Freitags abends auf dem Sofa, hundemüde und irre froh, nehme ich mir regelmäßig vor, am nächsten Tag eine bessere, eine geduldigere, eine kreativere Mutter zu sein. Dieses Mal so richtig. In der Serie, die ich gerade schaue, kam nämlich ein krankes Kind vor, ein sehr krankes. Ich schaue sowas eigentlich nicht, halte es nicht aus, aber dieses Mal ist es einfach passiert. Ich war das Wochenende über mit den Kindern allein, legte die Hand auf meinen schokoschwangeren Bauch, dachte an meine Babys, die auf wundersame Weise darin gewesen waren, so klein und so süß, und war zuversichtlich für den nächsten Tag…

Am Samstag Morgen, viel zu früh, stehen zwei Kinder vor dem Bett und streiten. Ich möchte eigentlich noch ein wenig mit zweien kuscheln, aber die Bekuschelten hüpfen heute herum, reißen Flaschen um und schmeißen mit Kissen.

Ich gehe runter, unten herrscht das normale Wochenendchaos, welches ich normalerweise gern in Kauf nehme, dafür dass sich die Großen am Wochenende selbst ein erstes Frühstück machen, dabei Hörspiele hören, für sich spielen – trotzdem nervt es mich, dass sie nichts wegräumen.

Ich atme aus, bitte darum, wenigstens die Frühstückssachen wegzuräumen. Ich bitte noch einmal. Ich stelle das Hörspiel auf Pause und bitte wieder. Ich motze. Ich schlichte Streit, ich wische verkippte Milch auf, dann Joghurtreste, ich schneide Äpfel, schlichte Streit, wickele, schlichte Streit, drehe das Hörspiel leiser, höre Streit ums nächste. Ich möchte auf dem Sofa in Ruhe meinen Kaffee trinken, der Kaffee kippt um, weil zwei Kinder auf meinem Schoß herumkrabbeln. Jetzt mögen sie kuscheln. Ich wische auf, ich wickele nochmal, ich gieße auf dem Weg die Blumen, ich werfe schnell eine Wäsche ein, ich versuche Streit zu überhören, ich versuche es nochmal mit Sofa, lese drei Sätze in einem Magazin. Als ich die Streitenden endlich überredet habe, nach draußen zu gehen, fällt mir mein Plan vom Vorabend wieder ein.

Ich sehe meine Kinder draußen, sie laufen über den frostigen Rasen, sie schaukeln, sie lachen und die Sonne scheint. Das Kleinkind spielt für sich. Ich kann es nicht glauben – werde statt ruhig sofort hektisch.

Ich sehe das Chaos – und den Esstisch, auf dem zwei, eigentlich drei neue Herzensprojekte liegen. Ich würde so gern weitermachen. Ich denke nach: mache ich was für Projekt eins, zwei oder drei? Mache ich Wäsche? Oder mache ich mir erstmal noch einen Kaffee? Bestelle ich endlich neue Socken für die Kinder? Stopfe ich womöglich die alten?

Als ich die Datei von Projekt eins öffne, entdecke ich im Augenwinkel eingetrocknete Nudelsoßenreste am Kindertisch.

Ich habe eine Blitzidee für Projekt eins und gleichzeitig eine für Projekt zwei. Ich tippe kurz, ich denke an Kaffee, spare die Zeit. Ich gucke schnell etwas im Netz nach. Ich höre die Kinder im Flur. Sie streiten.

Ich hoffe, mir die guten Ideen zu merken. Mein Vorsatz vom Vortag fällt mir wieder ein, ich setze mich mit dem Kleinsten auf die Dielen, stapele ein paar Bausteine. Er stößt sie um, ich stelle sie wieder auf, er stößt sie um, ich stelle sie wieder auf. Er lächelt, ich lächele. Dann stehe ich auf. Meine Bausteinstapelgeduld war früher größer. Die großen Kinder maulen, fragen zum hundertsten Mal, wann ihre Sportveranstaltung am Nachmittag beginnt. Ich atme aus. Ich schlage vor, etwas zu backen. Backen ist eigentlich immer gut.

