Manchmal habe ich ein Job-vu. Kennt ihr das? Ein Duft oder eine Musik beamen mich dann in Gedanken in einen längst vergangenen Job. Ich habe das neuerdings öfter, morgens, wenn ich in mein Arbeitszimmer schleiche, Kaffee in der einen, Zeitung in der anderen Hand. Es riecht nach Papier, Blumen und einem Hauch von Parfum, genau wie früher, wenn ich morgens in die Redaktion kam. Damals war ich Redakteurin bei einem bekannten Frauenmagazin. Es duftete ähnlich – und doch ist heute alles anders. Voilá: hier kommt ein kleiner Vergleich über meine Arbeit als Redakteurin damals und als Autorin meines eigenen Blogazins heute…

ZEIT
Magazin: Los gings in den Redaktionen um 10 Uhr mit einer Konferenz, Schluss war um 19 Uhr. Mittags ging man eine Stunde lunchen, wenn nicht Heftabgabe war und man einfach mit einem To-Go-Salat neben sich weiter schrieb. Ungefähr ein- bis zweimal in der Woche stand ein Kundenevent im Kalender, ab und an gingen solche Events auch mehrere Tage, auch am Wochenende. Dort wurden dann neue Produkte vorgestellt, eine Anti-Aging-Creme in Bordeaux oder ein neuer Lippenstift in New York. Es war eine schöne, eine sehr aufregende Zeit – aber manchmal hatte ich das Gefühl, ich saß mehr im Flugzeug, als auf meinem Sofa. Meinen Urlaub nutzte ich teilweise noch für Geschichten für das Reiseressort.

Blogazin: Vor Corona arbeitete ich werktags in der Regel an vier von fünf Vormittagen in der Woche. Ich bin unglaublich effektiv dabei geworden. Pfeife auf Wimperntusche, ignoriere das dreckige Geschirr, stakse über Spielzeug und schreibe. Regelmäßig bloggen ist ein super Schreib-Training – nach einer Weile flutschen die meisten Texte. André hilft mir sehr bei dem ganzen Drumherum: Er macht die Buchführung, wickelt Kooperationen ab, kümmert sich um die Steuern. Manchmal arbeite ich auch abends, aber ganz ehrlich, meistens kann ich dann keinen guten Satz mehr texten. Ein paar Fotos bearbeiten, das geht oft noch. Wenn ich eine Abgabe habe, oder an einem Buch schreibe, sitze ich auch mal am Wochenende am Schreibtisch. In den allermeisten Momenten liebe ich das Schreiben, es ist meine Lebenshilfe. Meine Niere, die mein Leben filtert.

KOLLEGEN
Magazin: Ich saß damals mit meiner Ressortleitung in einem Zimmer, das war schön. Ich habe wahnsinnig viel von ihr gelernt. Morgens trafen sich alle Kollegen im Konferenzraum, mittags ging man mit ein oder zwei Kollegen lunchen. Auch auf den Pressereisen traf ich immer die selben – manchmal fühlte es sich an wie Klassenfahrt. Mit den Grafikern und der Fotoredakteurin telefonierte ich meistens, obwohl sie bloß vier gläserne Büros weiter saß. Verrückt, oder? Mehrmals am Tag traf man sich allerdings in der Teeküche – oder mal am Kopierer. Einige Kolleginnen, mit denen ich damals auf Pressereisen nach dem offiziellen Teil öfter mal heimlich tanzen ging, sind heute selbst Chefradakteurin eines wirklich großen Magazins.

Blogazin: Ich arbeite für mich allein. Wir haben inzwischen eine Redaktionsassistentin eingestellt, die sich um den Shop kümmert, die allermeisten Kooperationsanfragen absagt und André bei der Buchhaltung hilft. Mit einigen wenigen Bloggerkollegen schreibe ich hin und wieder privat oder telefoniere mal. Zu den Dutzenden Events von möglichen Kunden gehe ich fast nie. Ich schaffe das zeitlich einfach nicht, beziehungsweise schreibe ich in der Zeit lieber einen neuen Text.

