Ende vergangenen Jahres habe ich irgendwann ernsthaft darüber nachgedacht, endlich auf superwasserfeste Mascara umzusteigen. Warum? Weil ich bei jedem Weihnachtsmärchen mit meinen Kindern, bei jedem peinlichen guilty-pleasure-Songs im Radio und bei jedem Tränendrüsen-affinen Werbespot plötzlich Rotz und Wasser geheult habe…

Ohne Vorwarnung Sturzbäche heulen musste – an den unpassendsten Orten. Im Supermarkt, beispielsweise. Am Punschstand auf dem Weihnachtsmarkt (und zwar gänzlich nüchtern). Dabei bin ich eigentlich sonst nicht so nah am Wasser gebaut – im Gegenteil. Ich bin in Sachen (Alltags-)Emotionen oft eher genau das: ziemlich nüchtern.

Ich habe nicht geweint, als ich meine Kinder das allererste Mal im Arm hielt und auch nicht als ich meinem Mann das Ja-Wort gegeben habe.

Ich weine nicht, wenn andere weinen, heule nicht vor Freude und auch nicht aus Wut. Aber ich flenne überfallartig, wenn ich einen nostalgischen Song höre oder wenn gewiefte Werber einen Spot zusammenbasteln, der so offenkundig auf die Tränendrüse drücken soll, dass es schon fast lachhaft ist. Aber es funktioniert. Jedes Mal. Auch schnulzige Happy Ends in konstruierten Hollywoodstreifen bringen mich häufig zum Überfließen. Ich bin ein dankbares Kitsch-Opfer.

Gerade um die Weihnachtszeit ist es immer besonders wild. Letzten Dezember sah ich die Hälfte der Zeit wie ein schlecht geschminkter Pandabär aus. Scheinbar springe ich gerade dann auf besonders viele Trigger an: Kindheitserinnerungen, allgemeine Harmonietrunkenheit, undefinierte Sehnsüchte – und überall Musik, die all das bis zum geht-nicht-mehr verstärkt. Und vielleicht ist es zum Jahresende auch einfach die pure Erschöpfung dank Überforderung. Die letzten Jahre waren hart.

Denn tatsächlich gibt es laut einer aktuellen Studie nur fünf relevante Gründe für emotionales Weinen:

Überforderung, Einsamkeit, Machtlosigkeit, Harmonie und – wirklich wahr – Medienkonsum. Wer gefühlig heult, ordnet sich offenbar immer in eine dieser Kategorien ein. (Hier geht’s zu besagter Studie). Ich tendiere damit eindeutig zu Medienkonsum – und schäme mich ab sofort nie wieder, wenn ich bei “This is Us” die Schleusen öffne. Und mein nostalgiebedingter Tränenfluss ist wohl eine komplexere Mischform.

Weinen tun wir wohl immer dann, wenn psychologische Grundbedürfnisse nicht erfüllt – oder aber sehr intensiv befriedigt werden. Eines meiner Grundbedürfnisse scheint demnach die Freude an fremden Kitsch zu sein, nanu. Streamen toppt Kinderkriegen. Da sollte ich mal drüber nachdenken.

Dafür habe ich an anderen Wendepunkten meines Lebens geweint, den weniger offensichtlichen.

Ich erinnere mich an dieses Mal, als ich nach sehr langer Single-Zeit das erste Date mit einem potenziellen neuen Freund hinter mir hatte – und tief in mir fühlte, dass er es wert war. Dass ich es ihm wert war. Und so saß ich da morgens in meinem Paletten-Bett meiner Studentenbude, einen Becher Kaffee in der Hand – haltlos schluchzend, vor Freude und Überwältigung, eine lange trostlose Phase meines Lebens endlich hinter mir zu lassen.

Mal abgesehen von der Panda-Optik finde ich weinen sogar manchmal ganz schön. Auf eine bittersüße Art gut. Wenn ich in vermeintlich besseren Zeiten schwelge – die unwiderruflich vorbei sind. Wenn ich mir die Handyfilme meiner damals noch so kleinen Kinder anschaue. Wenn ich in dem Fotoalbum blättere, das meine Mutter mir zum 25. Geburtstag gemacht hat. Und garantiert jedes Mal, wenn ich “Halleluja” höre. Ein absoluter Heuler, im wahrsten Sinne.

Okay, ich hab jetzt genug geschluchzt. Wie ist es bei euch – wann weint ihr?

Foto: Shutterstock

Alles Liebe,

Katia