wäre definitiv aufregender gewesen als der verregnete Nordsee-Urlaub mit nervigen Kindern und miesem Wetter…

Die Tragik der Teenager: Das Coming-of-Age-Porträt “Unser letzter Sommer am Fluss” von Jane Healey.

Es ist keine Absicht, aber irgendwie lande ich immer wieder bei Coming-of-Agen-Romanen – scheint einfach mein Genre. Dieser ist nicht ganz so leicht verdaulich wie “Fünf Sommer…” und dennoch sehr packend. Das Teenager-Drama entfaltet sich auf zwei Zeitebenen: Im heißen Sommer 1997, in dem die 17-jährige Maeve sich langsam von einer schweren Erkrankung erholt – und durch die Begegnung mit Stuart, einem alten Jugendfreund ihrer Mutter Ruth, wieder ins Leben zurück katapultiert wird.

Im Sommer 1973 ist Ruth selbst noch ein Teen und inszeniert sich und ihre Freundinnen, die sich die Ophelia-Mädchen nennen, in klassisch-tragischen Posen am nahen Fluss, während Stuart  versucht, ihr näherzukommen. Ist seine Affäre mit Maeve Jahrzehnte später eine Replik auf diesen Sommer, der mit einer Tragödie endet…?

In diesem Roman scheint alles elektrisch aufgeladen – und knistert geradezu beim Lesen!

Die Amour fou zwischen Maeve und Stuart, in dem jeder Blick, jede Berührung so bedeutungsschwer ist, dass man förmlich die Hitze, den Schweiß und das Begehren zwischen den beiden spüren kann. Und dabei doch mit einem wehmütigen Lächeln auf Maeve blickt, weil man weiß, dass all das irgendwann nur eine Episode im Leben sein wird, die viel weniger bedeutsam ist als man es im Überschwang der Teenie-Jahre glaubt.

Himmel, diese Tragik, die Tragweite, die man allem zugeschrieben hat. War das intensiv. Und anstrengend! All das spürt man plötzlich wieder sehr deutlich, während man sich auf den Seiten satt an Lust und Leid liest. Aber glücklicherweise ganz ohne Kitsch-Verstimmung, das ist ja nicht so meins.

Die Schönheit der Natur versus die Brutalität der Menschen: “Soweit der Fluss uns trägt” von Shelley Read

Irgendwann in der Mitte dieses Romans, der gern als Nachfolger von “Der Gesang der Flusskrebse” gehandelt wird, dachte ich: Wie viel kann eine Frau aushalten…? Wie viel Schlimmes ertragen und dennoch weitermachen? Im Colorado der 1940er ist Victoria 17, als sie den indigenen Will trifft – und kurz darauf von ihm ungewollt schwanger wird. Die Mutter ist tot, der Bruder brutal, der Vater ihr fremd – und nach dem Mord an ihrem Geliebten geht sie allein in die Wildnis, um ihr Kind zur Welt zu bringen.

Die Naturbeschreibungen sind mit das Stärkste an diesem Roman, der mich das erste Mal seit Jahren dazu gebracht hat, eine halbe Nacht durchzulesen, um zu wissen, wie die Geschichte ausgeht. Wie Victoria allen Widrigkeiten trotzt, dem Verlust ihrer Familie, ihres Zuhauses, ihres Kindes und trotzdem am Leben festhält, hat mich sehr berührt.

Obwohl ich immer noch finde, dass “Gesang der Flusskrebse” ungeschlagen ist – auch dieser Fluss-Roman hat das Zeug zum Liebling!

Weil man durch die Naturbeschreibungen wie durch einen literarischen Nationalpark wandelt. Weil die Frauenfigur so stark ist. Und vielleicht auch, weil die Geschichte eines unprätentiösen Lebens ziemlich demütig macht. Ich glaub, ich bleibe erstmal noch eine Weile bei gefälligen Romanen. Das Leben ist schon kompliziert genug…

Und was waren eure Bücher des Sommers…?

(Hättet ihr eigentlich Interesse an einer regelmäßigen Bücherkolumne? Oder reichen euch die Saison-Posts aus…?)

Alles Liebe, schmökert schön,

Katia