Das Durchschnittsalter von Frauen bei der Geburt des ersten Kindes liegt in der EU bei 31 bis 32 Jahren. Der Trend geht dahin, dass die erste Geburt immer später erfolgt. Und bei jeder vierten Geburt ist die Mutter heute älter als 35 Jahre. Ich habe mein letztes Kind mit 38 bekommen, einige meiner Freundinnen sind mit Anfang 40 Mutter geworden. Das heißt zugleich, dass im Gegensatz zur Generation unserer Mütter zwei große hormonelle Umbrüche innerhalb einer Familie aufeinandertreffen können: Das Kind kommt in die Pubertät und die Mutter in die Menopause…
Wenn Hitzewallungen und Schlafstörungen auf knallende Türen und genervte Blicke treffen, kann das für alle Familienmitglieder explosiv werden.
Tatsächlich haben wir mit unseren Teenagern einiges gemein: Die hormonellen Veränderungen in beiden Lebensphasen führen zu ähnlichen Symptomen wie Stimmungsschwankungen und Hautunreinheiten, bei Töchtern kommen die unregelmäßigen Blutungen dazu, die bei ihnen die Fruchtbarkeit und bei uns deren Ende einläuten.
Auch schwitzen wir und unsere Teenager mehr.
Mit dem Unterschied, dass wir uns frische Luft zuwe- deln, unsere Kinder dagegen die Schweißproduktion offenbar kaum stört und sich ihr beißender Geruch im ganzen Zimmer verbreitet. Was auch daran liegt, dass wir dieses nur noch selten betreten dürfen, um bei dieser Gelegenheit durchzulüften.
Unsere Kinder erleben einen Anstieg der Sexualhormone, wir dagegen ihr Absinken. Für unsere Kinder öffnet sich eine neue Welt, die Erwachsenwerden heißt, bei uns ist Zeit für eine Bestandsaufnahme.
Wenn dann noch das Verhältnis zu unseren Kindern von Spannungen geprägt ist, sie uns auf die Bitte, mit dem Hund rauszugehen oder das eigene Zimmer aufzuräumen, mitteilen, dass sie Wichtigeres zu tun haben, wir beim Gutenachtkuss oder Kuscheln im Bett abgewiesen werden und sie auf keinen Fall in der Öffentlichkeit mit uns gesehen werden wollen, leidet darunter unser Selbstwertgefühl.
Nur ist dieses in den Wechseljahren ohnehin schon angeknackst.
Aber auch für unsere Kinder ist die Situation nicht einfach. So oft sie uns gegenüber vor Selbstbewusstein strotzen, nagen an ihnen viele Selbstzweifel, sie fühlen sich unsicher und nicht immer wohl in ihrer Haut. Der Abnabelungsprozess von den Eltern ist auch für sie mit Höhen und Tiefen verbunden, sie vermeiden nur, uns das zu zeigen. Sie sind vor allem mit sich selbst beschäftigt – in ihren Gehirnen werden alte Nervenverbindungen gelöst und neue miteinander verknüpft – und sie haben nur wenig Mitgefühl mit anderen.
Lieber konfrontieren sie uns mit der schonungslosen Wahrheit, dass wir verdammt alt sind und keine Ahnung von ihrem Leben, der Klimakrise, Minecraft oder Taylor Swift haben.
Diese Ablehnung trifft uns wie ein Schlag in die Magengrube, und das in einer Zeit, in der wir uns nach mehr Zuneigung, Verständnis und der alten Ordnung sehnen.
Aber unsere Kinder machen uns klar, dass sie uns nicht mehr brauchen. Und auch wenn wir wissen, dass das nicht stimmt, schmerzt ihr Desinteresse und die kalte Schulter, die sie uns mitunter zeigen. Sie haben uns in der Hand. Sie bestimmen, ob es zu einem Gespräch kommt oder sie unseren Anruf direkt an die Mailbox weiterleiten. Aber auch hier hilft ein Blickwechsel: Unsere Kinder befinden sich auf dem Weg zu sich und laufen gar nicht vor uns davon. Wir sollten uns erwachsen zeigen und ihr Verhalten, das wir als Ablehnung oder Kritik empfinden, nicht persönlich nehmen.
Denn dahinter steckt oft etwas anderes.
So kann Aggressivität ein Hinweis sein, dass es ihnen nicht gut geht. Die Journalistin Silke Burmester stellt in ihrem Buch Mutterblues die Frage: »Mein Kind wird erwachsen, und was werde ich?« Auch sie ringt mit dem Loslassen ihres Kindes und erzählt ehrlich, wie sehr der Abschied schmerzt.
Im Ablöseprozess der Töchter kann ein weiterer Aspekt dazukommen: die Konkurrenz. Kaum jemand spiegelt uns so sehr das eigene Älterwerden, wie unsere Töchter. Wenn sie in viel zu kurzen Röcken ausgehen und sich besser schminken können als wir, fühlen wir uns schlagartig alt. Sie stehen am Beginn ihrer Sexualität und wir wissen noch nicht genau, wie es mit unserer weitergeht.
Dieser Text ist ein Kapitel aus dem Buch „Wechseljahre. Das Upgrade“, von Anke Sinnigen, illustriert von Sabine Hanel © 2024 Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau.
Foto: Markus C. Hurek
Herzliche Grüße,
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