Manchmal gehe ich hin, weil ich weiß, dass ich dort liebe Kollegen treffe. Inzwischen habe ich glücklicherweise drei tolle Kolumnistinnen, die ebenfalls für WASFÜRMICH schreiben. Die nehmen mir etwas von meinem eigenen Druck, jeden Werktag liefern zu müssen. Und erfreuen mich echt so richtig, mit ihren guten Geschichten. Mal sehen, vielleicht stellen wir dieses Jahr noch eine Redakteurin ein. Ich sehne mich nach noch mehr Austausch, mehr Mut und einer größeren Geschichtenvielfalt.

OUTFIT
Magazin: Optik war wahnsinnig wichtig damals. Ich sparte auf die neusten Trends, jauchzte bei einem neuen Make-up, das ich aus der Redaktion ab und zu mal mitnehmen durfte. Ich konnte mir damals im Taxi auf dem Weg zum Flughafen die Nägel lackieren. Bei Events waren immer alle schrecklich schick und ich guckte viel zu ihnen und dann zu mir. Es war gleichzeitig aufregend und anstrengend.

Blogazin: Meistens arbeite ich in Joggingsachen. Manchmal ziehe ich mich auch schön an, vielleicht dann, wenn ich einen besonders schweren Text schreibe. Aber Aussehen spielt keine große Rolle mehr. Gerade noch viel weniger. Zum Glück lebt mein Account von meinen Geschichten, nicht von meinen Posen.

TEXTE
Magazin: So ein Magazinjahr ist total strukturiert – in allen Ressorts, in der Beautyredaktion ganz besonders. Im Januar: Winterhautpflege. Im April: Anti-Cellulite. Im November: Parfumspecial. Dabei arbeiten die Redakteure immer mindestens drei Monate im Voraus, sprich, das Osterheft wird im Januar gemacht. Manchmal hatte ich dadurch das Gefühl, ich hetzte durchs Leben. Obwohl es natürlich auch spannend war, alle Trends der großen Designer als erste zu kennen. Die meisten Themen, über die ich schrieb, waren vorgegeben. Die ergaben sich aus der Jahreszeit, auf Kundenwunsch oder meine Ressortleitung hatte sie sich ausgedacht. Es ist wirklich eine große Kunst, jedes Jahr wieder über Cellulite zu schreiben und dabei jedes Mal wieder einen neuen Dreh zu finden. Ich habe wahnsinnig viel übers Geschichten schreiben gelernt damals.

Klar durfte ich auch mal selbst Themenvorschläge machen, meine Ressortleitung damals liebte Kreativität und unkonventionelle Geschichten, da hatte ich Glück. In anderen Redaktionen war genau vorgeben, wie viele Sätze die Einleitung haben muss, wie viele der Hauptteil und der Schluss. Ungewöhnliche Wörter waren verboten, Sprachspielereien sowieso. Ich habe als Verlagsvolontärin auch dort eine Weile gearbeitet, um schnell zu merken, dass ich so weder schreiben kann noch möchte.

Wenn ich eine Idee hatte, legte ich sie der Ressortleitung vor, die prüfte sie, dann prüfte die Textchefin, dann die Chefredakteurin. Manchmal wurde das Thema in der Morgenkonferenz diskutiert, ob es wichtig genug war. Wenn alle die Idee mochten, bestellte die Fotoredaktion passende Fotos (oder ein Fotograf machte welche), die Grafik baute meine Seite und ich schrieb meinen Text direkt ins Layout. (Manchmal bekam ich Ärger, wenn ich nämlich heimlich an der Optik fuschte, um noch zwei schöne Sätze mehr schreiben zu können. Danach las den Text meine Ressortleitung, dann die Textchefin, schließlich die Chefredakteurin und zum Schluss die Schlussredakteurin. (Ab und zu wurde trotzdem ein Schreibfehler oder eine fehlende Bildunterschrift übersehen.)