Ich hebe den Vierjährigen auf die Holzarbeitsplatte, hole den Kleinsten vom Kühlschrank weg, rette Marmeladengläser, Butter, Glasflaschen vor ihm. Ich messe ab, der Vierjährige füllt ein. Ich entdecke Sonnenflecken auf der Holzarbeitsplatte und feine Teigspritzer in seinem Gesicht. Wie Sommersprossen. Ich lächele, er lacht. Ich lecke Teigreste von seinem kleinen Finger.

Der Große brüllt, dass der Kleinste Wasser verkippt, ich bitte ihn, aufzuwischen, da ist er schon wieder raus. Ich sichere den Mixer, ich wische, ich rette den Teig vor dem Kleinsten, der Kleinste motzt. Der Vierjährige motzt, ich motze, ich schiebe die Schale noch ein wenig weiter nach hinten, ich mache draußen schnell einen Fahrradhelm zu. Ich erinnere daran, wärmere Sachen anzuziehen.

Der Kleinste hat die Küchenrolle einmal durch die Küche gerollt, ich wickele sie wieder auf, der Kleinste motzt, der Vierjährige schreit. Das Handy klingelt. Ich will es ignorieren, gucke aber doch. Es ist eine Mama von der Sportveranstaltung am Nachmittag. Ich gehe dran. Der Vierjährige nascht Teig, der Kleinste kommt doch an die Schüssel und schmiert den Teig an die Küchenschränke. Die Mama fragt, ob ich ihr Kind mit zum Sport nehmen könne. Ich rette den Teig, sage ihr, dass die Kinder heute mit einem Freund mitfahren.

Der Kleinste schmeißt das Mehl runter, ich verspreche trotzdem, den Papa des anderen Kindes zu fragen, ob er noch jemanden mitnehmen könnte. Ich atme aus. Ich suche die Nummer raus, der Vierjährige mault, dass wir doch backen wollten. Der Kleinste klammert sich an mein Bein. Ich nicke, hole die Eier, der Kleinste klammert, so sehr, dass meine Schlabberhose herunterrutscht. Ich schaue zum traurigen Vierjährigen und werde auch traurig. Ich nehme den unzufriedenen Einjährigen auf den Arm. Ich finde die Nummer, frage den Papa, bitte ihn, sich bei der anderen Mama zu melden. Ich überlege, wie ich den Teig in die Form bekomme mit bloß einer Hand. Der Vierjährige will jetzt runter, mag nicht mehr backen. Ich atme aus.

Ich würde so gern in Ruhe mit ihm backen. Ich hätte so gern mehr Lust auf Bausteine bauen. Ich hätte große Lust, die Großen, nur die Großen spontan einzupacken und zu den Pferden zu fahren. Ich schiele zum Schreibtisch, ich hätte riesengroße Lust, meine Ideen umzusetzen.

Manchmal wünschte ich, mein Leben wäre ein Kochbuch, hübsch geordnet, ein Rezept auf der einen Seite, das nächste erst auf der nächsten, mit exakter Zutatenliste, genauer Anleitung und einem Ergebnis. Ziemlich oft wünschte ich, meine Alltagskabel verliefen parallel, nicht durcheinander und verknotet. Zu viele Optionen. Lebenskabelsalat! An manchen Tagen atme ich tiefer aus statt ein.

An diesem Samstag habe ich beinahe das schöne Frühlingswetter verflucht, weil es noch eine Option mehr gab, nämlich rausgehen und Sonne genießen.

Aber genau das habe ich schließlich gemacht.

PS. Auf dem Foto? Keine Weltkarte. Milchflecken im Vorfrühlingslicht. Irgendwie schön, oder? Also, irgendwie…

Eine gute Woche für euch,

Claudi