Blogazin: Mein Blog ist mein Baby, yeah! Das fühlt sich so gut an. Klar muss ich ein paar Werbekooperationen unterbringen, anders wäre all das hier einfach nicht zu finanzieren und klar gibt es auch ein paar jahreszeitliche Themen, die ich einplane. Auch heute muss ich dabei ein wenig früher dran sein, als andere – Osterdekoideen nützen schließlich zwei Tage vor Ostern keinem mehr. Aber nicht mehr drei Monate, sondern bloß drei Wochen. (Der Adventskalender hängt hier schon Mitte November.) Ansonsten bin ich frei.

Ich habe einen ungefähren Redaktionsplan, in den ich für etwa drei Wochen im Voraus Textideen eintrage und Kooperationen mit Werbepartnern einplane, aber meine liebsten Geschichten schreibe ich spontan: Weil mich morgens etwas genervt hat, weil ich etwas Schönes mit den Kindern gemacht habe, weil ich etwas Spannendes gelesen habe. Manchmal stresst es mich dann, weil ich einen Text habe, aber keine Fotos zum Bebildern, ich bin nämlich vor allem Texterin und keine Fotografin. Aber ich bin da schon entspannter geworden, nehme auch mal ein altes Foto oder mache schnell ein Moodbild.

Werbekooperationstexte muss man eigentlich immer den Firmen vorlegen, die werden genau geprüft und Probe gelesen. Meine Texte lese bloß ich, einmal, zweimal, dreimal. Manchmal noch mein Mann. Klar übersehe ich dabei öfter mal Fehler. (Ich habe ein paar liebe Leserinnen, die mir öfter mal ganz freundlich kleine Rechtschreibfehler melden. Danke dafür!) Es ärgert mich sehr, wenn ich meinen Text zwei Tage später nochmal lese und dann einen Fehler entdecke. Dennoch: Ich allein darf mir ausdenken, worüber ich schreibe und ich kann es so aufschreiben, wie ich will und noch am selben Tag veröffentlichen. Ich liebe, liebe, liebe dieses spontane Arbeiten.

FEEDBACK
Magazin: Meine Ressortleitung damals war super, sie konnte sich mit mir tagelang über einen guten Text freuen. Manchmal nickte mir die Chefredakteurin auf dem Flur anerkennend zu. Und ganz manchmal, vielleicht einmal im Jahr, kam Wochen nach dem Schreiben eines Artikels die Redaktionsassistentin mit einer Mail oder einem Leserbrief vorbei. Ansonsten gab es keine Rückmeldung zum Text. Höchstens mal drei Monate später nach Erscheinen des Hefts. Von einer Freundin.

Blogazin: Wenn ich heute einen Text veröffentliche, sehe ich innerhalb von ein paar Minuten, ob mein Thema die Leser bewegt. Sie melden sofort, egal ob ich etwas großartig gemacht habe oder etwas Blödsinn ist. Dann geht’s besonders schnell! Das fühlt sich manchmal komisch an – wie eine offene Wunde. Macht aber süchtig – zumindest, wenn man wie ich zum Glück Leser hat, die eigentlich immer freundlich bleiben. Ich bin sehr offen für Kritik, sie ist mein Motor mich sich selbst zu hinterfragen und Dinge noch besser zu machen. Höchstens zweimal im Jahr bekomme ich einen Kommentar, der mich wirklich verletzt oder über den ich wütend bin, weil es keine konstruktive Kritik, sondern eine Beleidigung ist.

SOUND
Magazin: Kolleginnen am Telefon. Telefonklingeln. Schranktürklappern. Musik.

Blogazin: Tastentippen. Türklingeln. Bibi und Tina. Kinderlachen. Und Gebrüll.

INSPIRATION:
Magazin: Die Tageszeitungen am Morgen, andere Magazine. Studien. Kataloge von Firmen. Ein paar wenige amerikanische Blogs, die es damals schon gab. Und, aus heutiger Perspektive völlig verrückt: Es gab bei uns im Verlag ein Archiv, dort konnte man anrufen und sich Infomaterial bestellen. Wenn ich also über Yves Saint Laurent schreiben wollte, rief ich dort an und bekam ein paar Stunden später per Hauspost ein Bündel Kopien auf meinen Schreibtisch gelegt.

Blogazin: Immer noch die Tageszeitung, heute meistens digital. Magazine, Blogs, Bücher und das Leben. Meine Familie und mein Alltag sind heute die beste Inspiration.

WERBUNG
Magazin: Ganz klar, große Anzeigenkunden bekamen viel Raum im Heft, kleine weniger. Und ganz kleine mussten schon ganz besonders hübsch sein, so hübsch, dass sie entweder perfekt ins Layout passten oder wir Redakteurinnen Lust hatten, sie auf unseren persönlichen Empfehlungsseiten zu zeigen. Wenn ein Kunde kurz vor Heftschluss doch noch eine Anzeige buchte, wurde schon mal die Hälfte meines Artikels gekürzt. Und ich musste oft schlucken, wenn ich später das Heft durchblätterte und eine fette Anzeige (für Treppenlifts, Monatshygiene oder Vitaminpillen) auf den letzten Drücker meinen Text in eine Spalte an den Außenrand gedrückt hatte. Und die aufwendigen Fotos in Streichelholzschachtelgröße geschrumpft waren.

Blogazin: Heute wählen André und ich unsere Werbepartner aus und zum Glück ist WASFÜRMICH inzwischen so groß, dass ich viele Angebote auch von großen Firmen bekomme, die mich für meine Artikel fair bezahlen. Ich mache lieber ein oder zwei aufwendige Kampagnentexte im Monat, als dutzende kleine. Und ich arbeite nur mir Firmen zusammen, die mir journalistische Freiheit lassen. So werde ich nicht reich, aber happy. Pressesamples, also Geschenke von Firmen, die man in die Kamera hält und dafür behalten darf, lehne ich beinahe zu neunzig Prozent ab. Ich mag meine Leser nicht mit Werbung zuballern und wenn ich ein Shirt oder ein Buch schön finde, kaufe ich es mir lieber selbst. Ich möchte auch einfach dieses ganze Zeug nicht bei uns im Haus horten.

PERSPEKTIVE
Magazin: Es war mein Traumjob. Ich wollte immer schreiben, erst eigene kleine Bücher in Krakelschrift, dann Texte für die Schülerzeitung, später habe ich mir mein Studium als Freie bei einer Tageszeitung verdient. Ich habe für das Volontariat sogar meine Verbeamtung geschmissen. Ich möchte keinen einzigen Tag missen, aber als Mama hätte der Job für mich nicht mehr gepasst. Ganz abgesehen davon, dass heute sowieso vieles anders ist bei den Magazinen. Immer mehr Redakteure müssen gehen, ganze Redaktionen lösen sich auf.

Blogazin: Es ist mein Traumjob. Ich mag die Freiheit, die Kreativität. Ich mag es aber auch, dass ich auch Lehrerin bin und mein Mann einen ganz anderen Job hat. Nur online sein und nur Content produzieren als einzigen Job, würde ich auf keinen Fall wollen. Ich mag die unterschiedlichen Sprachen, die in Schulen und Agenturen gesprochen werden. Das erdet mich. Hühnerstall ausmisten auch. Ich liebe es, mein Leben dank des Schreibens zu ordnen und mich dabei immer wieder selbst zu reflektieren. Und ich liebe, liebe, liebe den Austausch mit meinen Lesern, die gegenseitige Inspiration. WASFÜRMICH ist wie ein zweites Dorf. Bloß im Netz.

Beamt ihr euch in Gedanken auch manchmal in längst vergangene Jobs?
Alles Liebe,

Claudi